Wenn die ersten Meldungen über Sichtungen bei ihm eintreffen, dann möchte Matthias Schaber am liebsten sofort raus aufs Meer. Kurs Helgoland. Zu den Hundshaien, die dort regelmäßig im Sommer auftauchen. Über deren Verhalten man noch so wenig weiß. Und die der Fischereibiologe des Thünen-Instituts in Bremerhaven so beschreibt:
"Der Hundshai ist tatsächlich so´n richtig schöner klassischer Hai! Grau an der Oberfläche, silbriger Bauch, große dreieckige Rückenflosse. Also wie man sich so´n Bilderbuch-Hai vorstellt!"
Außerdem ist er so etwas wie das "Top-Model" unter den Haien – sehr schlank, etwa 40 bis 50 Kilo schwer und höchstens zwei Meter lang. Und, wie ein knappes Dutzend anderer Haiarten, auch in der Nordsee zuhause:
Eine gefährdete Art
"Aber dennoch ist unser Wissen um diese Hai-Art noch sehr lückenhaft. Und das ist das, was mich so fasziniert: Dass wir im Endeffekt vor unserer Haustür ´ne Hai-Art haben, von der fast niemand was weiß, von der die meisten noch nicht mal wissen, dass sie hier vorkommt, und die dennoch mittlerweile weltweit fast vom Aussterben bedroht ist."
Sicher ist, dass Hundshaie für Menschen nicht gefährlich sind. Dazu sind sie zu klein. Unklar ist aber, warum sie Helgoland so attraktiv finden. Wieviele Tiere sich hier genau zwischen Ende Mai/Anfang Juni und dem Spätherbst aufhalten, kann Hai-Forscher Matthias Schaber vom Thünen-Institut nicht genau sagen. Es gäbe aber Hinweise darauf, dass die Hundshaie in der Nordsee und in den Weltmeeren weniger werden, weil sie z.B. immer wieder auch als Beifang in Fischernetzen landen. Auf der UN-Artenschutzkonferenz im Februar wurden Hundshaie deshalb als gefährdete Art eingestuft. Um ihren Bestand sichern zu können, müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Verhalten der Raubfische enträtseln…
Thünen-Forscher Matthias Schaber geht deshalb regelmäßig vor Helgoland auf Angel-Tour:
"Die Haie werden angelockt mit Ködern und dann ganz klassisch geangelt. Es gibt wissenschaftliche Studien, die gerade bei Hundshaien zeigen, dass die Haie maximal sechs bis sieben Minuten im Trockenen bleiben können. Wir schaffen das schneller!"
Meeresbiologische Spionage
Das ist wichtig, denn Haie müssen grundsätzlich ständig in Bewegung bleiben, um atmen zu können. Wenn der Raubfisch an Bord ist, befestigt Matthias Schaber einen kleinen Satellitensender an dessen Rückenflosse, der den Hundshai dann in der Folgezeit "ausspioniert":
"Und es hat sich eben gezeigt, dass im Herbst die Haie noch ein paar Wochen im Seegebiet bleiben und dann mehr oder weniger nicht unbedingt gleichzeitig, aber auf dem gleichen Weg Richtung Südwesten wandern. Den Winter bei den britischen Kanalinseln verbringen. Einzelne Tiere wandern dann bis in den offenen Atlantik. Und einer meiner markierten Haie ist bis nach Madeira geschwommen! Leider ist es mir noch nicht gelungen, eine Rückwanderung nach Helgoland nachzuweisen."
Offenbar sind es aber vor allem erwachsene Weibchen, die sich vor Helgoland tummeln. Und die sich vorher vermehrt im holländischen Wattenmeer aufhalten. Hundshai-Weibchen bringen ihre Kinder in der Regel im Flachwasser zur Welt. Das könnte gut zusammenpassen, meint der Biologe Rainer Borcherding.
Möglicherweise lockt das reiche Nahrungsangebot
"Das Wattenmeer ist die Kinderstube für viele Nordsee-Tiere. Aber das südliche Wattenmeer ist wärmer als unser deutsches oder als das dänische Wattenmeer. D.h. ich würde vermuten, dass dann diese Kinderstube, Kindergartenfunktion des Wattenmeeres vor allem in den Niederlanden gegeben ist."
Also erst für Nachwuchs sorgen und sich dann rund um Helgoland vollfuttern, wo es im Sommer zum Beispiel reichlich Makrelen gibt? So könnte sich das "Hai-Life" in der Nordsee erklären lassen, meint Matthias Schaber vom Thünen-Institut:
"Nur der Nachweis, dass es tatsächlich so läuft, der fehlt uns noch ´n bisschen. Da puzzeln wir noch."
Schutzzonen als Rückzugsräume
Am Ende soll dann aus dem Puzzle möglichst ein Mosaik werden. Ein Mosaik aus Schutzzonen in der Nordsee, in denen Haie und andere bedrohte Arten ihre Ruhe haben, so Rainer Borcherding von der Schutzstation Wattenmeer.
"Wir haben in der Nordsee noch kein richtiges Konzept für Schutzzonen, in denen Haie und Rochen sich entwickeln können und auch Seepferdchen und die Große Island-Muschel. Solange überall rumgefischt wird, haben diese Arten halt keine Rückzugsräume."
Matthias Schaber will das mit seinem Hai-Forschungsprojekt ändern. Deshalb wird er auch weiterhin Kurs auf Helgoland nehmen. Um das Rätsel um die Raubfische mit den Model-Maßen so schnell wie möglich zu lösen.