Jule Reimer: In Shanghai hat heute die von fünf großen Schwellenländern gegründete BRICS-Entwicklungsbank ihre Arbeit aufgenommen. Betrieben wird sie von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Ziel der Bank ist es, eine größere Unabhängigkeit von Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und von der Weltbank zu erreichen. Beide Einrichtungen werden nach Einschätzung der Schwellenländer von den USA und Europa dominiert. So wird der IWF traditionell von einem Europäer geleitet und die Weltbank von einem US-Amerikaner. Thomas Fues ist Abteilungsleiter bei der Denkfabrik Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, das ist sozusagen die Kaderschmiede für deutsche Entwicklungsexperten. Herr Fues, bei der Weltbank wird ja nicht gekleckert, sondern geklotzt, sie fördert Großprojekte im Energie-, im Landwirtschaftsbereich, nur so als Beispiel. Ist das auch von der BRICS-Entwicklungsbank zu erwarten?
Thomas Fues: Ja, sicherlich. Die fünf Länder, die die BRICS-Bank gegründet haben, sind entschieden, hier eine neue Finanzierungsquelle für Entwicklungsländer zur Verfügung zu stellen, und sie werden sicherlich alles daran legen, dass die Bank, die ja heute in Shanghai offiziell eröffnet wurde, schon in Kürze hier zu einem wichtigen Faktor in der Entwicklungsfinanzierung wird.
Reimer: Die Frage ist, ist das unbedingt nötig? Würde so eine Bank andere Ziele vertreten?
Fues: Nein, ich denke, darum geht es zunächst mal der Bank nicht. Also, die Intention der fünf Länder, die dahinterstehen, ist sicherlich zum einen, damit ihre Unabhängigkeit in der Welt zu dokumentieren und auch die mangelnde Mitwirkung bei IWF und Weltbank, die ja vom Westen kontrolliert werden, zu kompensieren. Darüber hinaus aber geht es auch um die objektiven Finanzierungsnotwendigkeiten in den Ländern des Südens, und es ist klar, dass die bestehenden Finanzinstitutionen bei Weitem nicht genügend Liquidität, genügend Kapital haben, um die enormen Finanzierungsbedürfnisse gerade im Bereich der Infrastruktur abdecken zu können.
"Im Interesse der Weltöffentlichkeit"
Reimer: Wer viel Geld hat, bestimmt auch die Richtung von Entwicklung, zum Beispiel auch die Richtung von, sagen wir mal, Umweltauflagen. Die Weltbank hat ja allerhand Umwelt- und Sozialstandards entwickelt, die teilweise gar nicht als so schlecht gelten. Andererseits, bei Staudammbauten, die mit Weltbankgeldern und damit auch mit Ihren und meinen Steuergeldern finanziert wurden, wurden zahlreiche Menschen vertrieben. Die Weltbank fördert zum Beispiel auch jetzt immer noch ein großes Braunkohlekraft im Kosovo - Braunkohle gilt ja als besonders klimaschädlich. Was erwarten Sie denn von der BRICS-Bank, welche Richtung wird die einschlagen?
Fues: Den Ländern, die sich hier eine neue Institution geschaffen haben, ist klar, dass sie im Interesse der Weltöffentlichkeit stehen. Und es gibt eine erklärte Absicht, dass die BRICS-Bank Umwelt- und Sozialstandard auf höchstem Niveau realisiert. Wie weit das dann in der Praxis umgesetzt wird, das wird sich zeigen. Man kann der neuen Bank nur wünschen, dass sie von Anfang an dort transparent die Öffentlichkeit informiert, gerade in den kreditnehmenden Ländern die Möglichkeiten schafft, dass entsprechende Kritik und Proteste der Bevölkerung, von gesellschaftlichen Gruppen dort wahrgenommen werden und dass dann eben im konkreten Einzelfall genau hingeguckt wird, ob dieser hohe Anspruch der Umwelt- und Sozialstandards in der Praxis umgesetzt wird.
"Es ist zu hoffen, dass die BRICS-Bank von Anfang an konsequent die fossilen Energien beiseitelässt"
Reimer: Die Weltbank sagt in der Theorie oder zumindest zum Teil, fossile Brennstoffe sind eigentlich nicht gut. Dennoch, haben wir gerade gehört, finanzieren sie zum Beispiel dieses Kohlekraftwerk, Braunkohleförderung im Kosovo. Wird es da unter Umständen einen entscheidenden Richtungswechsel haben, wenn sich die BRICS-Staaten zum Beispiel stärker auf erneuerbare Energien konzentrieren würden? Und werden sie das tun? Sie haben ja ganz unterschiedliche Interessen.
Fues: Ja, das ist richtig. Gerade, was natürlich die Verwendung auch von Kohle angeht als einheimischer Energieträger. Also, es ist zu hoffen und viele wünschen sich, dass die BRICS-Bank von Anfang an konsequent die fossilen Energien beiseitelässt und die Umgestaltung des Energiesektors und der nationalen Volkswirtschaften auf die Basis von erneuerbaren Energien stellt. Da gibt es sicherlich auch große Interessen von China, das ja im Bereich der Umwelttechnologien, aber auch bei den erneuerbaren Energien, erhebliche Potenziale hat. Das wird sicherlich ein Aspekt sein, wo wir nach einiger Zeit dann die Leistung und die Orientierung der BRICS-Bank beurteilen können. Investiert sie weiter in die fossilen Energien, oder stellt sie konsequent die Weichen um auf erneuerbare Energien?
"AIIB ist eine multilaterale Finanzinstitution"
Reimer: Erwarten Sie Ähnliches von der Asiatischen Infrastrukturinvestment-Bank (AIIB)? Die wird ja von China hauptsächlich getragen und wird noch mächtiger sein.
Fues: Die AIIB hat noch ein größeres Anfangskapital und noch einen größeren Gestaltungsanspruch als die BRICS-Bank. AIIB ist eine multilaterale Finanzinstitution, an der ja auch die europäischen Länder beteiligt sind. Auch hier, das ist Aussage der chinesischen Regierung, die ich auch sehr ernst nehme, wird angestrebt, Sozial- und Umweltstandards auf höchstem Niveau zu realisieren. Dort ist es ja auch so, dass die europäischen Länder direkten Einfluss haben, direkten Einblick in die Geschäftspolitik der neuen Bank. Und es wird sicherlich auch hier an Deutschland und Großbritannien, anderen europäischen Ländern liegen, wie dieser Anspruch in die Praxis umgesetzt wird.
Reimer: Thomas Fues vom Deutschen Institut für Entwicklungsarbeit, DIE, in Bonn, über die neue Entwicklungsbank der BRICS-Staaten und über die Asiatische Infrastruktur- und Investmentbank AIIB. Vielen Dank für das Gespräch!
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