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"Er war ein richtiger Rassist"

Der 63-jährige Hamburger Rechtsanwalt, NPD-Funktionär und -Geldgeber Jürgen Rieger erlitt am vergangenen Samstag bei einer Vorstandssitzung der rechtsextremen NPD einen Schlaganfall. Gestern starb er in einer Klinik an den Folgen.

30.10.2009
    Jochen Spengler: Am Telefon begrüße ich den Kollegen Wolfgang Kapust, der sich im WDR auf das Thema Rechtsextremismus spezialisiert hat. Herr Kapust, Jürgen Rieger war mehrfach vorbestraft und seit dem vergangenen Jahr stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD. Doch auch diese Funktion beschreibt seine Rolle und Bedeutung nur unzureichend. Wieso?

    Wolfgang Kapust: Er hat sehr viel Geld organisiert. Viele Anhänger und Sympathisanten, die namenlos bleiben wollten, haben ihm sein Geld anvertraut. Er hat eine Stiftung verwaltet eines verstorbenen Bremer Nazis in Höhe von über einer Million Euro. Er selbst soll der NPD aus seinem Privatvermögen fast 500.000 Euro geliehen haben. Er hat Grundstücke gekauft, um dort für die Partei und für den Parteinachwuchs Schulungen zu machen, in Dörverden bei Bremen zum Beispiel. Er hat jüngst in Wolfsburg Furore machen wollen, weil er in einem alten Möbelgeschäft ein Museum KDF einrichten wollte. Er hat in Delmenhorst Wirbel veranstaltet, weil er ein Hotel kaufen wollte, und in Faßberg bei Celle liegt er zurzeit in einem rechtlichen Streit. Da will er Räume eines alten Hauses auch benutzen, um dort eine Neonazi-Schulung zu machen. Er war immer wieder ein Motor, er hat sich immer wieder finanziell und vor allem auch rechtlich für die Partei eingesetzt.

    Spengler: Er war ja nicht nur der Finanzier, er war auch ideologisch ein Einpeitscher, oder?

    Kapust: Richtig! Er war ein richtiger Rassist, kann man schon sagen. Er ist ja auch mehrfach vorbestraft. Er hat die sogenannte – ich zitiere – "Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung" ins Leben gerufen. Mit dieser Gesellschaft wollte er sehr rassistische Gedanken durchbringen. Er hatte auch einmal ein Schloss in Schweden gekauft, wo er arische Familien hinschicken wollte. Alle diese Dinge hat er immer wieder betrieben und er hat in Verfahren, in Rechtsverfahren Neonazis überall betreut und vor Gericht auch immer wieder rechtliche Grenzen ausgetestet, wie weit er mit seiner Hitler-Verehrung, mit seinem Nazi-Kult auch gehen konnte.

    Spengler: Mit seinem Tod hat nun die NPD eine Heidenangst um ihre finanzielle Basis. Zurecht?

    Kapust: Die NPD hat große Schwierigkeiten. Sie hat ja bei den letzten Wahlen, bei der Landtagswahl in Sachsen, viele Stimmen verloren. Sie ist zwar wieder im Landtag eingezogen. In Thüringen hat sie es nicht geschafft, in Brandenburg hat sie es nicht geschafft, auf Bundesebene hat sie nur wenige Stimmen erreicht und es gibt einen Machtkampf auch in der NPD. Möglicherweise wird Udo Pasteur nach dem Tod von Rieger wieder mehr Gewicht bekommen als sein Vertreter. Wichtig ist aber, dass die NPD zurzeit sehr irritiert ist, weil unklar ist, was mit diesen Vermögensteilen, die Rieger hatte, geschehen soll, und wir müssen noch in Erinnerung bringen, dass Rieger vor einiger Zeit auch einmal schließlich Journalisten, Polizisten und Richtern mit dem Tode gedroht hat. Er hat gesagt, wenn es rechtsradikale Gewalt stärker geben wird, seien diese Berufsgruppen besonders gefährdet. Er war ein militanter, ideologischer, aber für die NPD wichtiger Geldgeber.

    Spengler: Wolfgang Kapust über die Bedeutung des gestern gestorbenen Rechtsanwalts Jürgen Rieger für die NPD. Und wir lernen, wie schwierig es ist, eine vernünftige Telefonleitung in den Harz zu bekommen.