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Erdbeben in Nepal
"Das alles überlagernde Gefühl hier ist Angst"

Immer wieder erschüttern Nachbeben Nepal. Die Menschen haben Angst, sind traumatisiert. Die Zahl der Toten stieg nach jüngsten Angaben auf mehr als 2.500. Die Behörden rechnen mit zahlreichen weiteren Opfern, da viele Dörfer durch Erdrutsche abgeschnitten sind.

Von Sandra Petersmann |
    Menschen suchen nach dem Erdbeben mit der Stärke 7,9 in der Hauptstadt Nepals nach Verschütteten.
    Menschen suchen nach dem Erdbeben mit der Stärke 7,9 in der Hauptstadt Nepals nach Verschütteten. (picture alliance / dpa - Narendra Shrestha)
    Das Leid der Betroffenen ist unermesslich. Ein junger Mann aus der zerstörten Pilgerstätte Bhaktapur in der Nähe von Kathmandu hat seinen Vater, seinen kleinen Sohn und sein Haus verloren. "Die Erde bebte und hat mir mein Leben geraubt", schildert der sichtlich traumatisierte Mann sein Schicksal. Sein Kind und sein Vater wurden von Trümmern erschlagen. "Sie hatten keine Chance", erzählt der junge Mann. "Es kam alles so plötzlich."
    Am ersten Tag nach dem schweren Beben sind noch längst nicht alle betroffenen Gebiete erreicht. Viele Bergdörfer liegen ganze Tagesmärsche von einer Hauptstraße entfernt in hoch gelegenen, engen Tälern. Ein starkes Nachbeben hat die Zerstörung verschlimmert und die Angst vergrößert, schildert Mark South vom Roten Kreuz in Kathmandu: "Das alles überlagernde Gefühl hier ist Angst. Die Menschen sind geschockt. Die Menschen sind sehr traumatisiert. Sie haben Angst vor neuen Nachbeben."
    Flughafen in Kathmandu mehrere Stunden geschlossen
    Der Flughafen in Kathmandu, über den die internationale Hilfe ins Land kommt, musste nach dem starken Nachbeben am Vormittag für mehrere Stunden geschlossen werden. Verlorene Zeit im Wettlauf gegen die Zeit. Die Betroffenen brauchen dringend Medikamente, Zelte, Decken, Nahrung und Wasser, sagt Rot Kreuz-Helfer South.
    "Hier sind viele tausend Menschen draußen unter freiem Himmel", sagt South. "Es gibt hier in Kathmandu einen großen Park im Zentrum der Stadt, allein dort haben sich vermutlich mehr als 10.000 Menschen versammelt. Aber auch hier: Die Leute haben Angst, sie haben wirklich große Angst."
    Tausende Verletzte werden unter freiem Himmel versorgt
    Doch nicht nur die Nachbeben erschweren den Helfern das Helfen. Auch zerstörte Mobilfunkmasten und der fehlende Strom behindern die Rettungsarbeiten. Das schwere Erdbeben hat die Wasserkraftwerke des Landes getroffen. Den Tankstellen fehlt Treibstoff. Und wenn das Wetter nicht mitspielt, müssen die Rettungshelikopter am Boden bleiben. Doch sie sind unverzichtbar, um die entlegenen Regionen zu erreichen.
    Tausende Verletzte werden unter freiem Himmel versorgt, weil die Krankenhäuser überlastet oder zerstört sind. Nepal ist ein bitterarmes Land. Die Infrastruktur und das Gesundheitssystem stoßen auch in normalen Zeiten an Grenzen.
    Am internationalen Flughafen warten viele Touristen auf ihre Ausreise. "Wir wollen raus, aber wir haben keine Informationen, ob und wann es losgehen kann", sagt eine junge Französin. Derzeit ist Hochsaison. Nach offiziellen Angaben befinden sich rund 300.000 Touristen im Land.