In einigen Museen sind die zahlreichen Trainingsgeräte, die der schwedische Arzt und Physiotherapeut Gustav Zander schon Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte, noch zu bestaunen: Apparate mit Stangen und Hebeln, Gewichten und Rollen, Riemen und Bändern. Massiv gefertigt aus Stahl, Gusseisen, Holz und Leder.
Die medico-mechanische Therapie, wie Zanders maschinelle Gymnastik genannt wurde, konnte zielgerichtet auf alle Körperregionen angewendet werden, im Stehen, im Sitzen und im Liegen.
"Ein wesentlicher Faktor war sozusagen die Wiederbeweglichmachung von eingesteiften Gelenken, zum Beispiel Schulter, und da hat er ganz pfiffige Ideen gehabt, das Gleiche auch für die Rückenmuskulatur, und da sehr dezidiert für die verschiedenen Richtungen, also Drehung und Rotation genauso wie Streckung und Beugung konnte man mit seinen Geräten trainieren, und er hat sogar ein Fahrrad-Ergometer gehabt, um die Patienten auf Ausdauer trainieren zu können."
Der Wirbelsäulenspezialist Michael Rauschmann hat viele Jahre das orthopädische Geschichts- und Forschungsmuseum in Frankfurt am Main betreut, wo drei "Zander-Maschinen" zur Sammlung gehörten.
Zanders Idee: An Maschinen trainieren
An den Geräten wurde recht züchtig und zugeknöpft trainiert. Die Herren in Straßenanzügen, die Damen im fußlangen Kleid. Bequeme Sportkleidung gab es damals kaum.
"Das waren im Grunde große Turnhallen, die vollgestellt waren mit den verschiedenen Geräten, an denen dann eben die Patienten oder eben die Menschen, die sich trainieren wollten, die Möglichkeit hatten, dies in unterschiedlicher Weise in einer Art Zirkeltraining zu tun."
Gustav Zander, 1835 in Stockholm geboren, interessierte sich schon als Kind für alle Arten von Gymnastik. Nach Pfarrschule und Gymnasium studierte er Medizin und arbeitete in den Semesterferien als gymnastischer Kursleiter. Bald erkannte er eine große Schwäche der klassischen Heilgymnastik: die Assistenten, auch Gymnasten genannt, die den Übenden als menschlicher Widerstand dienten. Wurden diese etwa müde, kam es unweigerlich zu Unregelmäßigkeiten und Ungleichheiten beim Training.
Personalsparende Trainingsmethode
Der innovative Mediziner entwickelte Maschinen mit verstellbaren Gewichten als eingebauten Widerständen. Diese Apparate, waren sie einmal auf die individuellen Bedürfnisse eingestellt, konnten die Patienten ganz ohne Assistenz nutzen:
"Diese klassische Widerstandsgymnastik, die sonst händisch durchgeführt wurde, meist von zwei Therapeuten zur damaligen Zeit, das war eben sehr personenintensiv und damit auch sehr teuer, und das wollte Zander eben mit seinen Geräten vermeiden."
Zanders maschinelle Therapie wurde ein großer Erfolg. 1865 eröffnete er in Stockholm sein erstes Gymnastik-Institut. 1877 begann die industrielle Fertigung der "Widerstandsapparate" und "Kraftmaschinen". Die technischen Entwicklungen in Folge der industriellen Revolution machten es möglich.
Körperkult im frühen 20. Jahrhundert
Vor allem in den USA und Europa schossen kommerzielle Zander-Institute wie Pilze aus dem Boden. Nicht nur Ärzte, Krankenhäuser und Unfallkliniken nutzten die "Wunder"-Geräte. Zur damaligen Zeit entwickelte sich ein neuer Körperkult. In wohlhabenden Kreisen wurde die Körperertüchtigung an Zander-Maschinen zum weitverbreiteten Hobby. Sogar auf Kreuzfahrtschiffen wurden große Säle mit den Fitness-Geräten ausgestattet.
"Es war sehr beliebt, das Ganze hatte so seine Hochzeit vor dem Ersten Weltkrieg."
In Deutschland kam es zu einem regelrechten Boom. Zeitweise gab es hier 79 Zander-Studios. Sogar Kaiser Wilhelm II. soll ein großer Anhänger der Apparate-Gymnastik gewesen sein.
Zander erhielt zahlreiche nationale und internationale Ehrungen und wurde Mitglied der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften.
Man sprach vom "Zandern"
In einer Festschrift zu seinem 75. Geburtstag heißt es 1910:
"Das Substrat der Erfindung Zander's wird mit dessen Namen so sehr identifiziert, daß man vielfach schlichtweg vom 'Zandern" spricht.'"
Jonas Gustav Vilhelm Zander, wie er mit vollem Namen hieß, starb 85-jährig am 17. Juni 1920. Seine bahnbrechenden Erfindungen zeigen bis heute Wirkung. Vor allem in den zahlreichen Fitness-Studios, deren Geräte meist nach den gleichen Prinzipien funktionieren wie die Apparate des schwedischen Pioniers.