Erasmus Schöfer gehört zu den politisch engagiertesten deutschen Autoren. Der 1931 in Altlandsberg geborene Schriftsteller promovierte über die Sprache Heideggers, um anschließend als freier Autor tätig zu sein und als erklärter Linker nicht nur die Protest- und Widerstandsbewegungen der alten Bundesrepublik genau zu studieren, sondern auch an diesen aktiv teilzunehmen. Schöfer schrieb Erzählungen, Theaterstücke, Hörspiele, Features, verfasste Texte für die Ostermärsche in den 60er Jahren, war als Kulturkorrespondent verschiedener Zeitungen tätig und aktives Mitglied im Werkkreis der Literatur der Arbeitswelt. Große Anerkennung als Schriftsteller wurde ihm allerdings erst mit seinem Opus magnum, dem vierbändigen Romanwerk "Die Kinder des Sisyfos" zuteil, dessen einzelne Bände zwischen 2001 und 2008 erschienen.
Zeitzeuge der politischen Bewegungen
Hier schildert Schöfer in einer Mischung aus Sozialreportage, Dokumentation und Roman die politischen Kämpfe der alten Bundesrepublik von der Studentenrevolte 1968 bis zum Mauerfall 1989/90. Mit seinen fiktiven Hauptfiguren, dem Lehrer Viktor Bliss, seiner Ehefrau, der Schauspielerin Lena Bliss, und dem Arbeiter und Betriebsrat Viktor Anklam lässt Schöfer Großdemonstrationen wie die gegen die Wiederbewaffung, den Vietnamkrieg, die Nachrüstung, gegen Atomkraftwerke und Betriebsstilllegungen noch einmal aufleben. Nicht zu Unrecht wurde Schöfer mit seiner vierbändigen Geschichte des Widerstands mit Peter Weiss und dessen Monumentalwerk "Die Ästhetik des Widerstands" verglichen. Erasmus Schöfer gilt heute als der wichtigste Chronist der politischen Bewegungen der Bundesrepublik bis zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten.
Begleitband für die Nachgeborenen
Seit dem Frühjahr rundet nun ein Sach- und Personenregister als fünfter Band der Roman-Tetralogie "Die Kinder des Sisyfos" das Großprojekt ab. Im Gespräch mit Angela Gutzeit betonte Erasmus Schöfer, dieses ergänzende Nachschlagewerk, das auf über 350 Seiten viele Erklärungen zu den historischen und politischen Hintergründen der vier Romane bietet, wende sich an die jüngere Generation wie auch an die ehemaligen Bürger der DDR, "damit sie wissen", so Schöfer, "was sich hier damals abgespielt hat."
Der Titel seines Romanwerks, "Die Kinder des Sisyfos", signalisiert auf den ersten Blick Vergeblichkeit, hat doch die Figur des Sisyphos in der griechischen Mythologie einen Stein immer wieder auf Neue auf den Berg wälzen müssen. Aber Schöfer wollte diesem Mythos eine neue Wendung geben: "Mir ging es darum", so erzählte der Autor im Gespräch, "dass die Menschen nicht aufhören, sich für die Verbesserung der Lebensumstände einzusetzen. Also, die Dauer der Anstrengung, die Unermüdlichkeit, die den Sisyphos prägt, der nicht aufgibt, dieses Ziel zu erreichen, dass der Stein mal oben bleibt oder - wie ich mal in einem Gedicht geschrieben habe -, schließlich sich so abgenutzt hat, dass der als Sandkorn davonfliegt und damit auch Veränderung erreicht."
Immer noch aktiv
Einen weiteren Band über die aktuellen Ereignisse im neuen Jahrhundert schreiben, das möchte Erasmus Schöfer nicht mehr. Aber gerade erst war der Schriftsteller bei den jüngsten Großdemonstrationen der Jugend dabei, um sie in ihrem Kampf gegen den Klimawandel und die Untätigkeit der Regierenden zu unterstützen - mit 88 Jahren.
Erasmus Schöfer: "Die Kinder des Sisyfos".
Roman-Tetralogie und in Zusammenarbeit mit Jens Jürgen Korff der ergänzende Begleitband
"Quellen des Widerstands. Die Welt der Kinder des Sisyfos 1968 - 1989".
Dittrich Verlag, Berlin.
2310 Seiten. 24.90 Euro.
Roman-Tetralogie und in Zusammenarbeit mit Jens Jürgen Korff der ergänzende Begleitband
"Quellen des Widerstands. Die Welt der Kinder des Sisyfos 1968 - 1989".
Dittrich Verlag, Berlin.
2310 Seiten. 24.90 Euro.