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Enzyme bleichen Jeans umweltfreundlich

Biotechnologie in der Industrieproduktion. Es gibt Verfahren, Herstellungsprozesse umweltverträglicher zu machen. Zum Beispiel in der Chemieindustrie. Das ist eine gute Nachricht, denkt sich die Branche. Und gute Nachrichten sollen bekannt gemacht werden. Erfolgsstrategien für eine nachhaltige Chemieindustrie - so heißt ein Kongress, der heute in Berlin zu Ende geht. Industrievertreter, Wissenschaftler, Politiker und viele mehr diskutieren über die so genannte "weiße Biotechnologie". Es geht, wie gesagt, um den Umweltschutz, und es geht auch um die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. Bimssteine, Enzyme und weiße Biotechnologie - Markus Rimmele schildert, wo uns all das im Alltag begegnet:

Von Markus Rimmele |
    Jedes Jahr werden weltweit etwa eine Milliarde Jeans-Hosen verkauft - viele von ihnen mit dem so genannten "Stonewashed"-Effekt. Richtige Bimssteine kommen da in einem Waschvorgang zum Einsatz und erzeugen die fleckige Farbstruktur. Doch leider nicht nur die. Das Stonewashed-Verfahren kostet Wasser, Energie und Stoffgewebe, und pro Hose fallen 600 Gramm Steinabrieb an, der die Maschinen schädigt und auch noch entsorgt werden muss. Keine gute Öko-Bilanz. Doch es geht auch anders – ohne Bimssteine, dafür mit Enzymen. Der Stonewashed-Effekt ist der gleiche, doch die umweltrelevanten Kosten sinken um 54 Prozent, Schadstoffe im Abwasser und in der Luft fallen fast gar keine mehr an. Ein Erfolg der so genannten weißen Biotechnologie. Rainer Erb von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt erklärt, was das ist:

    Es gibt ja die in aller Munde zitierte grüne Biotechnologie. Das ist also die Biotechnologie, die sich hauptsächlich mit Pflanzen beschäftigt. Die rote, das ist die mittlerweile schon etwas akzeptiertere Form der Biotechnologie. Die beschäftigt sich mit allen medizinischen Applikationen. Und dann die weiße, eigentlich gleichzusetzen mit industrieller Biotechnologie, alles was man unter industrieller Anwendung zusammenfasst im Hinblick auf Ressourcenschonung, Umweltentlastung, gesteigerter Produktivität. Das fasst man unter diesem Begriff zusammen.

    Streng genommen ist der Einsatz biologischer Ressourcen in der Industrie nicht Neues. Bäckereien und Bierbrauer nutzen natürliche Enzyme schon seit hundert Jahren. Neu ist aber der technologische Boom auf diesem Gebiet. Experten sprechen schon von der dritten Biotech-Welle, nach der grünen und der roten jetzt eben die weiße. Eine Schlüsselrolle haben dabei Enzyme inne. Enzyme kommen in der Natur vor und beschleunigen chemische Reaktionen. Ohne dass wir es wissen, profitieren wir alle schon täglich davon, zum Beispiel beim Wäschewaschen. Neuartige Enzyme in Waschmitteln beseitigen Fett und Schmutz noch besser. Dadurch sinkt der Waschpulververbrauch, und die Wäsche wird bei niedrigerer Temperatur sauber, der Energieverbrauch sinkt. Oder bei der Herstellung des Vitamins B2. Wo bisher sechs chemische Schritte notwendig waren, reicht nun ein biologischer Prozess. Das ist ökologisch gut und ökonomisch sinnvoll. Die Firma BASF konnte ihre Herstellungskosten bei dem Vitamin um 40% senken. Rainer Erb:

    Diese ganzen ökologischen Effekte müssen immer dann, wenn sie dann auch eine Chance haben sollen implementiert zu werden, einhergehen mit ganz klaren ökonomischen Vorteilen. Das heißt, jeder Unternehmer wird sich das angucken und wird dann feststellen: Das schont nicht nur die Umwelt, das rechnet sich für mich. Also da gibt’s dann auch wieder ein sehr schönes Beispiel aus unserer Fördertätigkeit. Ein mittelständisches Textilveredelungsunternehmen konnte dann beispielsweise durch Einsatz eines enzymatischen Verfahrens alleine in einem Jahr 650.000 Euro an Einsparungen erzielen, und das gepaart mit ganz erheblichen Umweltentlastungen.

    Enzyme kommen mittlerweile in der Pharma-, Textil-, Lebensmittel-, Papier-, Druck- und Kosmetikindustrie zum Einsatz. Rund 150 Enzyme werden derzeit kommerziell genutzt, etwa 3000 sind aber bekannt. Das Potenzial ist also noch groß. Nach einer Studie von McKinsey könnten bis zum Jahr 2010 rund 20% der Umsätze der gesamten Chemieindustrie auf der weißen Biotechnologie beruhen. Deutschland ist in dieser Zukunftsbranche gut aufgestellt, sagt Jürgen Eck von dem kleinen südhessischen Biotech-Unternehmen Brain. Es sei allerdings noch eine bessere Vernetzung der Akteure notwendig:

    Durch die Einbindung von kleinen und mittelständischen Unternehmen in den Innovationsprozess der großen Industrien. Das hießt hier, die kleinen Biotech-Unternehmen als Innovations- und auch Ideenlieferanten einzubinden und eine Art Arbeitsteiligkeit zu generieren. Das heißt, wir haben auf der einen Seite immer mehr zu den Anwendungen sich hinverschiebende Großindustrien, Partner, und eine mehr in diesen Innovationszuliefer-Part hineinwachsende Biotech-Industrie. Und durch diese Arbeitsteiligkeit, glaube ich, werden wir insgesamt schneller und auch effizienter, was diese Umsetzung dieser Anwendungen angeht.

    Der Berliner Kongress soll dabei helfen, das Thema Weiße Biotechnologie bekannter zu machen und alle Beteiligten zusammenzuführen: Industrie, Wissenschaft, Kapitalmarkt und Politik.