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Erdbeben im Himalaya
10.000 Opfer befürchtet

In Nepal bleibt die Lage drei Tage nach dem großen Beben unübersichtlich. Schlechtes Wetter erschwert die Rettungsmaßnahmen. Immer lauter wird die Kritik, die Regierung sei überfordert mit der Situation. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind insgesamt acht Millionen Menschen betroffen.

Von Sandra Petersmann |
    Ein Mann steht vor seinem zerstörten Haus in Kathmandu/Nepal
    Ein Mann steht vor seinem zerstörten Haus in Kathmandu/Nepal (picture alliance / dpa / Sedat Suna)
    Heute Morgen kam der Regen und prasselte auf die Menschen herab. Das schlechte Wetter brachte neue Lawinen aus Schnee, Schlamm und Geröll. Es brachte noch mehr Leid und Zerstörung. Und neue Angst. Der Regen verzögerte auch die Hilfe noch mehr. Auf einem freien Platz in Kathmandu kauern mehrere durchnässte Familien unter einer viel zu kleinen blauen Zeltplane zusammen. Sie haben eine dritte Nacht im Freien hinter sich.
    "Wir wissen einfach nicht, wo wir hinsollen", klagt eine junge Frau und gestikuliert hilflos. „Hier in unserer Nachbarschaft sind alle Häuser kaputt. Wie sollen wir unsere Alten und unsere Kinder schützen? Niemand kümmert sich, keiner sagt uns was. Wir haben Angst vor der Zukunft. Wo sollen wir denn hin? Was sollen wir nur machen?"
    Betroffene kritisieren Regierung
    Nepals Premierminister Sushil Koirala hat lange geschwiegen. Jetzt scheint er die Bevölkerung vorbereiten zu wollen. Nachdem seine Regierung eine dreitägige Staatstrauer verhängt hatte, sprach er in einem Interview davon, dass bis zu 10.000 Opfer möglich seien. Das sei eine schwere Stunde für Nepal. "Wir tun, was in unserer Macht steht", fügte Koirala hinzu. Doch viele Opfer sehen das anders.
    "Wir sind hier circa 100 Leute", sagt ein Mann. "Wir harren seit dem Beben hier aus so gut wir können. Wir leben von unseren Vorräten. Von unserer Regierung haben wir noch nichts gesehen."
    UNO: Acht Millionen Menschen betroffen
    Zwar ist fast die gesamte Armee im Einsatz, aber ihr fehlen Hubschrauber und Bergungsgeräte. Auch die Krisenvorräte an Nahrung und Wasser reichen nicht aus. Am Flughafen geht viel wertvolle Zeit verloren, weil internationale Hilfsgüter nicht schnell genug verladen werden können. Das verschlimmert den Rückstau. Maschinen, die landen wollen, müssen Warteschleifen fliegen, irgendwo anders einen Zwischenstopp einlegen oder ihren Abflug ganz verschieben - wie eine Maschine des Roten Kreuzes aus Deutschland. Die Verzögerung trifft vor allem die arme Landbevölkerung in den abgelegenen Bergdörfern, die auch drei Tage nach dem Beben vom Samstag noch immer keine Hilfe bekommen haben.
    Die in Not geratenen Bergsteiger oberhalb des Basislagers am Mount Everst sind inzwischen alle ins Tal geflogen worden. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind vermutlich bis zu acht Millionen Menschen von dem großen Beben betroffen. Auch im Nachbarland Indien und in Tibet gab es mehrere dutzend Todesopfer.