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Erasmus-Programm
"Europäische Werte und Identität nach vorne bringen"

Angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen sei es besonders wichtig, dass sich die Hochschulen wirklich auf Europa konzentrierten, sagte Beate Körner vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) im Dlf. Mit der Schaffung von Europäischen Hochschulen solle deren Vielfalt in neuen Strukturen gebündelt werden.

Beate Körner im Gespräch mit Katharina Schmitt |
    Eine Studentin hält an der SRH Hochschule Berlin ein Buch über das Erasmus-Programm und Informationsbroschüren über Auslandspraktika in den Händen
    Eine Erfolgsgeschichte: 30 Jahre Erasmus-Programme an europäischen Hochschulen (dpa / Jens Kalaene)
    Katharina Schmitt: Jetzt gehen wir weiter zu Erasmus, und zwar mit Beate Körner, die das Referat Erasmus-Kooperationsprojekte beim DAAD leitet. Hallo, Frau Körner! Sie waren vor fast zehn Jahren noch an der TU Cottbus und hatten dort mit Kooperationen weltweit zu tun. Dann sind Sie nach Bonn gekommen, um ein Referat der Nationalagentur für Erasmus zu übernehmen. War das eine einfache Entscheidung für Sie, sich statt mit all diesen weltweiten Themen zu beschäftigen, sich auf Europa und Erasmus zu konzentrieren?
    Beate Körner: Es war eigentlich keine schwierige Entscheidung, weil eigentlich bin ich damit meiner persönlichen Entwicklung so ein bisschen gefolgt. Ich bin von Hause aus Amerikanistin und habe meine Auslandsaufenthalte auch zumeist in den USA, also sowohl das Studium als auch später ein Praktikum. Und wollte dann nach dem Studium aber auch unbedingt international arbeiten und habe dann eben in Cottbus im International Office angefangen und habe dort auch erst mal den weltweiten Austausch betreut, die Studierenden aus aller Welt. Aber auch damals hatte ich schon viel mit Europa zu tun, weil ich habe auch das Leonardo-Büro in Brandenburg geleitet und hatte also da schon viele Berührungspunkte mit Erasmus. Von daher war das für mich dann eine tolle Möglichkeit, von Cottbus nach Bonn zu gehen und dort noch stärker mich auf Europa zu konzentrieren.
    Grenzen überwinden, Horizont erweitern
    Schmitt: Für uns ist ja oft Erasmus gleich Studierendenmobilität. Aber im Endeffekt gibt es außer dieser Erfolgsgeschichte auch noch sehr viel mehr, oder?
    Körner: Ja. Wir haben ja im letzten Jahr den 30-jährigen Geburtstag von Erasmus gefeiert, das war eine tolle Erfolgsgeschichte oder ist es nach wie vor natürlich. Aber Erasmus ist seit dieser Programmgeneration, nämlich von 2014, die bis 2020 geht, auch ein Programm, das verschiedene Bildungsbereiche vereinigt neben der Hochschulbildung und eben auch nicht nur die Mobilität von Einzelnen, sondern auch Projekte, also seien es Kooperationsprojekte innerhalb Europas, außerhalb Europas. Es ist alles möglich sozusagen.
    Schmitt: Hatte man damals vor 30 Jahren wohl schon im Blick, dass das Programm einmal als Antwort auf solche Themen wie Populismus, Europaverdrossenheit oder den Brexit funktionieren müsste?
    Körner: Ich glaube, in der Ursprungsidee war das nicht angedacht, weil da musste ja Europa erst mal noch zusammenwachsen. Also nicht nur als sozusagen Wirtschaftsunion, sondern wirklich auch gedanklich, kulturell mit seinen Werten. Und da ging es erst mal darum, mit diesen Mobilitäten, die ja sowohl für Studierende als auch für Lehrende existieren, dass man damit also Grenzen überwindet, dass man was Neues kennenlernt, den Horizont erweitert. Und man sieht ja auch, dass es heute von vielen jungen Menschen gar nicht mehr wegzudenken ist. Für die ist das schon so normal, während des Studiums ins Ausland zu gehen, dass das wirklich alltäglich geworden ist. Und darüber hinaus gibt es eben wirklich auch Projekte, die sich mit speziellen Themen noch beschäftigen, die mit der Internationalisierung zu tun haben.
    Stärken europäischer Hochschulen bündeln
    Schmitt: Welche konkreten Initiativen gibt es denn da in diesem Zusammenhang?
    Körner: Erasmus plus hat natürlich ganz viele verschiedene Förderansätze vereinigt. Man könnte zum Beispiel, wenn man an die Kooperationsprojekte mit Hochschulen denkt, also sich mit mehreren Hochschulen zusammentun und ein innovatives Lernmodul entwickeln für Studierende. Oder auch, wenn man jetzt mal über Europa hinausdenkt, dass man sagt, man will in Nordafrika oder in Asien die Hochschulen modernisieren, das Hochschulwesen modernisieren, reformieren, dann kann man das eben mit solchen Projekten auch machen, dass man Kapazitätsaufbau betreibt.
    Schmitt: Heute hören wir aber doch sehr viel über diese European Universities. Haben die in der heutigen politischen Landschaft eine besondere Bedeutung, oder ist das einfach nur der nächste Schritt?
    Körner: Eigentlich kann man sagen, ein fast zwangsläufiger Schritt. Ich denke mal, viele von Ihnen wissen, dass Macron vor ungefähr einem Jahr seine viel beachtete Rede an der Pariser Sorbonne gehalten hat, wo er diesen Aufbau europäischer Universitätsnetzwerke gefordert hat. 20 Universitäten bis 2025 sollen entstehen. Und dort sollen die Stärken der europäischen Hochschulen, die ja schon existieren, deren Vielfalt in Forschung und Lehre sollen in neue Strukturen gebündelt werden, um eben auch den Herausforderungen, die Europa jetzt hat, zu begegnen. Und das ist natürlich eine tolle Vision, und jetzt ist es an den Hochschulen, dafür was zu tun. Auf jeden Fall ist das schon so, dass die deutschen Hochschulen ein sehr großes Interesse an diesen Universitäten haben. Es gibt viele Hochschulen, die in den Startlöchern stehen, dort was zu machen. Und ich denke auch, man muss einfach dieses politische Momentum nutzen, um wirklich auch die europäischen Werte und die europäische Identität nach vorn zu bringen. Das ist nämlich auch ein dezidiertes Ziel dieser europäischen Hochschulen, die also sowohl der Europäische Rat als auch die EU-Kommission aufgegriffen haben – jetzt ab 2019 gibt es eine Pilotausschreibung dazu –, und es werden zunächst sechs europäische Universitäten oder Hochschulen gefördert. Und es ist natürlich ganz wichtig, dass jetzt wirklich sich die Hochschulen auf Europa konzentrieren. Es muss einfach überall vorkommen.
    Zusammenarbeit über Europa hinaus
    Schmitt: Jetzt wollen wir ja eigentlich auch über den europäischen Hochschulraum hinausdenken, oder? Es gibt auch bei Erasmus längst die Komponente, dass man nicht nur innerhalb Europas kooperiert, sondern darüber hinaus. Wie passt das denn zusammen?
    Körner: Es ist seit Erasmus plus, seit 2014, viele präsenter geworden, aber natürlich gab es auch schon vorher von der EU-Kommission verschiedene Bildungsprogramme, die sich mit der Kooperation, internationaler Kooperation außerhalb Europas beschäftigt haben. Ich sage bloß mal, das Tempus-Programm. Und das wurde jetzt sozusagen ja alles vereint und seit 2014 beziehungsweise für die internationale Komponente 2015 können Studierende und auch Lehrende in fast alle Länder gehen, um dort Projekte mit verschiedenen Ländern, also Kapazitätsaufbauprojekte, um vielleicht auch den Hochschulen vor Ort in den europäischen Nachbarschaftsregionen, aber auch in Asien, Lateinamerika oder Afrika die Möglichkeit zu geben, mit europäischen Hochschulen zusammenzuarbeiten und ihre Hochschulen zu reformieren, innovative, gemeinsame Ansätze zu schaffen, gemeinsam zu kooperieren. Da ist also ganz viel möglich, und darüber freuen wir uns sehr.
    Schmitt: Dann wünsche ich Ihnen natürlich sehr viel Erfolg damit, und erst mal vielen Dank an Beate Körner von der Nationalagentur Erasmus!
    Körner: Gern geschehen, vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.