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Erdölreserven im Iran
Tanken an der Quelle

Der Iran besitzt nach Saudi-Arabien die größten Erdölreserven weltweit. Bei der Verarbeitung zu Benzin kann das Land aber mit seinen Konkurrenten nicht mithalten. Durch die Sanktionen gegen das iranische Regime sind die Raffinerien veraltet.

Von Christian Buttkereit |
    Zahlreiche Autos stehen am 03.10.2016 an einer Tankstelle in Teheran (Iran). Der Iran verfügt über enorme Ölvorkommen. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa | Verwendung weltweit
    Der Iran verfügt über ausreichend Benzin. (dpa)
    Der Iran besitzt nach Saudi-Arabien die größten Erdölreserven weltweit. Bei der Verarbeitung zu Benzin kann das Land aber mit seinen Konkurrenten nicht mithalten. Durch die Sanktionen gegen das Regime sind die Raffinerien veraltet.
    Ein ganz normaler Wochentag, 17 Uhr, Rushhour in Teheran. Der Großraum mit seinen 20 Millionen Einwohnern ist in Bewegung beziehungsweise steht im Stau. Trotz 5.000 Stadtbussen, 4.000 Minibussen, einem U-Bahnnetz und 30.000 Taxis nimmt der Individualverkehr immer weiter zu.
    Im Jahr 2016 wurden 1,1 Millionen Autos neu zugelassen. Sie alle müssen mehr oder weniger häufig an einen Ort, der in Teheran mitunter gar nicht so einfach zu finden ist: die Tankstelle. Der Baugrund im Zentrum ist knapp und teuer. Eine Tankstelle braucht aber relativ viel Fläche und man kann nicht in die Höhe bauen. Eine Tankstelle im Zentrum kann sich einfach nicht rentieren, meint Abbas, Mitte 40, in Jeans und Polohemd:
    "Der Profit ist gering im Verhältnis zu den notwendigen Investitionen, der harten Arbeit und all dem anderen Aufwand, den wir betreiben müssen."
    Überlebenskit für den Pkw
    Abbas Tankstelle liegt deshalb etwas weiter außerhalb des Zentrums, im Norden Teherans. Klar ist sie jeden Tag rund um die Uhr geöffnet, das erwarten die Kunden. Die Faustregel heißt: Je mehr Autos kommen, desto höher der Profit. Deshalb hat Abbas kräftig investiert:
    "Wir haben hier 42 Zapfpistolen, jeweils eine Hälfte für Normalbenzin und die andere Hälfte für Super."
    Um die 1.500 bis 2.000 Kunden täglich kümmern sich 30 Mitarbeiter. Dabei tanken die meisten Iraner inzwischen gerne selbst – insgesamt allein an Abbas' Tankstelle bis zu 120.000 Liter am Tag. Wer will, kann sich auch bedienen lassen. Bei Frauen, die in Großstädten wie Teheran immer häufiger selbst hinter dem Steuer sitzen, sei das selbstverständlich, sagt Abbas. Aber einmal habe er bei einem Kollegen sogar gesehen, dass Frauen in der Waschanlage arbeiteten. Er könne sich das für seine Tankstelle nicht vorstellen.
    An Zapfsäule Nummer 8 bringt Taxifahrer Korosh gerade seinen betagten Paykan zum Laufen. Das iranische Lizenzprodukt einer britischen Mittelklasselimousine aus den 60ern prägt das Straßenbild zwar nicht mehr so stark wie noch vor wenigen Jahren. Dennoch erfreuen sich diese Fossile des Autobaus immer noch großer Beliebtheit, vor allem aufgrund ihrer Reparaturfreundlichkeit. Einiges könne er selbst erledigen, sagt Korosh. Bei längeren Touren habe er stets das Nötigste dabei.
    "Ich nehme einen Satz Werkzeug und Ersatzteile mit, wie zum Beispiel Zündverteiler, Luftfilter und so weiter. Eigentlich kleine Teile. Auch wenn größere Pannen passieren, kann man schon leicht eine Werkstatt finden."
    Iranische Autofahrer tanken ihre Fahrzeuge an einer Tankstelle in Teheran
    Im Jahr 2016 wurden rund 1,1 Millionen Autos neu zugelassen und sie alle müssen betankt werden (AFP / Atta Kenare)
    Das Korosh's Paykan zu den letzten Modellen des bis 2005 gebauten Wagens gehört, sieht man ihm nicht an. Auch die Verbrauchswerte sind alles andere als zeitgemäß.
    "Der Verbrauch von Paykan ist im Vergleich zu anderen Autos ziemlich hoch. In der Stadt kann man den Verbrauch ja schlecht messen. Wenn er aber gut eingestellt ist, verbraucht er auf der Landstraße zwischen 13 und 14 Liter."
    Nicht wenig für ein 73 PS Auto. Korosh ist deshalb ein guter Kunde bei Abbas Tankstelle im Norden Teherans. So richtig viel Geld lässt er dort trotzdem nicht. 10.000 Rial kostet der Liter bleifreies Normalbenzin. Nach dem offiziellen Kurs sind das 25 Eurocent. Legt man den inoffiziellen aber handelsüblichen Kurs zugrunde sind es nur noch 10 Cent pro Liter. Selbst bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von umgerechnet 600 Euro ist das nicht viel. Super kostet etwa drei Cent mehr, erklärt Abbas:
    "Die meisten Fahrer tanken Normalbenzin. Viele sind gewohnt, Normal zu tanken. Und manche Autohersteller geben an, dass es für die Leistung des Motors keinen Unterschied macht, wenn man Normal tankt."
    Zu wenig Platz für neue Tankstellen
    Reich wird Abbas bei diesen Spritpreisen nicht. So wie der Verkaufspreis wird auch seine Gewinnspanne staatlich festgelegt. Zurzeit ist es ein halber Eurocent je Liter. Zusatzeinnahmen etwa durch einen Supermarkt oder ein Restaurant, wie es das bei Tankstellen auf dem Lande gibt, wären nicht schlecht, doch dafür fehlt ihm der Platz.
    Nachfolger des betagten Paykan ist der Samand, ebenfalls "Made in Iran". Inzwischen mit 100 PS und 189 km/h Spitze. Ein Auto, das für iranische Verhältnisse nicht nur modern aussieht, sondern auch mit seinem Fahrer spricht und ihn auffordert, den Ölstand zu kontrollieren oder auf eine geöffnete Tür hinweist.
    Auch der Verbrauch des Samand ist etwas gemäßigter. Aber das macht eben nur einen geringen Teil der Kosten eines Taxis aus, beklagt sich sein Fahrer Arian:
    "Mit dem Auto bin ich zufrieden, aber als Taxi sind die Unterhaltungskosten sehr hoch. Etwa das fünf- bis sechsfache eines Paykan."
    Rein gefühlt scheint der Tankvorgang an den schon etwas älteren Zapfsäulen sehr lange zu dauern. Ungeduld macht sich lärmend Luft.
    Ein Eindruck, den Abbas bestätigt.
    "Das Tanken und bezahlen dauert durchschnittlich etwa 20 Minuten, da bildet sich schon mal eine Schlange. Natürlich möchte jeder möglichst schnell tanken und dann gleich bezahlen."
    Und dann muss er lachen:
    "Es ist nicht so, dass wir Iraner kein Benehmen hätten."
    Ausreichende Ölreserven
    Die heutigen Schlangen sind nichts gegen die Probleme der vergangenen Jahre. Bis 2015 war Benzin limitiert – 60 Liter pro Woche. Eine Ausnahme gab es kürzlich, Ende Mai. Autofahrer berichteten in sozialen Netzwerken von kilometerlangen Schlangen vor den Tankstellen:
    "Unglaublich, es ist der 24. Mai und dies ist die Schlange vor einer Tankstelle in der Lale-Street in Isfahan während des Streiks der LKW-Fahrer."
    "Seht Euch diese Schlange vor der Tankstelle hier in Shiraz an. Sie ist mehr als einen Kilometer lang. Die Leute wollen tanken, doch der Tankstelle ist selbst das Benzin ausgegangen."
    Blick auf die Raffinerie in Abadan im ältesten Erdölhafen am Persischen Golf, Hauptsitz der iranischen Erdölindustrie. (Aufnahme Ende der 1970er-Jahre).
    Ölraffinerie in Abadan am Persischen Golf, Hauptsitz der iranischen Erdölindustrie (Aufnahme Ende der 1970er-Jahre) (picture alliance / dpa / Sora Mummenday )
    Generell verfügt der Iran als derzeit weltweit sechstgrößte Erdölfördernation über ausreichend Benzin. Wenn in einem Jahr die neue Raffinerie in Bandar Abbas am Persischen Golf in Betrieb geht, wird das Land all seine täglich benötigten 80 Millionen Liter selbst herstellen können. Grund für die Knappheit im Mai war ein mehrwöchiger Streik der Lkw-Fahrer für bessere Arbeits- und Einkommensbedingungen.
    In Teheran sei das nicht so sehr zu spüren gewesen, sagt Tankstellenbesitzer Abbas. Und dann gibt es da noch etwas, von dem Abbas nicht so richtig weiß, was er davon halten soll:
    "Hier im Iran haben wir kleine Tankfahrzeuge, die zu den Kunden fahren. Die Autofahrer können anrufen und dann kommt das Benzin zu ihnen. So müssen sie nicht ihre Zeit beim Warten in der Schlange vergeuden."
    Der Sprit kostet dann auch nicht mehr als an der Tankstelle. Doch die Anfahrt wird nach Entfernung berechnet. Deshalb bleibt der Vor-Ort-Service ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann. Wahrscheinlich besser so. Ansonsten würden auch noch die Tankfahrzeuge die Teheraner Straßen verstopfen.