Christoph Schmitz: Der schwedische Dichter Tomas Tranströmer bekommt also den Literaturnobelpreis. Seit seiner Schulzeit schreibt Tranströmer Gedichte, 1931 wurde er in Stockholm geboren, im Alter von 23 Jahren gab er seinen ersten Lyrikband heraus. Er studierte Literatur und Religionsgeschichte sowie Psychologie und arbeitete sein Berufsleben lang in schwedischen Behörden. Ein gutes Dutzend schmaler Lyrikbände sind im Verlaufe der Jahrzehnte in Schweden erschienen, große internationale Preise wurden ihm dafür zuteil, auf Deutsch sind die meisten Bände in der Übersetzung von Hanns Grössel im Hanser Verlag in München erschienen. Wie kann man den Ton, den Klang der Lyrik von Tomas Tranströmer beschreiben, zumindest so, wie er durch seinen deutschen Übersetzer Hanns Grössel auf uns kommt? Das habe ich den Hanser-Verleger Michael Krüger gefragt.
Michael Krüger: Ja, den Ton kann man am besten beschreiben, indem man die Gedichte liest. Es gibt einen Tranströmer-Sound, das ist gar keine Frage, und zwar sind das diese eigentümlichen Metaphern, die er benutzt, um sozusagen das innere Leben und das äußere Leben in irgendeiner Weise in Übereinstimmung zu bringen. Und das ist glaube ich das Merkmal dieser Gedichte, dieser, ich weiß nicht, alle zusammen ja vielleicht nur 150 Gedichte, das ist ja sein Lebenswerk, die alle auf diesen einen Ton getrimmt sind: Träume, das Erwachen, der Versuch, die Traumwelt mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen. Die Musik spielt eine große Rolle, eines seiner schönsten Gedichte heißt "Schubertiana" und fängt an mitten in New York, wo man überhaupt nicht darauf kommt, dass er dann zu Schubert kommt, und plötzlich stößt es eben durch eine Gegenwart in eine sozusagen metaphysische Ebene, die aber eben nie gesucht oder an den Haaren herbeigezogen klingt, sondern als hätte sie jemand erfunden, entdeckt zum ersten Mal.
Schmitz: Herr Krüger, Sie haben jetzt schon die Brücke geschlagen vom Sound dieser Lyrik zu Motiven und einige Motive genannt, den Traum etwa. Welche weiteren wichtigen Motive, Erlebnisse gehören zum Kernbestand seiner Lyrik?
Krüger: Tomas Tranströmer war ja viele Jahre Psychiater in einer Jugendanstalt, er hat also junge Leute versucht, auf den sogenannten rechten Weg zu bringen, und deshalb kommt immer wieder in den Gedichten der Begriff der Grenze, der Schwelle vor, da, wo sozusagen das normale Leben zerbricht oder eben zurückschreckt wieder in die Normalität. Ein weiteres großes Motiv ist natürlich der Schnee bei ihm, das ist seiner Herkunft geschuldet. Aber es ist nicht so, dass man sagen könnte, Tomas Tranströmer ist der Dichter des Schnees oder er ist der Dichter der Gefangenen, sondern es sind immer innere Bilder, die in Sprache gebracht werden.
Schmitz: Sie haben vorhin schon das Stichwort metaphysisch gebraucht. Sein Gedichtband "Klänge und Spuren" brachte ihm den Vorwurf ein, sich zu wenig auf die Wirklichkeit, auf das Reale der Gegenwart einzulassen und die Welt zu sehr als ein metaphysisches Poem zu betrachten. Was sagen Sie dazu?
Krüger: Das ist Quatsch mit Soße. Ich erinnere mich sehr genau, wann ich die ersten Gedichte von ihm las, das war 1969. Die ganze Welt war damit beschäftigt, die Revolution auszurufen, und in diesen Lärm kam der Autor der Stille, nämlich Tomas Tranströmer, und so würde ich ihn auch bezeichnen: Er ist der Autor der Stille.
Schmitz: Hat sich in diesem Sinne auch seine Gedichtwelt kondensiert, konzentriert? "Für Lebende und Tote" etwa, in diesem Gedichtband geht es darum, dass Laute von Fauna und Flora zu Wörtern erhoben werden. Ist das diese Richtung, die Richtung der Stille in seinem Gesamtwerk?
Krüger: Ja, das glaube ich schon. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass Tomas Tranströmer seit einigen Jahren im Rollstuhl sitzt, dass er kaum noch sprechen kann.
Schmitz: Er hatte einen Schlaganfall in den 90er-Jahren.
Krüger: Er hatte einen Schlaganfall, und das heißt, er ist sowieso jemand, der jetzt mit der Stille vertraut ist. Zum anderen ist er ein hervorragender Klavierspieler gewesen, muss man sagen, der natürlich vor allen Dingen die Stille zwischen den Tönen beherrscht hat, und Drittens sind ja alle Gedichte irgendwie nichts anderes als der Versuch, die Welt und ihre Geschäfte zu verlangsamen und sozusagen aus der Distanz noch einmal anzuschauen. Und darin ist er der große Meister.
Schmitz: Sagt der Hanser-Verleger Michael Krüger über den neuen Literaturnobelpreisträger Tomas Tranströmer.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Michael Krüger: Ja, den Ton kann man am besten beschreiben, indem man die Gedichte liest. Es gibt einen Tranströmer-Sound, das ist gar keine Frage, und zwar sind das diese eigentümlichen Metaphern, die er benutzt, um sozusagen das innere Leben und das äußere Leben in irgendeiner Weise in Übereinstimmung zu bringen. Und das ist glaube ich das Merkmal dieser Gedichte, dieser, ich weiß nicht, alle zusammen ja vielleicht nur 150 Gedichte, das ist ja sein Lebenswerk, die alle auf diesen einen Ton getrimmt sind: Träume, das Erwachen, der Versuch, die Traumwelt mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen. Die Musik spielt eine große Rolle, eines seiner schönsten Gedichte heißt "Schubertiana" und fängt an mitten in New York, wo man überhaupt nicht darauf kommt, dass er dann zu Schubert kommt, und plötzlich stößt es eben durch eine Gegenwart in eine sozusagen metaphysische Ebene, die aber eben nie gesucht oder an den Haaren herbeigezogen klingt, sondern als hätte sie jemand erfunden, entdeckt zum ersten Mal.
Schmitz: Herr Krüger, Sie haben jetzt schon die Brücke geschlagen vom Sound dieser Lyrik zu Motiven und einige Motive genannt, den Traum etwa. Welche weiteren wichtigen Motive, Erlebnisse gehören zum Kernbestand seiner Lyrik?
Krüger: Tomas Tranströmer war ja viele Jahre Psychiater in einer Jugendanstalt, er hat also junge Leute versucht, auf den sogenannten rechten Weg zu bringen, und deshalb kommt immer wieder in den Gedichten der Begriff der Grenze, der Schwelle vor, da, wo sozusagen das normale Leben zerbricht oder eben zurückschreckt wieder in die Normalität. Ein weiteres großes Motiv ist natürlich der Schnee bei ihm, das ist seiner Herkunft geschuldet. Aber es ist nicht so, dass man sagen könnte, Tomas Tranströmer ist der Dichter des Schnees oder er ist der Dichter der Gefangenen, sondern es sind immer innere Bilder, die in Sprache gebracht werden.
Schmitz: Sie haben vorhin schon das Stichwort metaphysisch gebraucht. Sein Gedichtband "Klänge und Spuren" brachte ihm den Vorwurf ein, sich zu wenig auf die Wirklichkeit, auf das Reale der Gegenwart einzulassen und die Welt zu sehr als ein metaphysisches Poem zu betrachten. Was sagen Sie dazu?
Krüger: Das ist Quatsch mit Soße. Ich erinnere mich sehr genau, wann ich die ersten Gedichte von ihm las, das war 1969. Die ganze Welt war damit beschäftigt, die Revolution auszurufen, und in diesen Lärm kam der Autor der Stille, nämlich Tomas Tranströmer, und so würde ich ihn auch bezeichnen: Er ist der Autor der Stille.
Schmitz: Hat sich in diesem Sinne auch seine Gedichtwelt kondensiert, konzentriert? "Für Lebende und Tote" etwa, in diesem Gedichtband geht es darum, dass Laute von Fauna und Flora zu Wörtern erhoben werden. Ist das diese Richtung, die Richtung der Stille in seinem Gesamtwerk?
Krüger: Ja, das glaube ich schon. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass Tomas Tranströmer seit einigen Jahren im Rollstuhl sitzt, dass er kaum noch sprechen kann.
Schmitz: Er hatte einen Schlaganfall in den 90er-Jahren.
Krüger: Er hatte einen Schlaganfall, und das heißt, er ist sowieso jemand, der jetzt mit der Stille vertraut ist. Zum anderen ist er ein hervorragender Klavierspieler gewesen, muss man sagen, der natürlich vor allen Dingen die Stille zwischen den Tönen beherrscht hat, und Drittens sind ja alle Gedichte irgendwie nichts anderes als der Versuch, die Welt und ihre Geschäfte zu verlangsamen und sozusagen aus der Distanz noch einmal anzuschauen. Und darin ist er der große Meister.
Schmitz: Sagt der Hanser-Verleger Michael Krüger über den neuen Literaturnobelpreisträger Tomas Tranströmer.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.