Die Aussagen von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) von gestern wurden unterschiedlich interpretiert. Sie selbst sprach zwar davon, dass Fracking, also die Förderung von Erdgas aus tiefen Gesteinsschichten mittels Chemikalien, grundsätzlich verboten bleibt, allerdings sollen Probebohrungen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt werden.
Der Wirtschafts- und Energieminister von Nordrhein-Westfalen, Garrelt Duin (SPD), begrüßt diese Entscheidung: "Es soll natürlich verboten bleiben, weil wir zur Zeit nur eine Technologie kennen, die die Umwelt, die das Wasser stark gefährdet, weil dort giftige Chemikalien zum Einsatz kommen." Wenn aber eine Gefährdung der Umwelt ausgeschlossen sei, könne Erdgas auch auf diese Weise gefördert werden. Allerdings dürfe man das nicht zum Allheilmittel erklären wie in Amerika.
Duin bezeichnete Fracking als nur einen von mehreren Bausteinen zur Energieversorgung in Deutschland. Wenn es zu wenig Sonne und zu wenig Wind gebe, müsse man auf Kapazitäten aus Braunkohle, Steinkohle und Gas zurückgreifen. Der NRW-Wirtschaftsminister sprach sich für das Feuerwehrprinzip aus: "Wenn wir die Versorgungssicherheit sicherstellen wollen, dann müssen wir Kraftwerksbetreiber auch dafür entlohnen, dass sie die Leistung vorhalten." Duin sagte, wenn man die Marktbedingungen nicht ändere, werde sich auch am Kraftwerkspark nichts ändern. Es gehe darum, Investitionssicherheit zu schaffen für die Unternehmen, die für sicheren Strom sorgten.
Lesen Sie hier das vollständige Interview mit Garrelt Duin:
Jasper Barenberg: Unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien tief in den Boden pressen, um so Schiefergestein aufzuspalten und darin enthaltenes Erdgas zu fördern - für die einen die Aussicht auf eine lukrative Form der Energiegewinnung - siehe USA. Für die meisten Menschen in Deutschland aber eine bedenkliche Technologie, weil die chemischen Zusätze das Grundwasser verunreinigen könnten. Umweltministerin Barbara Hendricks spricht deshalb auch von einem geplanten Verbot und öffnet gleichzeitig doch eine kleine Hintertür:
O-Ton Barbara Hendricks: "Es ist natürlich nicht vollkommen ausgeschlossen, dass es irgendwann soweit kommt. Zu diesem Zweck gibt es ja auch wissenschaftlich fundierte Probebohrungen. Also wenn es in - keine Ahnung wie langer Zeit - tatsächlich wissenschaftlich nachgewiesen wäre, dass es absolut unschädlich wäre, dann könnte man es auf Dauer nicht verbieten."
Barenberg: Barbara Hendricks gestern hier bei uns im Deutschlandfunk. Und am Telefon begrüße ich den Wirtschafts- und Energieminister von Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen, Garrelt Duin.
Garrelt Duin: Schönen guten Morgen.
Barenberg: Ich habe es, ehrlich gesagt, noch nicht ganz verstanden. Soll das Fracking nun verboten werden, oder im Gegenteil ermöglicht?
"Fracking soll natürlich verboten bleiben"
Duin: Es soll natürlich verboten bleiben, weil wir zurzeit nur eine Technologie kennen, die die Umwelt, die das Wasser stark gefährdet, weil dort giftige Chemikalien zum Einsatz kommen, und deswegen, denke ich, ist auch in Berlin verstanden worden, dass man das zurzeit in Deutschland nicht möchte. Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine ganz klare Regelung, wir haben ein Moratorium. Das heißt, es darf nicht einmal gebohrt werden, wenn man nicht ausschließt, dass künftig gefrackt wird. Diese Linie ist meines Erachtens jetzt auch in Berlin verstanden worden. Gleichwohl hat Frau Hendricks natürlich Recht: Wenn irgendwann eine Gefährdung von Mensch und Umwelt, insbesondere eine Gefährdung des Trinkwassers ausgeschlossen werden kann, dann kann man vielleicht auch darüber nachdenken, dass unkonventionelles Erdgas gefördert wird. Wir haben ja nichts gegen Erdgasförderung; wir haben etwas gegen die Gefährdung der Umwelt, und die muss definitiv ausgeschlossen sein.
Barenberg: Sie sprechen von dem unbefristeten Moratorium in Nordrhein-Westfalen. Warum hat die Landesregierung dann Konzessionen an eine ganze Reihe von Konzernen vergeben und gerade um drei Jahre verlängert?
Duin: Es geht nicht um Konzessionen, sondern es geht darum, dass schon in der Vergangenheit ja Claims abgesteckt worden sind. Das heißt, Unternehmen haben sich den Zugriff auf bestimmte Flächen gesichert. Das ist aber nicht dasselbe wie eine bergrechtliche Genehmigung. Das heißt, die haben zwar Zugriff auf diese Flächen, dürfen aber nicht bohren, geschweige denn, dass sie fracken dürfen. Insofern sind das zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Man muss immer wieder deutlich machen: Das Fracking nach derzeitigem Stand der Technik ist weder in Nordrhein-Westfalen, noch an anderen Stellen in irgendeiner Weise möglich und das wollen wir auch nicht. Erst dann, wenn klar ist, es müssen keine giftigen Chemikalien mehr eingesetzt werden, dann kann man unter wissenschaftlicher Führung darüber nachdenken, ob dieses Verbot, was wir zurzeit haben, in irgendeiner Weise gelockert werden kann. Aber da sind wir sicherlich noch überhaupt nicht zeitlich.
Barenberg: Sie haben nichtsdestotrotz diese Vereinbarung mit den Konzernen getroffen. Ich mutmaße aus Sicht der Konzerne, nicht ohne Grund und Aussicht auf mögliche gute Geschäfte. Die Bundesregierung ihrerseits will ja jetzt diese Expertenkommission einsetzen. Ist das nicht auch ein Signal in die Richtung, es könnte sinnvoll, es könnte lukrativ, es könnte möglich sein in der Zukunft?
Duin: Ich habe nichts gegen Expertenkommissionen, wenn sie uns Erkenntnisse liefern. Aber ich finde nicht, dass Expertenkommissionen Genehmigungen erteilen dürfen. Das müssen wir klar trennen. Auch wir in Nordrhein-Westfalen sitzen mit Experten zusammen, um die vielen offenen Fragen, die in jedem Gutachten, das dazu existiert, gestellt werden, schrittweise zu lösen. Aber wir würden niemals auf die Idee kommen, eine Expertenkommission für die Genehmigung zuständig zu erklären. Wir haben eine Bergbehörde, das ist Ländersache. Diese Bergbehörde muss dafür zuständig bleiben. Die kann die Gefahren für Mensch und Umwelt am besten einschätzen und das darf man nicht delegieren in kleine Kreise, die dann ohne Einspruchsmöglichkeiten möglicherweise solche Entscheidungen treffen können.
Barenberg: Und das halten Sie für gewährleistet in dem Gesetz, was jetzt geplant ist?
Duin: Wir werden uns das im Detail noch mal angucken, weil mir das, was die Expertenkommission machen darf, auf den ersten Blick ein bisschen zu weit geht. Ich möchte gerne die Zuständigkeit bei meiner Bergbehörde hier belassen. Die muss am Ende nach Recht und Gesetz über solche Dinge entscheiden dürfen.
Barenberg: Wie hoch schätzen Sie eigentlich das Potenzial für diese Art von Erdgasförderung in Nordrhein-Westfalen beispielsweise ein?
"Bedarf für rund 24 Jahre decken"
Duin: Die Gutachten gehen davon aus, dass, wenn man alles ausnutzen würde, der Bedarf für rund 24 Jahre gedeckt werden könnte. Aber das ist auch noch ein Teil der Spekulation. Deswegen sind wir überhaupt noch nicht so weit, dort über irgendwelche Genehmigungen zu sprechen. Das kann nur ein weiterer Baustein, ein Mosaik sein zur Energieversorgung in Deutschland. Wir sollten nicht den Fehler machen wie in Nordamerika, das jetzt zum Allheilmittel zu erklären.
Barenberg: Aber ein Baustein ist es für Sie schon. Andere sagen ja, nach der Energiewende heißt die Regel Kohle, Öl, Gas, die haben nur noch Platz als Auslaufmodelle.
Duin: Na ja. Wir werden natürlich den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter vorantreiben, auch in Nordrhein-Westfalen ganz entschieden. Aber wenn wir jetzt rausgucken, scheint die Sonne noch nicht. Wind haben wir auch nicht in regelmäßigen Zeiträumen. Deswegen braucht man so eine Backup-Kapazität. Das heißt, man braucht dann, wenn Wind und Sonne nicht zur Verfügung stehen, natürlich auch ausreichend konventionelle Kraftwerke, die über Braunkohle, Steinkohle, Gas entsprechend für Energie sorgen. Daran führt meines Erachtens gar kein Weg vorbei, weil wir auch in der Speichertechnologie noch nicht so weit sind, dass wir darauf verzichten könnten.
Barenberg: Deshalb finden Sie es großartig, dass Ihre Ministerpräsidentin jetzt quasi ihrerseits noch mal eine Garantie ausgesprochen hat, dass auch in Nordrhein-Westfalen für die nächsten Jahrzehnte noch die Kohlekraftwerke stehen sollen, also auch die dreckigsten und ältesten unter ihnen.
Duin: Wir haben hier klare Maßgaben, nämlich dass wir neben dem Klimaschutz gleichwertig das Thema der Bezahlbarkeit und das Thema der Versorgungssicherheit sicherstellen wollen, und Versorgungssicherheit heißt, dass, wenn alle Atomkraftwerke vom Netz sind, wir schon mal von den jetzt rund etwas über 90 Gigawatt, die wir in Deutschland haben, nur noch rund 80 haben. Wenn wir dann noch weitere Kraftwerke quasi durch staatliche Verordnung stilllegen würden, dann hätten wir ein riesiges Problem mit der Versorgungssicherheit. Das würde uns nicht nur als Bürgerinnen und Bürger betreffen, weil ab und zu mal der Strom ausfällt, sondern das wäre natürlich insbesondere für den Industriestandort ein ganz, ganz schlechtes Zeichen. Wir sind ja stolz auf unseren hohen Grat an Versorgungssicherheit. Wenn man also zwangsweise beispielsweise Kohlekraftwerke vom Netz nehmen würde, wäre diese Versorgungssicherheit nicht mehr sichergestellt, und ich finde nicht, dass wir das tun sollten.
Barenberg: Sie reden von gleichwertigen Zielen: Klimaschutz, Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit. Auf der anderen Seite ist doch unter Fachleuten unumstritten, dass wenn wir die Klimaziele der Bundesregierung erreichen wollen, dann geht das gar nicht anders, als dass 15 bis 20 der ältesten und schmutzigsten Meiler vom Netz gehen.
Duin: Ich finde, dass in dieser Debatte zu einseitig auf die Stromerzeugung geguckt wird. Wir haben ein ganz anderes Feld noch überhaupt nicht ausreichend in den Blick genommen: Das ist das ganze Thema Wärme. Dort wird am meisten Energie verpulvert in Deutschland. Wir müssten also viel stärkere Investitionen und auch private Tätigkeiten ermöglichen im Bereich zum Beispiel der Gebäudesanierung. Da wäre der Bund gefordert, zum Beispiel durch steuerliche Anreize für die Gebäudesanierung entsprechende Signale zu setzen. Natürlich wollen wir die Klimaschutzziele erreichen, aber das kann nicht alleine durch das Abschalten von Kraftwerken erzielt werden, das kann nicht alleine auf dem Rücken der Stromerzeugung ausgetragen werden, sondern wir haben im Bereich des Verkehrs und im Bereich der Wärme und dort insbesondere der Gebäude noch ein riesiges Potenzial, was überhaupt nicht ausgeschöpft wird.
Barenberg: Die Bundesumweltministerin bastelt ja gerade an einem Gesamtpaket und ich habe das bisher nicht so verstanden, dass da die Kohle alleine in Vorleistung treten soll, sondern dass jeder Bereich seinen Beitrag leisten soll: der Verkehr, die Gebäudesanierung und eben auch die Kohle. Warum soll die jetzt ausgerechnet geschont werden?
"Effiziente Gaskraftwerke werden abgeschaltet"
Duin: Ich habe schon über die Versorgungssicherheit gesprochen, und wenn wir dort einen anderen Mix haben wollen, wenn wir auch modernere Kraftwerke haben wollen, dann muss man diese Debatte mit einer anderen verbinden, nämlich der Frage, wie finanziert sich eigentlich künftig ein modernes Kraftwerk. Wir haben zurzeit ja die Situation, dass hochmoderne, sehr effiziente Gaskraftwerke abgeschaltet werden, weil mit denen nicht mal mehr eine schwarze Null im finanziellen Sinne erzielt werden kann.
Barenberg: Und wenn ich da unterbrechen darf, Herr Duin: Das bleibt ja auch so, solange abgeschriebene und Geld druckende alte Kohlekraftwerke am Netz bleiben.
Duin: Weil sie natürlich die günstigsten sind und wir ja auch die Bezahlbarkeit sicherstellen wollen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir mal, wie wir das nennen, dieses Feuerwehrprinzip einführen in den Strommarkt. Das heißt nämlich, dass man auch dann dafür bezahlt wird, wenn man nicht im Einsatz ist, und das ist zurzeit nicht der Fall. Aber wenn wir die Versorgungssicherheit sicherstellen wollen, dann müssen wir Kraftwerksbetreiber auch dafür entlohnen, dass sie die Leistung vorhalten, auch wenn man vielleicht nicht die achteinhalbtausend Stunden im Jahr komplett braucht, sondern vielleicht nur 1.000 oder 2.000 Stunden. Aber zurzeit investiert niemand in diese modernen Gaskraftwerke, weil es sich schlichtweg nicht rechnet. Also müssen wir, wenn wir die Ziele, die Sie gerade benannt haben, erreichen wollen, auch an dieser Stelle entsprechende Veränderungen vornehmen, und das ist, glaube ich, eine Diskussion, die wir noch viel zu wenig geführt haben. Wenn wir die Marktbedingungen nicht ändern, wird sich auch an dem Kraftwerkspark nichts ändern.
Barenberg: Und mit Marktbedingungen meinen Sie, dass die Kohleindustrie für den Moment geschont wird und im Gegenteil noch Geld bekommt dafür, da sie bestimmte Kapazitäten vorhält. Klingt wie ein gutes Geschäft für die Kohleindustrie.
Duin: Na ja. Wenn man sich die finanzielle Situation der einzelnen Unternehmen anguckt, kann, glaube ich, von guten Geschäften zurzeit nicht wirklich die Rede sein. Das zeigen die Bilanzen sehr eindeutig. Es geht auch nicht darum, dass man hier irgendeine Subventionierung installiert zum Erhalt einer längst überholten Technologie, sondern es geht darum, dass man Investitionssicherheit schafft für diejenigen, die unsere Versorgungssicherheit sicherstellen und die gleichzeitig dafür sorgen, dass Strom für Industrie, aber auch für Bürgerinnen und Bürger überhaupt noch bezahlbar bleibt. Das wird anders nicht funktionieren, als dass wir diesen ganzen Mix vorhalten, inklusive eben auch der Kohlekraftwerke, noch für einen ziemlich langen Zeitraum.
Barenberg: Sagt der Sozialdemokrat Garrelt Duin, Wirtschafts- und Energieminister in Nordrhein-Westfalen. Danke für das Gespräch heute Morgen.
Duin: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.