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Erdbeben-Folgen
Weiterleben in Nepal

9.000 Tote, 600.000 Häuser zerstört - das war die Bilanz des verheerenden Erdbebens in Nepal im April. Seither ist zu wenig passiert: die versprochenen Milliardengelder der internationalen Gemeinschaft fließen nicht - und das liegt in den Augen vieler an der Regierung.

Von Jürgen Webermann |
    Man sieht Arbeiter in Kathmandu, die auf dem Gelände des eingestürzten Kastamandap Tempels beschäftigt sind.
    Der Wiederaufbau in Nepal geht nur langsam voran, viele Menschen leben noch immer in Notunterkünften. (picture-alliance / dpa / Hemanta Shrestha)
    Irgendwie muss es ja weiter gehen für Onitha Dongul und ihren Ehemann Suraj. Es ist inzwischen Dezember, und vielleicht einer der ersten fröhlicheren Momente seit dem Frühjahr. Eine Spende ist eingetroffen, aus Deutschland, von einem Paar, das im Radio von Onithas und Suraj' Schicksal erfahren hatte. Ein paar Wochen zuvor hatte Onitha noch mit ihrem Los gehadert.
    "Wir sind gebeutelt vom Schicksal. Dabei sah alles so rosig aus. So eine gute Familie, in die ich damals einheiratete. Wir hatten so viel Spaß mit allen. Nichts davon ist geblieben."
    Am Tag des Erdbebens am 24. April wollten Onitha und Suraj Hochzeit feiern. Aber am Mittag bebte die Erde. Das Haus der Familie stürzte ein. Nur die Schwiegermutter konnte sich ins Freie retten. Onitha und Suraj überlebten, weil sie bereits am Tempel waren. Fünf Verwandte starben, darunter zwei Kinder. Das Städtchen Sankhu, in dem sie leben, sah nach dem Beben aus wie nach einem Bombenangriff.
    15.000 Rupien, rund 130 Euro, das ist alles, was Sunitha und Suraj an staatlicher Hilfe erhalten haben. Das Paar lebt derzeit am Ortsrand in einem Wellblechverschlag. Zwar hatten internationale Geldgeber im Juni mehr als vier Milliarden Dollar für den Wiederaufbau zugesagt. Aber nicht ein einziger Dollar konnte bisher fließen. Nepal muss dafür eine Wiederaufbau-Behörde einrichten, die das Geld transparent verteilt. Das dafür notwendige Gesetz wurde erst Mitte Dezember im Parlament verabschiedet, mehr als sieben Monate nach den Beben.
    Max Santner, Delegationsleiter des Internationalen Roten Kreuzes in Nepal:
    "Verantwortlich für den Wiederaufbau ist natürlich die Regierung des Landes. Wir als Hilfsorganisationen können das unterstützen. Aber die Hauptverantwortung liegt bei der eigenen Regierung. Und die nehmen wir, gelinde gesagt, nicht wirklich wahr."
    9.000 Menschen starben bei den beiden Erdbeben im April und im Mai. 600.000 Häuser wurden zerstört oder beschädigt. Aber statt schnell eine Wiederaufbauagentur zu gründen, verabschiedeten die Parteien erst einmal – nach jahrelangem Streit – eine neue Verfassung. Doch diese neue Verfassung benachteiligt eine große Minderheit im Süden Nepals. Seit dem Spätsommer kommt es dort zu Ausschreitungen. Wegen der Krise ist die Grenze zu Indien blockiert. Nepal trocknet regelrecht aus, fast alle Güter, Medikamente, Baumaterialien und Benzin inklusive, kommen über Indien ins Land. Auch die Erdbebenhilfe stockt. Max Santner:
    "Das behindert die Hilfsorganisationen, die UN und das Rote Kreuz. Wir stehen sozusagen, und es ist nicht klar, ob sich diese Situation in den nächsten Tagen oder Wochen verbessert."
    Die Lage ist katastrophal, nicht nur für die Erdbebenopfer in Nepal. Onitha und Suraj in Sankhu haben dank der unverhofften Spende aus Deutschland aber wieder Hoffnung geschöpft. Sie wollen auf den Trümmern des zerstörten Familienhauses ein neues Haus bauen. Etwas Wellblech für einen bescheidenen Anfang haben sie schon organisieren können.