Archiv

Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika
"Man ist noch im alten Hilfemodus"

Die Deutsche Afrika-Stiftung begrüßt die Pläne der Bundesregierung, die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit mit Ländern wie dem Senegal, Ghana oder Nigeria auszubauen. Generalsekretär Ingo Badoreck sagte im Dlf, man müsse weg von der klassischen Entwicklungshilfe hin zu mehr Kooperation mit der Privatwirtschaft.

Ingo Badoreck im Gespräch mit Tobias Armbrüster      |
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verabschiedet sich von Macky Sall, dem Präsidenten der Republik Senegal, nach einer Pressekonferenz nach dem Gespräch im Präsidentenpalast von Dakar.
    Kanzlerin Merkel mit Macky Sall, dem Präsidenten der Republik Senegal, nach einer Pressekonferenz in Dakar (picture alliance/Michael Kappeler/dpa)
    Tobias Armbrüster: Angela Merkel ist seit gestern in Afrika unterwegs. Sie besucht dort drei Länder in drei Tagen und sie will dabei vor allem eines: Verbündete gewinnen und irgendwie erreichen, dass sich weniger Menschen auf den Weg nach Europa machen. "Illegale Migration bekämpfen" heißt das im Politikerdeutsch heute. Man könnte auch sagen: "Flüchtlingszahlen begrenzen".
    Mitgehört hat hier bei uns Ingo Badoreck. Er ist Generalsekretär der Deutschen Afrika-Stiftung. Das ist eine Initiative, die die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afrika schon seit vielen Jahren im Fokus hat. Schönen guten Tag, Herr Badoreck.
    Ingo Badoreck: Guten Tag!
    "Klassische Entwicklungszusammenarbeit kann die Herausforderungen nicht lösen"
    Armbrüster: Herr Badoreck, kann das funktionieren, Wirtschaftsprojekte anstoßen und dann darauf hoffen, dass jetzt weniger Menschen ihr Land verlassen wollen?
    Badoreck: Erst mal ist das zu begrüßen, dass die Kanzlerin und auch eine hochrangige Wirtschaftsdelegation sich diese Länder in den Fokus gesetzt hat, und ich denke, wir haben genug Beispiele, dass Wirtschaft der maßgebliche Faktor auch zur Entwicklung Afrikas ist. Die Frage ist natürlich, was dann auch die Bundesregierung an politischen Konzepten und Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit hat, um diesen hehren Anspruch zu unterfüttern. Da sehen wir eine gewisse Diskrepanz zwischen diesem Paradigmenwechsel der Entwicklungszusammenarbeit auf die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft und der klassischen EZ, die in der Vergangenheit durchaus enorme Erfolge gebracht hat, aber nicht mehr in der Lage ist, die großen Herausforderungen des Kontinents alleine zu lösen.
    Armbrüster: "Klassische EZ" – damit meinen Sie Entwicklungszusammenarbeit?
    Badoreck: Genau.
    Armbrüster: Straßenbau, Brunnenbau, solche Geschichten, Hausbau?
    Badoreck: Gesundheit.
    "Das Ganze noch anders konzeptionell und programmatisch untermauern"
    Armbrüster: Was erwarten Sie denn jetzt konkret von der Bundesregierung? Was müsste sie eigentlich tun?
    Badoreck: Ich denke, diese "Compact with Africa"-Initiative, die Deutschland unter der G20-Präsidentschaft geschaffen hat, und zwar die makroökonomischen Rahmenbedingungen in den afrikanischen Ländern zu stärken, damit dort mehr auch inländische Investitionen, aber auch ausländische Investitionen stattfinden können, ist ein guter Weg, ein richtiger Weg, und wir begrüßen das ausdrücklich. Jetzt muss man allerdings gucken, wie das auch hintermauert ist in Zahlen und in konkreten Programmen, und da stellen wir fest, dass für diesen "Compact with Africa" und den Marshall-Plan mit Afrika – das sind die beiden Pilotprojekte der deutschen Bundesregierung – gerade mal 365 Millionen für drei Länder in einem Gesamtbudget des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung von 9,44 Milliarden vorgesehen sind, ein Bruchteil der Gelder. Wir haben gerade mal 1,8 Prozent dieser Gelder, die für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft vorgesehen sind. Ich denke mal, der Schritt ist richtig, in die richtige Richtung. Jetzt müssen wir das Ganze noch anders konzeptionell und programmatisch untermauern, damit wir tatsächlich mehr Wirtschaft und Beschäftigung in Afrika sehen können.
    "Langsamkeit der deutschen Instrumente steht uns im Weg"
    Armbrüster: Von welchem Betrag gehen Sie denn aus? Was müsste da reingesteckt werden? Haben Sie da Kalkulationen?
    Badoreck: Es geht vielleicht gar nicht so sehr um große Beträge. Viele Erfahrungen zeigen auch, dass große Beträge manchmal gar nicht das Maßgebliche sind. Ich denke, Afghanistan ist ein gutes Beispiel dafür, dass viel Geld nicht unbedingt immer der richtige Lösungsweg ist. Ich denke, es geht darum, dass wir einfach mit den bescheidenen Mitteln, die wir als Deutschland beitragen können, überlegen, wo ist unser "Unique Selling Point", was ist das, was die Afrikaner von uns wollen, und was ist das, was wir den Afrikanern bieten können, wo können wir passgenau zusammenkommen. Da habe ich gerade den Präsidenten Macky Sall gehört, wir brauchen "vocacional training", wir brauchen Berufsbildungsmöglichkeiten für junge Menschen in Afrika. Wir sehen eine Verdoppelung der afrikanischen Bevölkerung im Jahr 2050. Wir sehen eine Vielzahl von Jugendlichen, die keine Beschäftigungsperspektive haben.
    Wir haben mit dem dualen Projekt in Deutschland, der dualen Berufsausbildung ein Erfolgsmodell, was die afrikanischen Länder dringend brauchen. Wir haben es bisher nicht geschafft, in einem maßgeblicher Größenordnung in diesem absolut wichtigen Bereich der Entwicklung Afrikas zu investieren, machen das tröpfchenweise in ganz kleinen überschaubaren Projekten. Beispielsweise in Lagos macht die deutsche Kammer ein erfolgreiches Berufsbildungsprojekt. Die bilden gerade mal 200 Menschen pro Jahr aus. Toll, gute Sache, wird überall zitiert. Jetzt hat aber allerdings Nigeria 195 Millionen Menschen, Lagos 21 Millionen Menschen. Wenn man so was macht, dann muss man da mit ganz anderen Größenordnungen, mit ganz anderen Skalierungen und vielleicht auch mit einem anderen Mut reingehen, mal Sachen zu wagen, und da steht uns einfach auch die deutsche Ordnungspolitik und die Langsamkeit der deutschen Instrumente im Moment noch im Weg.
    Armbrüster: Oder liegt das auch an den deutschen Unternehmen? Sind die auch zu mutlos?
    Badoreck: Ja! – Nun gut: Wir haben 2.500 deutsche Unternehmen, die mit Afrika Wirtschaft machen. Wir haben 1.800 deutsche Unternehmen vor Ort, die schaffen über 200.000 Arbeitsplätze. Das ist erst mal eine Nummer, die jetzt vielleicht nicht überragend wirkt, aber das ist eine Grundlage, auf der man weiter was machen kann.
    Die deutsche Wirtschaft ist nicht da, um karitativ oder altruistisch in Afrika Projekte durchzuführen, sondern ganz legitim müssen dort Werte geschaffen werden und das muss sich marktwirtschaftlich rechnen.
    "Man braucht politischen Mut"
    Armbrüster: Herr Badoreck, ganz kurz zwischengefragt: Gibt es möglicherweise einen guten Grund, dass so viele Unternehmen immer noch einen Bogen um Afrika machen?
    Badoreck: Ich glaube, zum einen ist es natürlich das düstere Afrika-Bild, was teilweise auch immer noch vorherrscht. Aber ich denke, da ist auch eine Menge getan worden, und Unternehmen sind normalerweise professionell genug, um zwischen allgemeinen Nachrichten und auch ganz konkreten Marktmöglichkeiten in den Ländern zu unterscheiden. Aber ganz konkret: Die Bundesregierung könnte den deutschen Unternehmen ihre Investitionen in Afrika natürlich extrem vereinfachen, wenn einfach einige Stellschrauben angegangen würden, die auch schon lange in der Diskussion sind, aber die irgendwie nicht ankommen bei den politischen Entscheidungsträgern. Mal ganz konkret: Wir haben immer noch keine Risikoabsicherung, oder wir haben nur Risikoabsicherung für Investitionen in 13 von 54 Ländern Afrikas. Die haben kein Doppelbesteuerungsabkommen mit Nigeria. Die haben 6,5 Milliarden an Infrastrukturvorhaben, die die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau in Afrika umsetzt. Wenn man deutschen Unternehmen ermöglichen würde, sich dort mehr proaktiv zu beteiligen, dann, glaube ich, könnte man diese erste Hemmschwelle effektiv überwinden. Aber dazu braucht man wie gesagt einfach auch politischen Mut und vielleicht auch den Mut, neue Konzepte hier anzuwenden.
    "Man ist noch in dem alten Hilfsmodus drin"
    Armbrüster: Können Sie uns vielleicht konkret sagen, woran scheitert das in der deutschen Politik?
    Badoreck: Ganz konkret haben wir die klassische Entwicklungszusammenarbeit. Die hat das Geld, die haben 9,44 Milliarden. Die Instrumente, die zur Verfügung stehen, um mit der deutschen, aber auch mit der afrikanischen Privatwirtschaft zusammenzuarbeiten, sind sehr begrenzt. Man ist noch in dem alten Hilfsmodus drin. Und die Idee, diese Instrumente jetzt anzupassen an die Bedürfnisse der Wirtschaft – da gibt es eine Menge technische Instrumente: die EG-Finanzierung Private Public Partnership. Da gibt es eine ganze Menge Sachen im Instrumentenkasten, die man einfach schärfen könnte und die man einfach für die Entwicklung der Wirtschaft zielsicher einsetzen könnte. Die Zahl 1,8 Prozent von 9,44 Milliarden zeigt, dass die Schwerpunktsetzung in den aktuellen Programmen bisher noch nicht umgesetzt wurde.
    Armbrüster: … sagt hier bei uns im Deutschlandfunk Ingo Badoreck, Generalsekretär der Deutschen Afrika-Stiftung. Vielen Dank für das Gespräch.
    Badoreck: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.