Erbschaftssteuer
Immobilien erben kann teuer werden

Jährlich werden in Deutschland etwa 400 Milliarden Euro vererbt, fast die Hälfte davon in Form von Immobilien. Seit Anfang 2023 können für vererbte Häuser und Wohnungen höhere Steuern anfallen. Steigen nun auch die steuerlichen Freibeträge?

07.08.2023
    Wohnungen in der Wilsnackerstraße in Berlin-Moabit.
    Wer eine wertvolle Immobilie erbt, muss dafür mehr Steuern zahlen. (picture alliance / dpa / Sven Braun)
    Laut einer Regelung des Jahressteuergesetzes 2022 müssen Immobilienwerte für steuerliche Zwecke künftig möglichst nahe am Verkaufswert veranschlagt werden. Weil die Preise für Immobilien – vor allem in Ballungsräumen – massiv gestiegen sind, wirkt sich das auch auf die Erbschaftssteuer aus.
    Die steuerlichen Freibeträge für Erbschaften wurden hingegen über einen längeren Zeitraum nicht erhöht. Nun wird davor gewarnt, dass Erben das Haus der Eltern unter Umständen verkaufen müssen, um die Erbschaftssteuer zu begleichen. Die Politik will die Freibeträge deswegen anheben – wann und um wie viel, ist allerdings noch unklar.

    Immobilienwerte: Was hat sich für Erben geändert?

    Seit Anfang 2023 wird der Wert von vererbten Immobilien anders berechnet als zuvor - dieser soll sich nun möglichst nahe am tatsächlichen Verkaufswert orientieren. Der Verband "Haus und Grund" geht davon aus, dass dadurch der zu versteuernde Wert um 20 bis 30 Prozent steigt. Und bei einem höheren Immobilienwert fallen natürlich auch mehr Steuern an, wenn die Freibeträge überschritten werden.
    Betroffen von der Neuregelung sind überwiegend Erben, die nicht selbst in der geerbten Immobilie leben. Wer von seinem Partner oder den Eltern ein Haus oder eine Wohnung erbt und darin anschließend wohnt, zahlt in der Regel unabhängig vom Wert keine Erbschaftsteuer; für Kinder gilt dies bis zu einer Wohnfläche von 200 Quadratmetern.
    Die neue Regelung trifft außerdem nur Menschen, die vergleichsweise viel erben. Denn Erbschaften müssen erst ab einer bestimmten Höhe versteuert werden. So hat jedes Elternteil hat für jedes Kind einen sogenannten "Freibetrag" von aktuell 400.000 Euro. Ein Elternpaar kann somit zusammen an jedes seiner Kinder 800.000 Euro steuerfrei weitergeben. An Ehepartner können zurzeit 500.000 Euro steuerfrei vererbt werden.

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    Bei Erbschaften, die über den Freibeträgen liegen, greifen unterschiedlich hohe Steuersätze, die anfangs niedrig ausfallen und in der Spitze maximal 50 Prozent betragen. Die gleichen Regeln gelten im Übrigen für Schenkungen, also die Weitergabe von Vermögenswerten zu Lebzeiten. Der Freibetrag kann hier alle zehn Jahre neu genutzt werden. Die Durchschnittserbschaft liegt in Deutschland derzeit - je nach Berechnung - zwischen 79.000 und 85.000 Euro und damit weit unter dem Freibetrag.
    Prognose zum Erbschaftsvolumen in Deutschland in den Jahren von 2015 bis 2024 nach Vermögensart
    Prognose zum Erbschaftsvolumen in Deutschland in den Jahren von 2015 bis 2024 nach Vermögensart (Statista/Statistisches Bundesamt/ Deutsche Bundesbank/ empirica/ SOEP/ gif e.V.)

    Werden die Freibeträge erhöht?

    Die Freibeträge bei der Erbschaftssteuer gelten in der aktuellen Höhe seit 2009. Seitdem sind die Immobilienwerte und -preise erheblich gestiegen. Die Politik diskutiert daher über eine Erhöhung der Freibeträge, sowohl die Ampelregierung als auch die Unionsparteien haben sich dafür ausgesprochen. Die genaue Ausgestaltung ist aber weiter strittig.
    Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hält eine Anhebung um 25 Prozent für angebracht. Die FDP hat zudem vorgeschlagen, die Freibeträge künftig automatisch an die Inflation anzupassen.
    Die Grünen halten eine Anhebung der Freibeträge für das falsche Signal, sperren sich aber nicht dagegen.
    Auch für die SPD ist die Erhöhung der Freibeträge kein Herzensprojekt - doch letztlich einigten sich Vertreter der Ampel-Fraktionen im Dezember 2022 darauf, eine entsprechende Gesetzesinitiative der Bundesländer im Bundestag mitzutragen.
    Die Union will die Freibeträge gleich um zwei Drittel erhöhen - das sei der Betrag, um den Immobilien in den letzten 20 Jahren wertvoller geworden seien, heißt es.
    Dass eine Erhöhung ansteht, scheint also klar, wie hoch sie ausfallen wird, ist hingegen noch Verhandlungssache. Ende Juni 2023 beriet der Bundestag über Anträge der Linken und der AfD: Die Linke forderte die Streichung aller Vergünstigungen für große Unternehmenserbschaften. Die AfD hingegen sprach sich für eine komplette Streichung der Erbschaftssteuern aus. Beide Anträge scheiterten.

    Warum klagt Bayern gegen die Reform?

    Nach mehrfacher Ankündigung hat die bayerische Landesregierung Mitte Juni 2023 Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen das Erbschaftssteuergesetz eingereicht. Jeder müsse sein Elternhaus erben können, "ohne dass die Erbschaftsteuer ihn zum Verkauf zwingt", erklärte der bayerische Finanzminister Albert Füracker (CSU). Mit der verfassungsrechtlichen Überprüfung des Gesetzes will Bayern den Weg für eine Erhöhung der Freibeträge, die Senkung der Steuersätze und eine Regionalisierung der Erbschaftssteuer frei machen.
    Bei der Erhöhung der Freibeträge kann die bayerische Landesregierung auf den Zuspruch aus anderen Ländern zählen - mit der Forderung nach einer Regionalisierung steht das Bundesland hingegen allein da. Im Bundesrat scheiterte Bayern mit dem Antrag, wegen dieses Streitpunkts den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anzurufen. Vielmehr stimmte die Länderkammer dem Jahressteuergesetz im Dezember 2022 zu. Von der Erbschaft- und Schenkungsteuer profitieren die Bundesländer. Insgesamt fielen laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2021 rund 11,1 Milliarden Euro an.

    Wie bewerten Experten die Änderungen im Steuerrecht?

    Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) blickt gelassen auf die Debatte um Immobilienwerte, Erbschaften und Steuern. Zwar rutsche die gehobene Mittelschicht durch die Reform in die Besteuerung hinein - doch die Steuersätze seien anfangs niedrig, der Eingangssteuersatz liege bei sieben Prozent. Vererben sei damit weiter gut möglich. "Wenn Sie selber darin wohnen, kriegen Sie es sogar steuerfrei. Und wenn Sie nicht darin wohnen, können Sie es vermieten oder verkaufen, dann realisieren Sie das Geld."
    Grundlegende Ungerechtigkeiten bei der Erbschaftssteuer sieht Bach woanders: "Die Superreichen bleiben häufig erbschaftssteuerfrei", kritisiert er. Denn gerade bei Unternehmensübertragungen gebe es viele Privilegien.
    Am anderen Ende der sozialen Leiter erben viele Menschen hingegen gar nichts. Bach würde das ändern, wenn er könnte - und schlägt vor, dass jeder junge Erwachsene ein Grunderbe vom Staat bekommt. 20.000 Euro seien durchaus finanzierbar, sagt Bach – beispielsweise durch höhere Erbschaftssteuern für Superreiche. Das Geld könnte auch zweckgebunden ausgezahlt werden, junge Leute könnten es dann beispielsweise in Bildung investieren.
    "Selbst wenn auf eine Immobilie, die man erbt, eine Steuer bezahlt werden muss - die im Moment in den meisten Fällen noch sehr gering wäre - ist man ja trotzdem sehr viel besser gestellt als die vielen Menschen, die nur ihre Arbeit haben und auch Eigentum erwerben wollen", sagt die Autorin Julia Friedrichs. Trotzdem gebe es regelrechtes Mitleid mit Erben, die nun etwas mehr abgeben sollen.
    Es sei zwar richtig, dass manchmal kein Geld, sondern nur eine Immobilie vererbt werde, es sei für Erben aber zumutbar, dann eventuell einen Kredit aufzunehmen, um die fällige Steuer zu bezahlen, meint Friedrichs. Nicht-Erben müssten schließlich im Regelfall wesentlich höhere Kredite aufnehmen, um einen Hauskauf finanzieren zu können.
    Über die Hälfte des Reichtums in Deutschland sei vererbt, sagt Friedrichs. Erben an sich sei grundlegend legitim. Es gehe darum, dass man selbst über sein Eigentum verfügen dürfe, und es gehe auch um Familienbeziehungen. Es brauche aber einen Ausgleich: Erbschaften sollten stärker besteuert werden als Einkommen.
    Johannes Kuhn, Tobias Armbrüster, ahe, dpa, epd, pto