Katja Lückert: Curt Meyer-Clason war nicht nur als Übersetzer ein Kulturvermittler; er leitete noch während der Salazar-Diktatur in Portugal das Lissabonner Goethe-Institut und war so beliebt, dass er, als er 1976 abgelöst wurde, von vielen Menschen zum Bleiben aufgefordert wurde. Schriftsteller wie Gabriel García Márquez, Joao Guimaraes Rosa, Augusto Roa Bastos und Jorge Luis Borges hat Meyer-Clason ins Deutsche übertragen, und er folgte dabei immer einem Konzept der Nähe, des Hineinschlüpfens in die fremde Kultur.
Curt Meyer-Clason: "”Und dann kam das wunderbare Wort, Meyer-Clason, tradusiere convivere, Übersetzen ist mitleben. Und da war natürlich mein innerster Kern angesprochen, mitleben mit der Lust am Erzählen.""
Lückert: Curt Meyer-Clason. - An die Romanistin und Übersetzerin Michi Strausfeld die Frage zunächst nach ihrer persönlichen Bekanntschaft mit Meyer-Clason.
Michi Strausfeld: Ich habe Curt Meyer-Clason Anfang der 70er-Jahre in Portugal kennengelernt, als er Leiter des Goethe-Instituts war, denn ich wollte als Anfängerin im Bereich der lateinamerikanischen Literatur und Literaturvermittlung unbedingt das große Vorbild kennenlernen, und das war zu jener Zeit Curt Meyer-Clason.
Lückert: Das Deutsche Institut in Lissabon sei das einzige konsequente und lebendige Kulturzentrum der Stadt gewesen, schrieb die portugiesische Presse einst. Worin genau bestand die Leistung von Curt Meyer-Clason?
Strausfeld: Curt Meyer-Clason hat aus dem Goethe-Institut den Treffpunkt von Portugiesen und Deutschen gemacht und er brachte kontroverse Themen zur Sprache. Er führte Stücke auf, die damals von der portugiesischen Zensur verboten worden waren, wie Bertolt Brecht oder Peter Weiss, zum Beispiel "Der Gesang vom Lusitanischen Popanz". All das fand im Goethe-Institut statt, und so kamen die Schriftsteller, die Intellektuellen, die Künstler dort hin, um sich auch in einem neutralen Raum austauschen zu können über aktuelle brisante politische Probleme, denn die Nelkenrevolution fand ja 1974 statt.
Lückert: Curt Meyer-Clason hat manchmal von seinen zwei Leben gesprochen. Er war vor dem Zweiten Weltkrieg als Kaufmann in Argentinien und Brasilien unterwegs, wurde in Brasilien sogar für einige Jahre als feindlicher Ausländer interniert. Offenbar in dieser Zeit entdeckte er seine Liebe für die Literatur.
Strausfeld: Ja. Er sagte, er hatte damals viel Zeit, die hatte er als Kaufmann vorher nicht, und so lernte er die damals wichtigen Autoren kennen. Ich meine, das war Anfang der 40er-Jahre. Er lernte einfach, las erste Texte von Borges, von Pablo Neroda und interessierte sich für Literatur und für den Kontinent, in dem er nun lebte. Das hat er dann nach seiner Entlassung weiter gemacht, und als er Mitte der 50er-Jahre zurückkehrte nach Deutschland, da hat er dann einfach gesagt, mein Leben ist eigentlich der Literatur gewidmet, und er wurde dann in den 50er- und 60er-Jahren zu dem großen Vermittler lateinamerikanischer Literatur, brasilianischer Literatur. Er kannte die Sprachen, er kannte die Werke, und damit stand er zu jener Zeit ziemlich alleine in Deutschland da.
Lückert: Wie bewerten Sie seine Übersetzungen aus dem Portugiesischen und Spanischen heute aus der Rückschau?
Strausfeld: Das Problem von vielen Übersetzungen ist, dass sie altern. Während die Originale nicht altern, altern viele Übersetzungen. Das gilt sicherlich für einige der Übersetzungen von Curt Meyer-Clason. Später hat er – das darf man vielleicht sagen – ein bisschen sehr schnell übersetzt, weil sein Enthusiasmus immer größer war vielleicht als seine Geduld. Da muss vieles neu übersetzt werden, weil es den heutigen Ansprüchen nicht mehr genügt. Ich meine, vor 50 Jahren haben in deutschen Verlagen auch manchmal die Lektoren kurz entschieden, dass es 10 oder 20 Seiten zu viel seien und die einfach gestrichen, was heute völlig undenkbar wäre. Das ist ihm auch widerfahren.
Lückert: Sie sagen, Übersetzungen altern. Sie unterliegen ja auch bestimmten Moden. Wie war denn seine Sprache zu seiner besten Zeit?
Strausfeld: Zu seiner besten Zeit, da hat er einfach den Ton getroffen. Er hat eigentlich immer den Ton getroffen. Er war manchmal nur nicht ganz so genau, weil der Blick ins Wörterbuch ihn etwas gelangweilt hat. Aber der Ton, die Melodie und so weiter, das kam immer sehr gut herüber.
Lückert: Die Übersetzerin und Literaturagentin Michi Strausfeld erinnerte an Curt Meyer-Clason, der im Alter von 101 Jahre gestorben ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Curt Meyer-Clason: "”Und dann kam das wunderbare Wort, Meyer-Clason, tradusiere convivere, Übersetzen ist mitleben. Und da war natürlich mein innerster Kern angesprochen, mitleben mit der Lust am Erzählen.""
Lückert: Curt Meyer-Clason. - An die Romanistin und Übersetzerin Michi Strausfeld die Frage zunächst nach ihrer persönlichen Bekanntschaft mit Meyer-Clason.
Michi Strausfeld: Ich habe Curt Meyer-Clason Anfang der 70er-Jahre in Portugal kennengelernt, als er Leiter des Goethe-Instituts war, denn ich wollte als Anfängerin im Bereich der lateinamerikanischen Literatur und Literaturvermittlung unbedingt das große Vorbild kennenlernen, und das war zu jener Zeit Curt Meyer-Clason.
Lückert: Das Deutsche Institut in Lissabon sei das einzige konsequente und lebendige Kulturzentrum der Stadt gewesen, schrieb die portugiesische Presse einst. Worin genau bestand die Leistung von Curt Meyer-Clason?
Strausfeld: Curt Meyer-Clason hat aus dem Goethe-Institut den Treffpunkt von Portugiesen und Deutschen gemacht und er brachte kontroverse Themen zur Sprache. Er führte Stücke auf, die damals von der portugiesischen Zensur verboten worden waren, wie Bertolt Brecht oder Peter Weiss, zum Beispiel "Der Gesang vom Lusitanischen Popanz". All das fand im Goethe-Institut statt, und so kamen die Schriftsteller, die Intellektuellen, die Künstler dort hin, um sich auch in einem neutralen Raum austauschen zu können über aktuelle brisante politische Probleme, denn die Nelkenrevolution fand ja 1974 statt.
Lückert: Curt Meyer-Clason hat manchmal von seinen zwei Leben gesprochen. Er war vor dem Zweiten Weltkrieg als Kaufmann in Argentinien und Brasilien unterwegs, wurde in Brasilien sogar für einige Jahre als feindlicher Ausländer interniert. Offenbar in dieser Zeit entdeckte er seine Liebe für die Literatur.
Strausfeld: Ja. Er sagte, er hatte damals viel Zeit, die hatte er als Kaufmann vorher nicht, und so lernte er die damals wichtigen Autoren kennen. Ich meine, das war Anfang der 40er-Jahre. Er lernte einfach, las erste Texte von Borges, von Pablo Neroda und interessierte sich für Literatur und für den Kontinent, in dem er nun lebte. Das hat er dann nach seiner Entlassung weiter gemacht, und als er Mitte der 50er-Jahre zurückkehrte nach Deutschland, da hat er dann einfach gesagt, mein Leben ist eigentlich der Literatur gewidmet, und er wurde dann in den 50er- und 60er-Jahren zu dem großen Vermittler lateinamerikanischer Literatur, brasilianischer Literatur. Er kannte die Sprachen, er kannte die Werke, und damit stand er zu jener Zeit ziemlich alleine in Deutschland da.
Lückert: Wie bewerten Sie seine Übersetzungen aus dem Portugiesischen und Spanischen heute aus der Rückschau?
Strausfeld: Das Problem von vielen Übersetzungen ist, dass sie altern. Während die Originale nicht altern, altern viele Übersetzungen. Das gilt sicherlich für einige der Übersetzungen von Curt Meyer-Clason. Später hat er – das darf man vielleicht sagen – ein bisschen sehr schnell übersetzt, weil sein Enthusiasmus immer größer war vielleicht als seine Geduld. Da muss vieles neu übersetzt werden, weil es den heutigen Ansprüchen nicht mehr genügt. Ich meine, vor 50 Jahren haben in deutschen Verlagen auch manchmal die Lektoren kurz entschieden, dass es 10 oder 20 Seiten zu viel seien und die einfach gestrichen, was heute völlig undenkbar wäre. Das ist ihm auch widerfahren.
Lückert: Sie sagen, Übersetzungen altern. Sie unterliegen ja auch bestimmten Moden. Wie war denn seine Sprache zu seiner besten Zeit?
Strausfeld: Zu seiner besten Zeit, da hat er einfach den Ton getroffen. Er hat eigentlich immer den Ton getroffen. Er war manchmal nur nicht ganz so genau, weil der Blick ins Wörterbuch ihn etwas gelangweilt hat. Aber der Ton, die Melodie und so weiter, das kam immer sehr gut herüber.
Lückert: Die Übersetzerin und Literaturagentin Michi Strausfeld erinnerte an Curt Meyer-Clason, der im Alter von 101 Jahre gestorben ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.