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Erdogans Besuch bei Putin
Neue Freundschaft mit klaren Verhältnissen

Der Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs ist verziehen, Russland und die Türkei nähern sich mit einem Treffen der Präsidenten Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan wieder an. Nach Ansicht von Experten will Putin einen Keil zwischen die Türkei und den Westen treiben - doch beide Länder trenne zuviel, um eine Allianz gegen Europa zu bilden.

    Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan stehen im September 2015 im Kreml und reichen sich die Hände.
    Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan im September 2015 im Kreml. (dpa / RIA Novosti)
    Ende 2015 waren die Beziehungen beider Länder an einem Tiefpunkt angelangt. Die Türkei - ein NATO-Mitglied - hatte am 24. November 2015 ein russisches Kampfflugzeug im Grenzgebiet zu Syrien abgeschossen. Russlands Präsident Wladimir Putin bezichtigte die Türkei gar, die Terroristen des sogenannten Islamischen Staats zu unterstützen und verhängt zahlreiche Sanktionen, vor allem im Tourismus.
    Nun scheint all das vergessen. "Wir werden alle Verbote und Beschränkungen unsererseits aufheben", sagte Putin vor dem Treffen mit seinem türkischen Amtsklollegen Recep Tayyip Erdogan, das am Dienstag in Sankt Petersburg ansteht. Erdogan wolle mit seinem "Freund Wladimir" den Streit nun endgültig beilegen, wie er der russischen Nachrichtenagentur Tass sagte. Auch dank eines Briefs des Bedauerns von Erdogan sei zwischen beiden Staatschefs die große Freundschaft ausgebrochen, berichtet Hermann Krause im Deutschlandfunk.
    Experte: Putin will EU und NATO schwächen
    Das Verhältnis zwischen Russland und Europa ist vor allem angesichts des Konflikts im Osten der Ukraine seit langem angespannt. Der Graben zwischen der Türkei und der EU vergrößert sich derweil angesichts eines möglichen Scheiterns des Flüchtlingsabkommen, einem möglichen Ende der Beitrittsverhandlungen zur EU und dem autokratischen Umbaus des Staates durch Erdogan nach dem gescheiterten Putschversuch ebenfalls.
    Nach Ansicht des Historikers Michael Wolffsohn will Putin einen Keil zwischen die Türkei und den Westen treiben. Durch die Annäherung wolle Putin "natürlich" die EU und die Nato schwächen, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Allerdings hält Wolffsohn den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht für einen langfristig verlässlichen Partner für Moskau. Der türkische Staatschef fahre eine "Zick-Zack-Linie", urteilte Wolffsohn. "Bei Erdogan ist nichts dauerhaft, nur das Ziel, seine persönliche Macht zu erhalten und auszubauen." Putin hingegen habe eine klare Strategie.
    Beide Länder fühlen sich ungerecht behandelt
    Beide Länder verbinde das Gefühl, vom Westen ungerecht behandelt und kritisiert zu werden, sagte der Nahostexperte Udo Steinbach im Deutschlandfunk. Dennoch habe es immer Differenzen gegeben, trennend sei beispielsweise die Position gegenüber Syrien. Die Türkei wolle, dass Machthaber Assad abtrete. Russland halte aber an ihm fest.
    Zudem sind die Machtverhältnisse zwischen beiden Ländern klar, die Abhängigkeit der Türkei von russischen Touristen, Energielieferungen und Investitionen ist groß. Die Pipeline "Turkish Stream" zum Transit russischen Erdgases durch das Schwarze Meer nach Südeuropa und der Bau des Atomkraftwerks Akkuyu, durch Russland an der Südküste der Türkei sind zurzeit die größten Projekte.
    "Festival der Autokraten" befürchtet
    Europapolitiker sehen die Annäherung natürlich mit großer Skepsis, berichtet Sebastian Schöbel im Deutschlandfunk. Elmar Brok von der CDU befürchtet ein "Festival der Autokraten", Jo Leinen von der SPD eine "putinisierte Türkei". Ein gemeinschaftliches Gegengewicht aus der Türkei und Russland zu Europa ist allerdings noch ein ganzes Stück entfernt.
    Ein Ende der Eiszeit zwischen Russland und der Türkei sei für die EU sogar von Vorteil, sagte der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), im Deutschlandfunk. Die jetzige Situation behindere den Fortschritt bei der Lösung von Konflikten, zum Beispiel in Syrien oder im Kaukasus. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verwies auf die großen Investitionen der europäischen Wirtschaft in die Türkei und sagte: "Einseitige Abhängigkeit sieht anders aus."
    (nch/hg)