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Erdüberlastungstag
"Fordern Reduktion des absoluten Ressourcenverbrauchs"

Ab heute verbrauchen wir in 2015 mehr Rohstoffe, als die Natur in einem Jahr liefert. Nichtregierungsorganisationen mahnen an diesem Erdüberlastungstag unseren Ressourcenumgang an. Wir könnten beispielsweise unsere Ernährung hinterfragen oder mehr auf umweltfreundliche Fortbewegungsmittel setzen, sagte Julia Otten von Germanwatch.

Julia Otten im Gespräch mit Susanne Kuhlmann |
    Zu sehen ist ein Schild des entwicklungspolitischen Netzwerks Inkota mit der Aufschrift "Wir haben nur eine Erde!". Unter dem Motto "Ab heute leben wir auf Pump" haben Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten am Dienstag (20.08.2013) vor dem Bundeskanzleramt in Berlin auf den globalen Erdüberlastungstag aufmerksam gemacht. Das sogenannte Global Foodprint Netzwerk berechnet jedes Jahr den Ökologischen Fußabdruck der Menschheit.
    Der Erdüberlastungstag variiert von Jahr zu Jahr . An diesem Tag sind die gesamten natürlichen und erneuerbaren Ressourcen wie Wasser, Brennmaterial, Bauholz und Getreide für das jeweilige Jahr aufgebraucht. (imago/epd)
    Susanne Kuhlmann: Fisch, Wald, Flächen zum Beackern und zum Bebauen - bis heute, also nach achteinhalb Monaten, haben wir so viel davon beansprucht, wie die Natur in einem Jahr bereitstellen kann. Ab jetzt leben wir also auf Pump. Wie viel Fläche, Ackerland und Lebewesen benötigen wir fürs Leben und wirtschaften? Wie viel kann die Natur neu aufbauen und wie viel Abfall und Emissionen verkraftet sie? Das berechnet das Global Footprint Network jedes Jahr und errechnet daraus, auf welches Datum der Erdüberlastungstag fällt. - Am Telefon in Berlin ist Julia Otten von der Umweltorganisation Germanwatch. Guten Tag, Frau Otten.
    Julia Otten: Hallo! Guten Tag.
    Kuhlmann: Wenn wir das Bild vom ökologischen Fußabdruck aufgreifen, in welchem Bereich ist der denn bei uns am größten?
    Otten: Der Erdüberlastungstag ist in diesem Jahr sogar sechs Tage früher als 2014, und das liegt, wenn man sich den Fußabdruck Deutschlands anschaut, vor allem an dem vergleichsweise hohen CO2-Ausstoß in den Bereichen Energie, Verkehr, Landwirtschaft und dem hohen Verbrauch an Ressourcen für die Landwirtschaft, besonders für die Fleischproduktion. Die Weltbevölkerung wächst ja. Wir müssen daher unseren Flächenverbrauch dringend reduzieren. Vor allem aber müssen wir diese globalen Umweltgrenzen konsequent in die deutsche Wirtschafts- und Rohstoffpolitik einbeziehen. Das heißt, die Bundesregierung setzt derzeit vor allem viel auf Ressourcen-Effizienz in ihren Programmen und Maßnahmen. Das ist wichtig, reicht aber aus unserer Sicht nicht aus. Wir brauchen verbindliche Maßnahmen und Ziele zur Reduktion des absoluten Ressourcenverbrauchs.
    Kuhlmann: Wald, Weideland, Fischgründe und bebaute Flächen - auch hier verbrauchen wir mehr als in all diesen Bereichen in einem Jahr nachwachsen kann. Wie stehen wir denn mit unserem Lebensstil im europäischen und vor allem weltweiten Vergleich dar?
    Otten: Die Weltbevölkerung insgesamt verbraucht derzeit 1,5 Erden, um den Bedarf zu decken. Würden alle Länder weltweit so wirtschaften und leben, wie wir das in Deutschland machen, wären sogar mehr als zweieinhalb Planeten notwendig. Als Vergleich: China verbraucht ungefähr 1,4 Erden, Indien 0,5, also eine halbe Erde, die USA 3,9, relativ weit vorne und viel, Tansania ungefähr 0,7, und das zeigt uns einfach, dass Deutschland hier sehr weit vorne im obersten Viertel aller Länder weltweit liegt.
    Kuhlmann: Viele Länder sind ja noch in der Entwicklung begriffen. Die Situation dort könnte sich also ändern. Kann dieser Erdüberlastungstag denn eigentlich mehr bewirken, als uns einmal im Jahr aufzurütteln?
    Otten: Wir haben gerade eine Aktion in Berlin gemacht vor dem Bundeskanzleramt, die natürlich aufrütteln soll. Wir haben die Erde als Trinkpäckchen dargestellt unter dem Motto "leer - die nächste bitte". Das ist natürlich provokant gemeint. Aber es ist für uns ein ganz wichtiger Anlass, um mit der Forderung nach einer Reduktion des absoluten Ressourcen-Verbrauchs gehört zu werden. Wir machen das in einem breiten Bündnis mit der Bundjugend des Naju, vielen Verbindungen und anderen NGOs, und ich denke, die Parlamentarier(innen) und Entscheidungsträger(innen) aus dem Wirtschaftsministerium und der Bundesregierung nehmen diese Forderung wahr und ernst, je breiter wir es schaffen, sie in die Öffentlichkeit und in den Medien zu diskutieren.
    Kuhlmann: Können auch Einzelne etwas dazu beitragen?
    Otten: Ja klar. Das ist auch wichtig. Das betrifft ja unseren Lebensstil insgesamt, dass wir uns fragen, wie ernähren wir uns eigentlich, wie kann man da den Flächenverbrauch reduzieren. Das heißt, insbesondere, wie viel Fleisch essen wir in der Woche, wie bewegen wir uns eigentlich fort, wie können wir uns umweltfreundlich fortbewegen, können wir weniger fliegen und so weiter.
    Kuhlmann: Wir leben über unsere Verhältnisse, was den Verbrauch von Ressourcen und die Emissionen und Abfälle betrifft. Zum Erdüberlastungstag war das ein Gespräch mit Julia Otten von Germanwatch. Vielen Dank nach Berlin.
    Otten: Danke schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.