Georg Ehring: Die Weltgemeinschaft will die Erwärmung der Erdatmosphäre in Grenzen halten. Um deutlich weniger als zwei Grad dürfen die Temperaturen steigen, wenn möglich sogar um weniger als 1,5 Grad. Das ist der Kern des Pariser Abkommens von Ende 2015.
Wenn diese Grenzen eingehalten werden sollen, dann ist die Menge an Treibhausgasen wie CO2 begrenzt, die wir noch in die Erdatmosphäre entlassen dürfen. Aus Anlass des heute für Deutschland errechneten Erdüberlastungstages wollen wir uns die Konsequenzen daraus für unser Land einmal genauer anschauen.
Professor Niklas Höhne befasst sich beim New Climate Institute in Köln mit den CO2-Budgets, die den einzelnen Staaten mit Blick auf diese Ziele noch zur Verfügung stehen. Guten Tag, Herr Höhne!
Niklas Höhne: Hallo, Herr Ehring.
Ehring: Herr Höhne, Deutschland hat im vergangenen Jahr etwa 866 Millionen Tonnen Treibhausgase emittiert. Wieviel dürfen es denn langfristig sein?
Höhne: Langfristig müssen wir auf null Emissionen kommen. Unser Budget ist quasi jetzt schon aufgebraucht. Vor ein paar Jahren oder vor zehn Jahren dachte man noch, ungefähr eine Tonne pro Kopf ist das nachhaltige Niveau. Da wären wir nach einem Monat im Jahr schon so weit. Jetzt hat sich die Situation aber geändert. Der Klimawandel schreitet schneller voran, als wir es gedacht haben, und in den letzten zehn Jahren sind die globalen Emissionen noch mal gestiegen. Deswegen haben wir schon viel unseres Budgets verbraucht und deswegen müssen wir langfristig auf null.
"Kohleausstieg bis 2038 ist zu spät"
Ehring: Das heißt, für das Klima ist der Erdüberlastungstag genau genommen der 1. Januar?
Höhne: Ja. Weil wir in den letzten Jahren nichts getan haben, ist schon ab dem 1. Januar dieses Jahres unser Budget übererfüllt.
Ehring: Aber so schnell kommen wir ja nicht runter. Wieviel Kohlestrom können wir uns denn noch leisten? Nach dem Kohlekompromiss soll ja das letzte Braunkohlekraftwerk 2038 vom Netz.
Höhne: Weltweit müssten die globalen CO2-Emissionen ungefähr auf null sinken bis 2040. Wenn wir davon ausgehen, dass wir vielleicht irgendwann aus der Atmosphäre wieder CO2 herausholen können, dann haben wir vielleicht noch Zeit bis 2050, aber dann ist wirklich Schluss und dann müssen die Emissionen auf null gehen.
Für Deutschland als Industrieland mit großer Verantwortung muss es natürlich früher sein. Insofern wäre ein Kohleausstieg bis 2030 unbedingt nötig. Deutschland hat ja jetzt beschlossen im Jahr 2038. Das ist eigentlich zu spät.
"Da fehlt bei der Politik derzeit noch ein bisschen der Wille"
Ehring: Wir haben ja langfristige Klimaziele uns gesetzt. Das heißt, minus 55 Prozent bei den CO2-Emissionen bis 2030, minus 80 bis 95 Prozent zur Jahrhundertmitte. Das reicht demnach nicht?
Höhne: Nein, das reicht nicht, weil genau diese Ziele vor zehn Jahren festgelegt worden sind, wo wir noch ein anderes Bild hatten von Klimaschutz. Jetzt ist die Situation signifikant anders. Wir müssen schneller reduzieren und haben in den letzten zehn Jahren die globalen Emissionen mehr emittiert als vorher. Deswegen müssen wir schneller runter. Die Ziele müssen überarbeitet werden.
Ehring: Wäre das denn überhaupt möglich? Kann man so schnell runter?
Höhne: Das geht. Die Sache ist immer nur, zu welchen Veränderungen ist man bereit und wer gewinnt oder wer verliert bei solch einem Umbruch. Wir könnten einen Großteil der Kohlekraftwerke jetzt sofort abschalten, die Hälfte oder ein Drittel vielleicht, ohne dass irgendetwas passiert, ohne dass das Licht ausgeht. Wir müssten uns aber wirklich sehr, sehr anstrengen. – Wir könnten auch mehr Elektroautos fördern zum Beispiel, die auch langfristig nötig sind, um Emissionen auf null zu begrenzen. Wir könnten Gebäude schneller renovieren auf null Energieverbrauch. Das ist alles möglich, aber man muss es wirklich wollen, und da fehlt bei der Politik derzeit noch ein bisschen der Wille.
"Fridays for Future ist aus Klimasicht sehr, sehr positiv"
Ehring: Im Moment wird ja sehr stark diskutiert über CO2-Steuern oder einen Preis für das Treibhausgas CO2. Wäre das ein Ansatz, mit dem man schneller runterkäme?
Höhne: Das wäre ein sehr wichtiger Schritt, der quasi jetzt auf dem Tisch liegt und unbedingt umgesetzt werden müsste. Wichtig ist dabei, dass man CO2-Emissionen verteuert und es so durch ein wirtschaftliches Instrument möglich macht, dass die Menschen sich richtig verhalten. Wichtig ist beim CO2-Preis unbedingt der soziale Ausgleich. Durch eine neue Steuer wird Geld generiert, in den Haushalt geschwemmt, und das sollte man gerade an die einkommensschwachen Haushalte wieder zurückverteilen, damit die, die besonders unter diesem CO2-Preis leiden, auch dann kompensiert werden dafür.
Ehring: Noch ganz kurz zum Schluss. Es gibt ja jetzt immer die Klimademonstrationen Fridays for Future. Mit welchen Gedanken verfolgen Sie die?
Höhne: Ich hatte ja schon gesagt, dass es eigentlich am politischen Willen fehlt, und der kommt eigentlich nur, wenn die Gesellschaft bereit ist für politische Veränderungen. Gerade Fridays for Future ist aus Klimasicht sehr, sehr positiv, weil hier die junge Generation, die sich langfristig Gedanken macht, hier zeigt, wie sehr, sehr wichtig es ist und wie sehr spät wir dran sind mit dem Klimaschutz. Wir haben zehn Jahre geschlafen und müssen jetzt umso schneller handeln, und genau das zeigt diese Bewegung und das ist etwas, was von der Politik bisher noch ignoriert wird, aber, ich glaube, langfristig nicht ignoriert werden kann, wenn diese Bewegung tatsächlich bestehen bleibt und weiter demonstriert.
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