"In Amerika muss man den Traum haben, ich hatte ja den Traum! – Später die Emigranten, die rausgeschmissen worden waren, zum Beispiel mein Freund Mehring und so, das war schrecklich! Aber ich hatte den Traum. Meine Frau hatte den nicht, meine Frau hat geweint. Und ich habe jubiliert."
So ungetrübt sah der Künstler George Grosz in einem Radio-Interview, wenige Wochen vor seinem Tod in Westberlin, sein amerikanisches Exil. Amerika war immer sein Lebenstraum. 1916, den Schützengräben des Ersten Weltkriegs als "kriegsdienstunbrauchbar" entkommen, amerikanisierte er seinen Namen in George Grosz. Else Lasker-Schüler nannte ihn "Lederstrumpf". Und vom Honorar für seine ersten Zeichnungen kaufte er sich ein Paar amerikanischer Lackschuhe. Sein anarchistischer "Gesang an die Welt" 1919 ging so:
"Ach knallige Welt, du Lunapark,
Du seliges Abnormitätenkabinett,
Pass auf! Hier kommt Grosz,
Der traurigste Mensch in Europa,
'Ein Phänomen an Trauer'.
...
Ahoi! Seid gegrüßt, boys, über den Atlantic!
Mit eurer Banjo-Musik der Neuen Welt ..."
Es folgt sein künstlerisch fruchtbarstes Jahrzehnt: unnachsichtig geißelt er in seinen Bildern Dummheit und Gier, Brutalität und Verlogenheit der Weimarer Zeit. So wird der Pazifist zum Bürgerschreck, zum Staatsfeind. Das wohl größte Aufsehen erzielt er mit der Zeichnung "Christus mit Gasmaske", darunter der barsche Befehl: "Maul halten und weiterdienen". Von 1928 bis 1931 haben Grosz und sein Verleger Wieland Herzfelde einen Blasphemieprozess am Hals, zu Unrecht, wie Grosz später meinte:
"Mich hat Schönheit immer kolossal interessiert. Aber dieser Traum von der Schönheit wurde ein bisschen brüchig. Ich wollte ja eigentlich schöne Bilder malen. Aber das Dämonische und das Geheimnisvolle und Monströse des Lebens hat mich auch angezogen."
Doch ein echter Klassenkämpfer wird er nicht. Er reist lieber nach Paris und London, und die Sommermonate verbringt er gern an der Ostsee. Und als ihn 1932 ein Telegramm der New Yorker "Art Students League" erreicht mit der Einladung, dort zu unterrichten, sagt er begeistert zu. Ebenso hymnisch wird er in den Staaten begrüßt. Der Kritiker J.P. McEvoy schreibt:
"Welcome to America! Bei uns gibt es niemanden, der so hinschaut und zeichnet wie Grosz. Wir haben zwar große Karikaturisten, aber keinen wie ihn. Und wir könnten uns schon glücklich schätzen, könnten wir ihn nur kurz mal ausleihen."
Grosz sollte sehr viel länger in New York bleiben, auch wenn er im Herbst 1932 noch einmal in das krisengeschüttelte Deutschland zurückkehrt, nur kurz, denn er hat die Zeichen der Zeit erkannt:
"Mein Vetter, der in einer dieser Zellen war, der sagte: George, das ist wirklich ernst! Eines Tages komme ich nach Hause, draußen wurde wieder mal marschiert und meine Frau sagte vom Balkon: 'Hast du die jetzt gesehen?' Deutschland erwache! Juda verrecke!"
George Grosz weiß, dass er in seiner Heimat zu den bestgehassten Künstlern gehört. Und so kommt es, dass er sich am 12. Januar 1933 von Bremerhaven aus wieder nach New York einschifft.
"Und dann bin ich 1933 für immer ausgewandert. Und gerade 1933 fiel dann die Tür wieder mal zu!"
Schon wenig später, nach der sogenannten "Machtergreifung" Hitlers, stürmen NS-Rowdies sein Berliner Atelier. Die Bilder werden beschlagnahmt, als entartet verfemt, verbrannt und verhökert. Aber auch in Amerika läuft für Grosz nicht alles nach Plan. Seine deutschen Motive, der Spießer mit Kneifer – der Landser mit Stiernacken und der Unternehmer mit Zigarre – sie alle gehen ihm verloren.
"Ich habe ein Buch geschrieben, das heißt "Ein kleines Ja und ein großes Nein", und das ist auch ein Leitmotiv in meinem Leben. Ich versuchte noch, hier und da satirische Sachen zu machen, und zwar diese satirischen Sachen, die ich dort zeichnete, das waren noch die letzten Albträume, die ich mitgebracht hatte von Deutschland."
So golden und so cool, wie er sich das Land der "unbegrenzten Möglichkeiten" einst erträumt hat, war es dann doch nicht. George Grosz, dessen Bekanntheit in den USA nicht entfernt an die in seiner Heimat heranreicht, verbittert zunehmend. Als ihn 1958 die Berliner Akademie der Künste zum außerordentlichen Mitglied wählt, kehrt er gern zurück. Wenige Wochen später stirbt er – an den Folgen einer durchzechten Nacht.
So ungetrübt sah der Künstler George Grosz in einem Radio-Interview, wenige Wochen vor seinem Tod in Westberlin, sein amerikanisches Exil. Amerika war immer sein Lebenstraum. 1916, den Schützengräben des Ersten Weltkriegs als "kriegsdienstunbrauchbar" entkommen, amerikanisierte er seinen Namen in George Grosz. Else Lasker-Schüler nannte ihn "Lederstrumpf". Und vom Honorar für seine ersten Zeichnungen kaufte er sich ein Paar amerikanischer Lackschuhe. Sein anarchistischer "Gesang an die Welt" 1919 ging so:
"Ach knallige Welt, du Lunapark,
Du seliges Abnormitätenkabinett,
Pass auf! Hier kommt Grosz,
Der traurigste Mensch in Europa,
'Ein Phänomen an Trauer'.
...
Ahoi! Seid gegrüßt, boys, über den Atlantic!
Mit eurer Banjo-Musik der Neuen Welt ..."
Es folgt sein künstlerisch fruchtbarstes Jahrzehnt: unnachsichtig geißelt er in seinen Bildern Dummheit und Gier, Brutalität und Verlogenheit der Weimarer Zeit. So wird der Pazifist zum Bürgerschreck, zum Staatsfeind. Das wohl größte Aufsehen erzielt er mit der Zeichnung "Christus mit Gasmaske", darunter der barsche Befehl: "Maul halten und weiterdienen". Von 1928 bis 1931 haben Grosz und sein Verleger Wieland Herzfelde einen Blasphemieprozess am Hals, zu Unrecht, wie Grosz später meinte:
"Mich hat Schönheit immer kolossal interessiert. Aber dieser Traum von der Schönheit wurde ein bisschen brüchig. Ich wollte ja eigentlich schöne Bilder malen. Aber das Dämonische und das Geheimnisvolle und Monströse des Lebens hat mich auch angezogen."
Doch ein echter Klassenkämpfer wird er nicht. Er reist lieber nach Paris und London, und die Sommermonate verbringt er gern an der Ostsee. Und als ihn 1932 ein Telegramm der New Yorker "Art Students League" erreicht mit der Einladung, dort zu unterrichten, sagt er begeistert zu. Ebenso hymnisch wird er in den Staaten begrüßt. Der Kritiker J.P. McEvoy schreibt:
"Welcome to America! Bei uns gibt es niemanden, der so hinschaut und zeichnet wie Grosz. Wir haben zwar große Karikaturisten, aber keinen wie ihn. Und wir könnten uns schon glücklich schätzen, könnten wir ihn nur kurz mal ausleihen."
Grosz sollte sehr viel länger in New York bleiben, auch wenn er im Herbst 1932 noch einmal in das krisengeschüttelte Deutschland zurückkehrt, nur kurz, denn er hat die Zeichen der Zeit erkannt:
"Mein Vetter, der in einer dieser Zellen war, der sagte: George, das ist wirklich ernst! Eines Tages komme ich nach Hause, draußen wurde wieder mal marschiert und meine Frau sagte vom Balkon: 'Hast du die jetzt gesehen?' Deutschland erwache! Juda verrecke!"
George Grosz weiß, dass er in seiner Heimat zu den bestgehassten Künstlern gehört. Und so kommt es, dass er sich am 12. Januar 1933 von Bremerhaven aus wieder nach New York einschifft.
"Und dann bin ich 1933 für immer ausgewandert. Und gerade 1933 fiel dann die Tür wieder mal zu!"
Schon wenig später, nach der sogenannten "Machtergreifung" Hitlers, stürmen NS-Rowdies sein Berliner Atelier. Die Bilder werden beschlagnahmt, als entartet verfemt, verbrannt und verhökert. Aber auch in Amerika läuft für Grosz nicht alles nach Plan. Seine deutschen Motive, der Spießer mit Kneifer – der Landser mit Stiernacken und der Unternehmer mit Zigarre – sie alle gehen ihm verloren.
"Ich habe ein Buch geschrieben, das heißt "Ein kleines Ja und ein großes Nein", und das ist auch ein Leitmotiv in meinem Leben. Ich versuchte noch, hier und da satirische Sachen zu machen, und zwar diese satirischen Sachen, die ich dort zeichnete, das waren noch die letzten Albträume, die ich mitgebracht hatte von Deutschland."
So golden und so cool, wie er sich das Land der "unbegrenzten Möglichkeiten" einst erträumt hat, war es dann doch nicht. George Grosz, dessen Bekanntheit in den USA nicht entfernt an die in seiner Heimat heranreicht, verbittert zunehmend. Als ihn 1958 die Berliner Akademie der Künste zum außerordentlichen Mitglied wählt, kehrt er gern zurück. Wenige Wochen später stirbt er – an den Folgen einer durchzechten Nacht.