Was bedeutet der Erfolg von Ester Ledecka bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang mit Blick auf die Spitzensportreform, die im deutschen Sport ansteht? Arne Güllich, Professor für Sportwissenschaft an der Technischen Universität Kaiserslautern, stellte dazu in der Sendung "Sport am Samstag" zunächst fest:
"Ich erkenne die Reform nicht: Der Rechenschlüssel wird verändert und ein bisschen aufwändiger gestaltet, um dasselbe zu berechnen, was man schon immer versucht hat zu berechnen - und was auch bisher noch nie richtig gelungen ist: Man versucht, Erfolgspotenzial von Verbänden im Vorhinein abzuschätzen und vorhersagen zu können."
Erfolgreich "trotz" Sportförderung
An den Strukturen und dem zugrundelegenden System der deutschen Sportförderung werde also nichts verändert. "Ein Großteil der erfolgreichen Athleten", so Güllich, "hat sich jedoch genau neben oder entgegen diesen Strukturen entwickelt."
Natürlich hänge Erfolg bei Olympia und anderen Sportevents von vielen verschiedenen Faktoren ab. Ein Prinzip ist laut Güllich aber, "dass es nicht darum geht, relativ frühzeitig schon zu selektieren." Zwar gebe es auch "Frühspezialisierer, die Olympiasieger werden, aber die Mehrheit eben nicht." Seiner Einschätzung nach gehe es eher darum, "zunächst mal möglichst viele Potenziale aufzubauen - und damit steigt die Chance, dass darunter auch welche sind, die sich um erfolgreichen Spitzenathleten entwickeln."
Nicht zu früh spezialisieren
Sportler, die bei Olympischen Spielen Medaillen gewinnen, haben Güllichs Forschungserkenntnissen zufolge nicht mehr in ihrer Hauptsportart trainiert als andere: "Sondern sie haben mehr in anderen Sportarten trainiert und vor allem über lange Jahre Wettkämpfe in anderen Sportarten betrieben." Ester Ledecka, die Snowboarderin, die Olympiasiegerin im Super-G geworden ist, sei dafür ein gutes Beispiel.
Arne Güllich sieht daher die frühe Spezialisierung auf eine Sportart, die die Spitzensportreform des DOSB vorsieht, kritisch: Zwar gebe es auch in anderen Ländern Stützpunkte oder Schulen, in denen sich Sportler auf eine Sportart konzentrieren. In Deutschland werde jedoch versucht, "diesen Umstieg, die Konzentration an Stützpunkten, Eliteschulen des Sports und ähnlichen Strukturen, schon im Kindes- und Jugendalter zu vollziehen." Dabei gebe es keinen Hinweis darauf, dass das auf lange Sicht erfolgsversprechender ist, "sondern dass es eher den kollektiven Erfolg auf Dauer mindert."
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