Die Coronakrise bringt bestehende Ungerechtigkeiten im Arbeitsmarkt wie unter dem Brennglas zum Vorschein. So sieht es die Unternehmensberaterin Henrike von Platen im Deutschlandfunk Kultur:
"Ich bin sehr gestolpert über das ganze Thema der systemerhaltenden Berufe, zum Beispiel Ärzte. Aber dann kommen da sofort Menschen wie Pfleger und Krankenpersonal und Verkäuferinnen. Und dann überlege ich mir, wie die Berufe bezahlt sind. Und dass das genau die Branche ist, die so schlecht bezahlt ist, außer mal von Ärzten abgesehen."
Aufwertung durch die Coronakrise
Von Platen verweist nun darauf, dass gerade diese Berufe nach der Coronakrise aufgewertet werden. Denn das könnte vor allem auch vielen Frauen helfen. Ein Punkt, der am heutigen Equal Pay Day eigentlich im Mittelpunkt steht. Denn er markiert, bis zu welchem Tag im Jahr Frauen praktisch unbezahlt arbeiten, weil die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern weiterbesteht.
Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes verdienen Frauen in Deutschland im Schnitt 20 Prozent weniger als Männer. Die Lücke vergrößert sich über das Erwerbsleben hinweg, bis hin zu auseinander klaffenden Rentenzahlungen, das zeigt eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Gründe sind Auszeiten für Kinder sowie Teilzeitarbeit. Am Ende, so die Bertelsmann Studie, verdienen Frauen im Leben im Schnitt nur halb so viel wie Männer.
Auf diese Zahlen bezieht sich auch SPD-Familienministerin Franziska Giffey im Morgenmagazin von ARD und ZDF:
"Es gibt strukturelle Benachteiligungen. Wir haben sehr viel mehr Frauen, die in schlechter bezahlten Berufen arbeiten, viel, viel mehr Frauen, die in Teilzeit arbeiten. Das wirkt sich auch aus, über 20 Prozent Lohnlücke, über 50 Prozent Rentenlücke dann."
Vor allem Frauen üben diese Berufe aus
Schlecht bezahlte, aber wichtige Berufe werden vor allem von Frauen ausgeübt. Für die linke Bundestagsabgeordnete Doris Achelwilm, die in ihrer Fraktion für Gleichstellung zuständig ist, ist klar:
"Es gibt erste Krisenreflexionen darüber, wie unangemessen diese Geringschätzung, wie ungerecht Rollenbilder sind, nach denen Männer gut bezahlt entscheiden und Frauen schlecht bezahlt die Arbeit wegtragen."
Die Linkspartei hat als akute Reaktion auf die Coronakrise gefordert, dass allen Pflegekräften 500 Euro pro Monat als Zulage gezahlt werden sollen. Ein Betrag, der dann aber natürlich Frauen und Männern gleichermaßen zukommen solle, so die Linke.
Tarifvertrag als gutes Modell
Wie kann sich langfristig nach überstandener Coronakrise etwas ändern? Für Malte Lübker, bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zuständig für Tarif- und Einkommensanalysen, gibt es nur einen – fast klassischen - Weg:
"Der beste Weg zu fairen Löhnen für alle sind immer noch Tarifverträge. Da hat sich im Pflegebereich erfreulicherweise die Einsicht durchgesetzt und auch die politische Initiative durchgesetzt, da einen Pflegetarifvertrag zu machen, der für alle Pflegekräfte gilt."
Vor allem beim Einzelhandel, so Lübker, der anders als die Pflege rein privatwirtschaftlich organisiert sei, gebe es noch großen Handlungsbedarf:
"Im Einzelhandel sind wir leider noch nicht so weit. Da haben wir nur gut ein Drittel mit Tarifverträgen. Das führt zu einem Unterbietungswettbewerb, das führt zu schlechten Löhnen. Und da liegt es auf der Hand: Auch da müssen wir Tarifbindung wieder stärken."
Die Coronakrise sieht Lübker auch als Chance für mehr Anerkennung und bessere Löhne.