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Erbel: Verhandlungen in Genf müssen zu Fortschritten auf beiden Seiten führen

Wenn der Iran bei den Gesprächen in Genf seine Urananreicherung auf 20 Prozent beschränken werde, dann könne man auch über weitere Kompromisse reden, sagt Bernd Erbel, früherer deutscher Botschafter in Teheran. Wichtig sei, dass beide Verhandlungsseiten positive Ergebnisse mitnehmen könnten, ergänzt er.

Bernd Erbel im Gespräch mit Friedbert Meurer | 08.11.2013
    Friedbert Meurer: In Genf verhandeln die Vetomächte der Vereinten Nationen und Deutschland mit dem Iran. Wieder einmal geht es um das iranische Atomprogramm. Diese Meldung hören wir seit Jahren immer wieder und seit Jahren tut sich wenig bis gar nichts dabei. Jetzt aber sieht es etwas anders aus. Der Iran scheint, bereit zu sein, sein Atomprogramm einzuschränken. Im Gegenzug würden die Vereinten Nationen die Sanktionen lockern. Noch aber steigt kein weißer Rauch auf, es wird miteinander verhandelt.

    Seit drei Monaten ist Hassan Rohani Präsident der Islamischen Republik Iran. Mit seiner Wahl haben viele die Hoffnung verbunden, dass Teheran im Atomstreit kompromissbereiter wird, und danach sieht es im Moment auch aus. Sollten die Sanktionen gegen den Iran heruntergefahren werden, würde die Wirtschaft im Iran davon profitieren. Aber auf der anderen Seite: Es gibt immer noch Widerstand im Land gegen Zugeständnisse.

    Vielleicht steht ein Teilabkommen bevor, das in Genf erzielt werden kann zwischen den UNO-Sicherheitsratsmitgliedern und dem Iran. Auch Deutschland verhandelt mit. – Bernd Erbel war bis zum Sommer der deutsche Botschafter in Teheran, bevor er jetzt in den Ruhestand gewechselt ist. Guten Tag, Herr Erbel!

    Bernd Erbel: Guten Tag!

    Meurer: Stehen die Zeichen auf eine Einigung?

    Erbel: Ich würde ähnlich wie Herr Baumgarten http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2013/11/08/dlf_20131108_1217_43471f28.mp3

    sagen, dass eine Chance besteht für eine erste prinzipielle Einigung, nicht für eine Lösung des gesamten Nuklear-Dossiers. Aber das wäre auch schon sehr viel, nachdem in den letzten drei bis vier Jahren sich eigentlich die Positionen beider Seiten nur gegenseitig aufgeschaukelt haben und die Situation immer schwieriger geworden war.

    Meurer: Was bietet der Iran an?

    Erbel: Der Iran bietet an, die Anreicherung auf 20 Prozent einzustellen oder zu unterbrechen. Es wird sicherlich auch über eine Umwandlung des bereits auf 20 Prozent angereicherten Urans in chemische, andere Verbindungen zu sprechen sein, und es wird um den Schwerwasser-Reaktor in Arak gehen, nicht dagegen um das prinzipielle Recht der Iraner auf Anreicherung überhaupt, aber das würde bedeuten eine Anreicherung auf 3,5 bis fünf Prozent, die man braucht, um Nuklearreaktoren für die Stromerzeugung zu bedienen.

    Meurer: Wie gefährlich sind 20 Prozent Uran-Anreicherung noch nach Ihrer Kenntnis?

    Erbel: 20 Prozent ist natürlich noch weit entfernt von den 80 Prozent, die man braucht, um waffenfähig zu sein. Aber der wissenschaftlich-technische Sprung von fünf Prozent auf 20 Prozent ist größer als der von 20 auf 80. Das heißt, in den letzten Jahren hat Iran große Fortschritte gemacht bei der Beherrschung des Prozesses der Anreicherung, und insofern ist es ausgesprochen wichtig, wenn man tatsächlich ein Ergebnis erzielen möchte, dass man jetzt zu einem Kompromiss kommt, damit die Entwicklung nicht weiter in Richtung auf höhere Anreicherung geht.

    Meurer: Was steckt, Herr Erbel, Ihrer Meinung nach dahinter, dass der Iran jetzt kompromissbereiter zu werden scheint? Will Rohani einfach die Sanktionen weghaben, um die Wirtschaft zu fördern?

    Erbel: Das alleine ist nicht der Punkt. Es gab in der Sache auch in den letzten drei Jahren immer wieder mal Möglichkeiten, zu einem Kompromiss zu kommen. Aber die Atmosphäre war absolut nicht dafür gemacht. Wir haben mit der Wahl von Rohani einen anderen Stil und die Veränderungen, die wir feststellen können, sind im wesentlichen im Atmosphärischen, im Rhetorischen, im Stilistischen, und auf beiden Seiten hat dies zu erheblichen Veränderungen geführt.

    Die Sanktionen sind ganz sicherlich sehr, sehr störend und wirksam. Man muss sich mal überlegen, dass allein die gegen den Export von Öl aus Iran getroffenen Sanktionen bedeuten, dass Iran jeden Tag 160 Millionen Dollar Exporteinnahmen verliert.

    Meurer: Sind die Sanktionen zu hart?

    Erbel: Die Sanktionen sind sehr hart. Die Sanktionen haben allerdings in den letzten Jahren – und das muss man umgekehrt auch sehen – nicht dazu geführt, dass das Atomprogramm reduziert worden wäre, sondern es ist intensiviert worden. Das heißt, die Taktik, die man ergriffen hat in den letzten Jahren, war nicht erfolgreich in dem Sinne, dass das Atomprogramm reduziert oder eingestellt worden wäre, sondern beide Seiten haben sich gegenseitig aufgeschaukelt und mit zunehmenden Sanktionen blieb dem Iran auch nicht sehr viel anderes übrig, als auch seinerseits natürlich die Dinge, über die es verfügt im Verhandlungsprozess, zu vermehren.

    Meurer: Das würde bedeuten, zu einem Deal gehören immer zwei Seiten, zum einen der Iran, der seinen Kurs ein bisschen ändert, zum anderen aber auch die US-Regierung unter Barack Obama, der da nicht mehr so knallhart vorgehen will.

    Erbel: Beide Seiten müssen ja in einem Verhandlungsprozess mit einem mehr oder minder zu definierenden Erfolg nachhause gehen. Niemand kann von Verhandlungen in sein eigenes Land zurückkehren und sagen, wir sind auf voller Linie gescheitert und haben nur nachgegeben in jeder Hinsicht, sondern jeder muss das auch zuhause verkaufen können, und das ist ganz, ganz wichtig in diesem Verhandlungsprozess, dass man sich gegenseitig die Möglichkeit gibt, Fortschritte zu erzielen, die beide als etwas Positives darstellen und verkaufen können.

    Meurer: Es gibt schon Stimmen, Herr Erbel, die sagen, da stecken auch Geschäftsinteressen der US-Konzerne dahinter, die mit iranischem Öl Geld verdienen wollen. Was meinen Sie?

    Erbel: Das gibt es sicherlich auch und es gibt sehr, sehr viele Beobachter im Nahen Osten und auch im Iran selber, die sagen, dass für den Fall einer Lösung des Konflikts die amerikanischen Geschäftsleute ganz besonders aktiv sein werden. Es ist auch in der Tat so, dass im Iran selbst die USA natürlich als der wichtigste internationale Faktor und Partner betrachtet werden. Aber Möglichkeiten für gute Geschäfte werden sich für alle Seiten ergeben, auch für Europa, auch für Deutschland, das früher der wichtigste Exporteur von Anlagen und industriellen Anlagen im Iran war.

    Meurer: Ist Deutschland deswegen mit am Tisch dabei in Genf, damit wir an unsere Exportinteressen denken?

    Erbel: Nein, das war sicherlich nicht der Grund, warum Deutschland zu dieser Gruppe hinzugestoßen ist. Es war einfach so, dass früher drei europäische Partner verhandelt haben und man dann USA und Russland dazugenommen hat, um den Kreis zu erweitern. Deutschland ist allerdings das einzige Mitglied in diesem Kreis, das nicht permanentes Mitglied des Weltsicherheitsrates ist.

    Meurer: Bernd Erbel, der ehemalige deutsche Botschafter in der iranischen Hauptstadt Teheran, zu den Atomgesprächen in Genf, von denen viele sagen, dabei könnte heute vielleicht ein erster Kompromiss herauskommen. Herr Erbel, schönen Dank für die Zeit, die Sie sich genommen haben. Auf Wiederhören!

    Erbel: Auf Wiederhören!


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