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Erdbeben in Nepal
Schwierige Rettung im Himalaya

Zwei Tage nach dem Erdbeben in Nepal laufen die Rettungsarbeiten nur schleppend an. Menschen werden noch unter den Trümmern vermisst, viele Orte sind nur aus der Luft zu erreichen. Zehntausende Nepalesen harren in Zelten aus und warten auf Hilfe.

Von Sandra Petersmann |
    Eine Straße in Bhaktapur in Nepal ist nach dem Erdbeben nicht mehr passierbar.
    Eine Straße in Bhaktapur in Nepal ist nach dem Erdbeben nicht mehr passierbar. (AFP / Prakash Mathema)
    Der Mann mit dem verletzten rechten Auge hat es geschafft. Er hat das Erdbeben vom Samstagvormittag überlebt. Es waren 60 Sekunden, die sein Leben wie in Zeitraffer verändert haben. Für immer. Er ist aus seinem Bergdorf Richtung Kathmandu gewandert, eineinhalb Tage lang, in der Hoffnung auf Hilfe. "Mein Dorf gibt es nicht mehr", sagt der Mann. Sein Gesicht ist mit blauen Flecken und Schnittwunden übersät. Er steht unter Schock. Irgendjemand hat ihn ins Krankenhaus gebracht. Er liegt auf dem Boden im Flur.
    "Alles ist zusammengebrochen und verschüttet. Ich weiß nicht, wie viele Menschen gestorben sind. Ich habe Glück gehabt. Mein Auge ist kaputt. Ich wünschte, dass meine Familie und meine Freunde hier bei mir wären."
    Draußen, in den kaputten Straßen Kathmandus, hilft ein junger Mann bei den Rettungsarbeiten. Er hilft mit bloßen Händen. Der junge Mann war am Samstag in der Altstadt unterwegs - in der Nähe des eingestürzten Darahara-Turms, der in jedem Nepal-Reiseführer steht und den es jetzt nicht mehr gibt. Vermutlich liegen Menschen unter seinem Schutt begraben.
    "Auf einmal hat alles gewackelt. Dann ist alles zusammengestürzt. Wir hatten alle solche Angst. Ich vermisse zwei meiner Freunde."
    Zwischen Trümmern brennen Scheiterhaufen
    Die Opferzahl ist heute noch einmal deutlich gestiegen. Die Einsatzkräfte haben vor allem Leichen aus den Trümmern geborgen. Zwischen den Trümmern brennen Scheiterhaufen. Hindus und Buddhisten verbrennen ihre Toten in einer Feuerbestattung.
    In einem beschädigten buddhistischen Kloster beten sie für alle Menschen in Not. Ein Mönch in einer roten Robe ist auch zwei Tage nach dem Beben noch voller Staub. "Ich habe gebetet. Jetzt geht es mir gut. Ich habe mich am Tag des Bebens im Kloster in eine Ecke gehockt, ich konnte nicht mehr stehen."
    Die Klosterwände haben Risse, aber sie haben standgehalten. Viele andere Gebäude haben das nicht. Noch konzentrieren sich die Rettungs- und Bergungsarbeiten auf die Hauptstadt, noch immer sind entlegene Regionen von jeder Hilfe abgeschnitten. Es ist schwer zu telefonieren, es gibt zu wenig Treibstoff und kaum Strom. Große Teile des Straßennetzes sind zerstört. Schutt und Gerölllawinen versperren Wege.
    Hilfe aus der Luft dringend benötigt
    Neue Nachbeben, Lawinenabgänge und Steinschläge bleiben eine große Gefahr. Viele Dörfer liegen weit entfernt von Straßen und sind nur zu Fuß zu erreichen - mithilfe von Lasttieren, über schmale Pfade und manchmal auch über Hängebrücken. Jetzt brauchen die Menschen in diesen Dörfern Hilfe aus der Luft, genauso wie die Kletterer und Wanderer aus dem Ausland, die am Mount Everest und an der Annapurna festsitzen.
    Doch es sind nicht genug Helikopter im Einsatz, um allen Betroffenen im Erdbebengebiet gleichzeitig schnell zu helfen. Luftaufnahmen zeigen dramatische Zerstörungen. Die nepalesischen Einsatzkräfte sind von der Dimension der Krise überfordert. Es fehlen Medikamente, Wasser, Geräte - und auch Leichensäcke. Auch die internationalen Helfer stehen vor der Frage, wie sie die Betroffenen in diesen schwer zugänglichen Regionen erreichen können. Viele Erdbebenopfer haben den Wettlauf gegen die Zeit schon verloren. Viele andere werden ihn noch verlieren.