Erdbeben sind in der türkisch-syrischen Grenzregion, wo die anatolische und die arabische Erdplatte aufeinander treffen, nichts ungewöhnliches. Doch das jüngste Erdbeben war mit einer Stärke von 7,8 außerordentlich schwer und hat Zerstörungen katastrophalen Ausmaßes verursacht. Ganze Städte sind dem Erdboden gleich, die Zahl der Toten steigt immer weiter.
Viele Sender öffneten in Anbetracht der Katastrophe am 6. Februar ihre Programme, darunter RTL, Das Erste und das ZDF mit Spezialsendungen. Dort wurden die Zuschauer nicht nur auf den aktuellen Stand der Katastrophe gebracht, sie sahen Ausschnitte der Katastrophe: Bilder von eingestürzten Wohnhäusern, Schutt und Asche, von Rettungskräften und Betroffenen. Doch welche Bilder werden hier gezeigt und welche nicht? Ist es okay die trauernde Eltern eines gestorbenen Kindes zu zeigen, die Reanimation eines Menschen oder gar Leichen? Wie wählen Journalistinnen und Journalisten hier aus - und wo ziehen sie Pietätsgrenzen?
Ethische Standards für die Bildauswahl
Darüber, welche Bilder Medien von Katastrophen und Kriegen zeigen, gibt es immer wieder Diskussionen. Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine etwa war das Ausmaß der Kriegsverbrechen in Butscha durch Fotos sichtbar geworden. Bilder aus dem Kiewer Vorort zeigten im April 2022 unter anderem die Leichen der niedergeschossener Zivilistinnen und Zivilisten. Nicht alle Medien zeigten diese Bilder, manche nur verpixelt oder in Ausschnitten.
Leitlinien zum Umgang mit Bildern von Opfern aus Kriegs und Krisengebieten gibt es unter anderem vom Presserat. So sind im Pressekodex etwa Standards zum Opferschutz und zum Schutz von Angehörigen formuliert und auch für die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen gibt es eine Richtlinie. Diese "findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden." (Pressekodex Leitlinie 11.3). Diese Leitlinien sind allerdings nicht bindend.
Generell gilt, dass Journalistinnen und Journalisten hier bei der Bildauswahl immer zwischen dem Informationsinteresse der Zuschauer und den Interessen von Opfern und Angehörigen abwägen müssen, was gerade in der aktuellen Katastrophenberichterstattung ein schmaler Grat ist.
Katastrophenberichterstattung eine "Grenzsituation" für Redaktionen
Für viele Redaktionen ist die Berichterstattung über die Erdbeben in der Türkei und Syrien eine enorme Herausforderung und eine "Grenzsituation", sagte Stefan Brandenburg im Dlf. Er leitet beim WDR den Programmbereich Aktuelles und den Newsroom. Das läge auch an der "enormen Menge an Programm", die zu bewältigen sei.
Viele Bilder sind aus Sicht von Brandenburg notwendig, um eine Vorstellung von dem zu bekommen, was passiert ist. Wichtigstes Kriterium sei es hierbei aber, die Würde der betroffenen Menschen zu wahren. Früher seien Medien weniger sorgfältig mit Bildern umgegangen, je weiter eine Katastrophe weg war, so der Newsroom-Leiter. Das habe sich aber in den vergangenen Jahren geändert.
Im Falle der Berichterstattung über die Erdbeben in der Türkei und Syrien gebe es dazu noch die Besonderheit, dass es in Deutschland große türkisch- und syrischstämmige Communities gäbe, das Ereignis sei vielen dadurch "nah".