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Entzug der Staatsbürgerschaft
"Ein Baustein im Kampf gegen den IS"

Deutschen IS-Kämpfern mit doppelter Staatsbürgerschaft soll nach Plänen des Innenministeriums der deutsche Pass entzogen werden können. Das könnte eine abschreckende Wirkung haben, sagte der CDU-Innenpolitiker Günter Krings im Dlf. Strafverfahren gegen diese Dschihadisten blieben dennoch möglich.

Günter Krings im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
Eine Frau geht mit ihrem Kind durch das syrische Flüchtlingscamp Al-Hol
In dem Flüchtlingscamp Al-Hol, das unter kurdischer Kontrolle steht, halten sich auch mutmaßliche Angehörige von IS-Kämpfern auf (picture alliance / Chris Huby)
Dirk-Oliver Heckmann: Die Kämpfer des sogenannten Islamischen Staats sind in Syrien zumindest in weiten Teilen des Landes geschlagen. Rund 10.000 Männer und Frauen sitzen in Lagern oder Gefängnissen, ein Teil von ihnen in Einrichtungen, die unter Kontrolle der Kurden im Norden stehen. Diese Personen wollen die Kurden aber so schnell wie möglich loswerden. Das haben sie vor Wochen bereits klargemacht. Darunter auch eine Reihe deutsche Staatsangehörige. Die Begeisterung der deutschen Behörden, diese Personen nach Hause zu holen und womöglich Tausende rund um die Uhr bewachen zu müssen, diese Begeisterung hält sich allerdings erkennbar in Grenzen. Innenminister Horst Seehofer von der CSU hat deshalb eine Gesetzesnovelle auf den Weg gebracht, mit der zumindest die, die noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzen, ihre deutsche verlieren sollten. Auf diese Weise hätte man sich des Problems entledigt. Heute wird der Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der allerdings aus verfassungsrechtlichen Gründen etwas anders ausfiel als zunächst geplant.
Am Telefon ist jetzt Günter Krings von der CDU. Er ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Schönen guten Morgen, Herr Krings!
Günter Krings: Guten Morgen, Herr Heckmann.
Heckmann: Bleiben wir beim ersten Themenkomplex, der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Streuen Sie damit den Leuten Sand in die Augen?
Krings: Ich würde davor warnen, die Regelung zu überschätzen und zu unterschätzen. Es ist, glaube ich, wichtig, dass wir diesen Wertungswiderspruch in der Rechtsordnung beseitigen, dass man, wenn man heute einer anderen Armee auch nur beitritt, ohne da groß an Kampfhandlungen oder überhaupt an Kampfhandlungen teilzunehmen, die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn es eine doppelte ist, verliert. Und da, wo man sogar aktiv gekämpft hat, bei einer Terrormiliz, soll man sie nicht verlieren? Ich glaube, es ist einfach richtig, dass wir das machen, und es wird in einigen Fällen auch dazu führen, dass konkret man Staatsbürgerschaften aberkennen kann. Ich glaube, in der Tat aber nicht in vielen. Das goldige Gemüt der Opposition hätte ich aber gerne, dass man sagt, na ja, das ist jetzt alles viel zu spät. Ich fürchte, dass wir solche Situationen wie beim "Islamischen Staat" auch in Zukunft nicht ausschließen können, und wir sollten jedenfalls auch für die Zukunft hier Vorsorge treffen.
"Kampf gegen den IS ist nicht zu Ende"
Heckmann: Aber Sie wecken dann doch die Erwartung bei den Menschen, bei den Leuten, dass wir IS-Kämpferinnen und Kämpfer, die einen deutschen Pass haben und die derzeit in den Gefangenenlagern sitzen, damit sozusagen los werden könnten, was aber nicht geht, weil das Gesetz nicht rückwirkend gelten kann.
Krings: Wir im Innenministerium haben diese Erwartungshaltung nie geweckt. Ich habe immer in allen Äußerungen – das hat Horst Seehofer auch getan – genau gesagt, um welchen Personenkreis es geht, dass es hier ein Rückwirkungsverbot gibt. Wir haben das immer sehr klar offengelegt. Trotzdem ist es einer von mehreren Bausteinen auch im Kampf gegen den IS, der ja nun nicht zu Ende ist, nur weil er militärisch im Wesentlichen besiegt zu sein scheint.
Heckmann: Es geht um Extremisten, die sich in Zukunft dem IS oder anderen Terrormilizen anschließen.
Krings: Ja, und die sich jetzt schon angeschlossen haben, aber noch Kampfhandlungen in Zukunft oder jetzt begehen. So muss man es sagen.
Heckmann: Aber denken Sie denn wirklich, dass solche radikalisierten Personen sich wirklich davon abhalten lassen, das zu tun, nur weil sie ihren deutschen Pass verlieren könnten? Ist das nachvollziehbar?
Krings: Das muss man im Einzelfall sehen. Aber wenn ich sehe, dass jetzt einige bitten, sie möchten wieder nach Deutschland zurückkommen, scheint ja wohl offenbar die deutsche Staatsbürgerschaft für sie ganz wichtig zu sein. Obwohl man vorher sein Glück beim "Islamischen Staat suchen wollte", sind ja ganz merkwürdige biographische Verläufe zu beobachten. Im Übrigen noch einmal: Es geht auch nicht nur darum, sondern es geht einfach auch darum: Wenn wir es vorher gewusst hätten, dass ein Mensch so radikalisiert ist, oder wenn es vorher schon so wäre, wenn er so radikalisiert wäre, wäre er auch niemals Deutscher geworden, jedenfalls nicht auf Antrag in einem Einbürgerungsverfahren.
"Man baut dann die Brücke nach Deutschland ab"
Heckmann: Na ja, wenn er hier in Deutschland geboren ist, wenn er deutsche Eltern hat, dann schon.
Krings: Die, die Bürger geworden sind durch ein Einbürgerungsverfahren, das gibt es ja auch.
Heckmann: Was wollen Sie denn damit erreichen, dass solche Personen die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren sollen in solchen Fällen?
Krings: Wir haben es ja schon angesprochen: Ein Punkt kann sein, dass man vielleicht doch einen weiteren Punkt hat, wo man überlegen sollte, ob man wirklich diesen Weg gehen möchte, weil man dann auch die Brücke nach Deutschland abbaut.
Das Foto zeigt Günter Krings, CDU, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Inneren.
"Es ist nicht unsere Pflicht, sie aktiv zurückzuholen", sagt Günter Krings, CDU, über deutsche IS-Kämpfer. (picture-alliance / dpa / Henning Schoon)
Heckmann: Die abschreckende Wirkung meinen Sie?
Krings: Das kann ein Punkt sein. Aber der andere ist die Beseitigung eines Wertungswiderspruchs, eine Regelungslücke, die wir schließen im Staatsbürgerschaftsrecht.
Heckmann: Jetzt ist es aber so, dass Sie Straftaten bestrafen mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit. Da fragt man sich schon, was hat das eine mit dem anderen zu tun und besteht nicht die Gefahr, dass man in Zukunft auch andere Delikte mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit bestraft?
Krings: Deshalb wäre es nicht gut, wenn es so wäre, wenn die Prämisse stimmt. Aber sie stimmt nicht. Beides muss man trennen. Jemand, der seine Staatsbürgerschaft verliert, damit verliert der Staat nicht seinen Strafanspruch. Wir könnten auch Ausländer verurteilen. Oder auch andere Staaten wie der Irak zum Beispiel oder, wenn es wieder ein geordnetes Strafverfahren dort geben sollte, auch Syrien haben solche Strafansprüche. Insofern ist beides parallel, Staatsbürgerschaft und Strafanspruch, und Sprachanspruch hängt nicht von Staatsbürgerschaft zwingend nur ab. Insofern müssen wir beide Themen trennen.
"Die Menschen haben sich entschieden dort hinzugehen"
Heckmann: Aber das Problem, Herr Krings, sind ja nicht diejenigen Personen, denen man Straftaten nachweisen kann. Die könnte man ja nach Deutschland holen und hier auch anklagen. Das Problem sind ja die Personen, denen man keine Straftaten nachweisen kann, die man aber trotzdem für gefährlich hält und die man dann 24 Stunden lang überwachen müsste hier in Deutschland. Aber die deutsche Staatsangehörigkeit sollen ja nur die verlieren, denen man Kampfhandlungen nachweisen kann. Also werden nur die betroffen sein, die man auch vor Gericht stellen könnte. Das löst doch insofern überhaupt gar kein Problem, oder?
Krings: Zunächst mal würde ich nie behaupten, dass wir durch dieses eine Gesetz jetzt das gesamte Problem lösen. Das ist irgendwie auch die Erwartungshaltung manchmal, wir müssten nur ein paar Paragraphen oder nur einen Paragraphen ändern und schon wäre ein riesen Problem weg. Das ist ein Baustein und es ist in der Tat so, dass wir vielleicht auch bei denen eher zu einer Strafverfolgung kommen. Aber wie die ausgeht, wissen wir nicht. Und vor allem wissen wir auch, dass in unserem Rechtsstaat – und das ist auch richtig so – die Strafhaft nicht unendlich lang ist, sondern für eine begrenzte Zahl von Jahren, und es ist keineswegs ausgemacht, dass ein Täter nicht nachher noch hoch gefährlich sein kann.
Heckmann: Wäre es aber nicht viel wichtiger, sich auf Regeln für die Rücknahme von IS-Kämpfern zu verständigen?
Krings: Sich mit dem Übrigen, sicherlich auch größeren Personenkreis zu beschäftigen und mit einer Staatsbürgerschaft, das schließt sich ja gar nicht aus. Natürlich müssen wir uns auf die ganze Personenbandbreite dort fokussieren, dort draufschauen. Es gibt hier Prüfungen im Einzelfall auch der deutschen Strafjustiz. Allerdings müssen wir darauf hinweisen: Es gibt dort keine konsularische Vertretung. Die Menschen haben sich auch dafür entschieden dort hinzugehen, gegen Strafrecht in der Regel, jedenfalls mindestens mal auch im frühen Stadium gegen eine Reisewarnung. Insofern gibt es keinerlei aktive Rücknahmepflicht von Menschen, die dort ihr Glück gesucht haben.
Heckmann: Keine aktive Rücknahmepflicht. Aber man hat auch nicht unbedingt den Eindruck, dass die deutschen Behörden begeistert sind, diese Personen wieder zurückzuholen, und auch nicht das Ministerium.
"Es ist nicht unsere Pflicht, sie aktiv zurückzuholen"
Krings: Vollkommen zu Recht nicht.
Heckmann: Aber das ist unsere Pflicht!
Krings: Nein, es ist nicht unsere Pflicht, aktiv sie zurückzuholen.
Heckmann: Aber wenn der Antrag gestellt wird, dann auf jeden Fall schon.
Krings: Auch ein Antrag reicht nicht. Man muss schon den konsularischen Behörden die Möglichkeit geben, dort etwas zu tun. Ein bloßer Antrag aus dem Ausland reicht nicht.
Heckmann: Und kommen wir da unseren Verpflichtungen nach?
Krings: Ja. Das tun wir. Das Völkerrecht zwingt uns nicht und gebietet nicht, dass wir aktiv dort hineingehen, vielleicht noch nach Syrien sogar, was oft gefordert wird, in einen Staat, wo wir keine diplomatischen Vertretungen haben, um dort Menschen zurückzuholen, die dorthin wollten. Sie wollten dorthin, sie sind da und das ist erst mal der Zustand, den sie selbst geschaffen haben.
Heckmann: Und das ist Ihnen auch ganz recht, dass die Leute dann dort bleiben?
Krings: Na gut. Die Menschen haben einen freien Willen. Den haben sie ausgeübt.
Heckmann: Aber man überlässt das Problem dann beispielsweise den Kurden im Norden Iraks.
Krings: Nein, wir sind hier mit den Kurden im Gespräch, und es wird auch in jedem Fall geprüft werden müssen, wie wir damit umzugehen haben. Es ist auch durchaus denkbar, dass der eine oder andere in den Bereich konsularischer Möglichkeiten kommt, und dann wird es auch Möglichkeiten geben, sie so zu begleiten, dass sie möglichst unter Aufsicht nach Deutschland kommen.
"Zuständigkeiten innerhalb von Europa akzeptieren"
Heckmann: Herr Krings, im Bundestag wird ja heute auch das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz eingebracht. Damit sollen ja Abschiebungen erleichtert und beschleunigt werden. Ausreisepflichtige können in Zukunft räumlich getrennt von Strafgefangenen in Haftanstalten untergebracht werden, obwohl das eigentlich nicht zulässig ist. Wer in einem anderen Land der EU Schutz zugesprochen bekommen hat, der soll in Deutschland keine Sozialleistungen mehr bekommen, sondern nur noch zwei Wochen lang das sprichwörtliche Butterbrot. Gilt hier: Wer nicht hier sein soll, der soll auch keine Rechte haben?
Krings: Rechte haben die Menschen in Europa. Nur ich finde, wir können nicht gerade jetzt vor der Europawahl vom geeinigten Europa, vom Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sprechen und dann sagen, na ja, die Menschen können sich aber selbst aussuchen, in welchem Land sie ein Asylverfahren durchlaufen oder Schutz bekommen. Wenn ich sage, es ist nicht zumutbar – und die Fälle gibt es -, dass jemand beispielsweise in das zuständige Land Niederlande zurückgeschickt wird, weil er dort ein Verfahren durchlaufen hat, dann ist das im Kern ein für mich antieuropäisches Denken. Europa kann dann nur funktionieren, wenn auch Zuständigkeiten innerhalb von Europa akzeptiert werden. Das ist ein Wesensmerkmal dieser Europäischen Union, wo wir am 26. Mai zur Europawahl gehen.
Heckmann: Aber das ist doch kein Grund, diesen betroffenen Leuten die Sozialleistungen zu verweigern.
Krings: Wenn jemand zum Beispiel in einem bestimmten Landkreis Asylbewerber ist oder anerkannt ist und dort Leistungen bekommt, vielleicht im Verfahren noch ist, kann er auch innerhalb von Deutschland nicht einfach sagen, ich will woanders hingehen, sondern dann wird gesagt: Deine zuständige Behörde ist dort. Etwas anders nach Anerkennung, da gibt es aber die Wohnsitzauflage. Wir machen das selbst in Deutschland und dass wir innerhalb Europas auch mal Zuständigkeiten nicht nur festlegen, sondern sie auch durchsetzen, wenn wir das nicht machen, können wir uns jede Verhandlung über ein europäisches Asylsystem sofort schenken.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.