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Ergebnis der US-Wahl
Transatlantik-Koordinator: Corona-Thema falsch eingeschätzt

Die USA sind von der Coronakrise stark betroffen. Doch anders als gedacht sei das Corona-Krisenmanagement der Trump-Regierung bei der US-Wahl offenbar nicht ausschlaggebend gewesen, sagte der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, im Dlf. Im Vordergrund stünden Wirtschaftsthemen.

Peter Beyer im Gespräch mit Philipp May |
Peter Beyer, CDU
Peter Beyer (CDU) ist Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen (dpa / Monika Skolimowska)
Peter Beyer (CDU) ist Bundestagsabgeordneter und Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, also zuständig innerhalb der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen.
Philipp May: Was machen Sie mit diesem Ergebnis der US-Wahl, Herr Beyer?
Peter Beyer: Wir wissen noch nicht, wie es weitergeht. Ich hörte gerade, Georgia ist ein wirklich entscheidendes County, ein Landkreis. Dort ist im Moment die Auszählung gestoppt worden. Wir schauen nach Wisconsin, nach Michigan und einigen anderen Staaten, Pennsylvania natürlich, wo wir sicherlich noch ein paar Tage warten müssen. Das ist so knapp. Mich überrascht das nicht so ganz, dass es knapp wird. Ich hörte gerade aus der Runde den Einwand, die Erwartungen der Demokraten sind vielleicht nicht eingetreten. Das stimmt sicherlich. Aber wenn man das aus der Trumpschen, aus der republikanischen Sicht einmal anschaut: Ein amtierender Präsident, der so darum kämpfen muss, dass es so knapp ist, auch wiedergewählt zu werden, das ist selten der Fall. Im Moment ist noch alles offen. Sehr, sehr eng alles.
Menschen füllen in den USA ihre Wahlzettel aus
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"Ich sehe die verbarrikadierten Ladenlokale"
May: Ist es tatsächlich auch für Sie so, dass wir gerade auf das von vielen erwartete Chaos hinaussteuern beziehungsweise hinzusteuern?
Beyer: Ich sehe es im Moment noch nicht. Ich hoffe auch, dass Ruhe bleiben wird. Wir haben gerade gesehen, dass Joe Biden live als erster von beiden Kandidaten vor die Menschen getreten ist – vielleicht auch ein bisschen, um eine Deutungshoheit zu haben, bevor Donald Trump sich selbst vielleicht vorzeitig zum Sieger ausrufen kann. Aber so ganz naiv bin ich natürlich auch nicht: Ich sehe die ganzen Ladenlokale, nicht nur in Washington DC, sondern auch andernorts, die sich verbarrikadieren. Die Menschen stellen sich auch auf Gewalt in den Straßen ein und das wird nicht ganz ohne abgehen.
May: Herr Beyer, Sie sind nicht ohne Grund Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung. Sie haben selbst eine US-amerikanische Historie. Sie waren Student in Virginia, wenn ich richtig informiert bin.
Beyer: Yes!
Das Bild zeigt die amerikanische Flagge, Dossier zur US-Wahl 2020 
Alle Beiträge zur US-Wahl in unserem Dossier (picture alliance / Wolfram Steinberg)
Unterschiede zwischen Inland und Küstenstaaten
May: Wie ist es mit dieser Spaltung? Ist die schlimmer geworden aus Ihrer Sicht, oder hat die eigentlich schon immer so existiert? Gerade Virginia ist ja ein spannender Staat, was das angeht – ein Staat, der eigentlich immer republikanisch war und mittlerweile doch relativ solide demokratisch.
Beyer: Ich glaube tatsächlich, selbst jemand, der seit frühesten Jugendjahren immer mehrfach in den USA war, dort gelebt, studiert, gearbeitet hat, und jetzt auch beruflich damit zu tun haben darf - ich muss sagen, 2016 habe ich die Dimension der gesellschaftlichen Spaltung nicht richtig eingeschätzt. Das muss ich zugestehen. Ich halte es gerade jetzt für extrem spannend, sich den Amerikanern – ich meine jetzt nicht das politische Washington unbedingt, sondern wirklich der Bevölkerung - zuzuwenden und sich damit intensiv zu beschäftigen. Da gibt es ganz viel Neues wieder zu lernen, was für uns vielleicht neu ist, aber das sind Entwicklungen, wie Sie richtig sagen, die seit vielen Jahren voranschreiten, die wir vielleicht aus deutscher Sicht nicht immer so ganz gesehen haben. Einiges war natürlich schon da, das haben wir gesehen, aber dass das zu solchen Dimensionen führen kann wie in den letzten vier Jahren, das hat uns alle oder viele zumindest, mich eingeschlossen, dann doch ein bisschen kalt erwischt.
May: Dann teilen Sie Ihr Wissen uns mit. Was gibt es denn Neues zu lernen über die amerikanische Bevölkerung?
Beyer: Ich glaube, es tut gut und Not daran, mal ins Land rauszufahren. Wir haben uns ja häufig immer nur an den Küsten aufgehalten, weil es da irgendwie vermeintlich interessanter ist. Nein, im Gegenteil! Es ist jetzt interessanter, mal in die Dörfer, in die Ortschaften reinzufahren, nicht nur im mittleren Westen, aber auch dort. Da wird man dann feststellen, dass jemand wie Donald Trump zwar nicht unbedingt immer geliebt wird, aber doch eine ganz starke Basis hat in der Wählerschaft. Das sind Leute, die sich abgehängt fühlen vom technologischen Fortschritt, die sich abgehängt fühlen vom Arbeitsmarkt, die vielleicht sogar arbeitslos geworden sind. Die am Strukturwandel nicht teilnehmen, die vor allem, was irgendwie fremd für sie daherkommen mag, insbesondere aus dem Ausland, Angst haben letztlich. Das sind viele, viele Millionen Menschen, die ihren fast schon Heilsbringer in Donald Trump erblicken und ihn unterstützen. Wir sehen das ja in dieser Wahlnacht auch wieder, dass jeder, der geglaubt hat, das ist fast nicht vorstellbar, dass Donald Trump überhaupt noch mal wieder ins Oval Office gespült wird, dass diese Chance nach wie vor besteht. Da ist einfach mal im Dialog mit den normalen Amerikanern viel zu lernen und wirklich nicht nur an den Küsten jeweils.
"Corona-Krisenmanagement nicht ausschlaggebend"
May: Hat Joe Biden das Thema Corona in seinem Wahlkampf möglicherweise überschätzt? Weil es zeigt sich ja doch, dass das ein Thema ist, das eigentlich rein an den Parteilinien gespielt wird, oder es gibt einige Indizien dafür. Das heißt: Wenn man republikanische Präferenzen hat, dann findet man das genau richtig, was Donald Trump gemacht hat, und als Demokrat eben nicht.
Beyer: Ja, in der Tat. Ich verfolge ja auch die ganze Nacht einige Talkshows und Talkgäste im Fernsehen, die dann immer auch sagen, wie wir das immer gedacht haben – und ich auch -, dass das entscheidende Thema im Wahlkampf oder auch wahlentscheidend würde, wie ist das Corona-Krisenmanagement gelaufen. Ich zweifele gerade daran, ob das wirklich ausschlaggebend war. Ich glaube es fast nicht mehr. Auch hier vielleicht – das muss man hinterher immer bewerten -, dass da eine falsche Einschätzung gewesen ist. Ich glaube schon eher, dass es hier um wirtschaftliche Themen geht. Donald Trump hat ja viel versprochen, das eine oder andere vielleicht auch gehalten, vieles aber auch nicht. Aber ich glaube, das Corona-Thema, meiner Einschätzung nach, hat nicht diese Bedeutung für den Wahlausgang, wie wir das eingeschätzt haben. Da müssen wir vielleicht was revidieren.
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"Jetzt müssen wir zeigen, dass wir politisch führen können"
May: Sie sind Vertreter der Bundesregierung. Wie gehen Sie, wie geht die Bundesregierung jetzt mit dieser Situation um?
Beyer: Im Moment wissen wir ja noch nicht, wie es ausgeht. Aber es gibt natürlich verschiedene Szenarien, die wir intern durchgespielt haben. Wir müssen uns ja darauf einstellen, auf alle möglichen Ausgänge, insbesondere auch auf eine "Lame Duck"-Periode, die sich noch hinziehen könnte, mit einem klaren Wahlergebnis, was vielleicht sogar juristisch entschieden wird, wer wird Wahlsieger sein. Ich glaube, unabhängig davon tun wir gut daran, uns nicht einen Präsidenten Biden oder Trump zu wünschen. Jeder mag seine persönlichen Präferenzen haben. Wir tun immer gut daran, die souveräne Entscheidung unserer engsten Verbündeten zu akzeptieren. Aber auch das reicht natürlich nicht aus. Ich begrüße sehr, dass der Bundesaußenminister jetzt nicht ein "Reset", aber einen transatlantischen New Deal vorgeschlagen hat, ein paar Punkte gemacht hat. Aber hier müssen wir mehr noch liefern. Es ist jetzt an uns, unsere Verantwortung inhaltlich-programmatisch und auch strategisch nach vorne zu denken, nicht nur Reden zu halten, dass wir mehr Verantwortung übernehmen müssen – das haben wir viel zu lange Jahre getan. Jetzt müssen wir auch zeigen, dass wir politisch führen können in Deutschland und Europa. Das braucht die transatlantische Freundschaft unter Trump, aber auch unter Biden. Weil wenn Biden Präsident werden sollte, dann wird er sich erst einmal um die Heilung der eigenen Wunden im Land kümmern müssen. Da kommt vieles auf die Europäer insgesamt zu.
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May: Was wäre das denn, was vor allem auf die Europäer zukommt, auch unter einem Präsidenten Biden?
Beyer: Viele Themen, die wir im transatlantischen Dialog ja haben, viele unter negativen Konnotationen mit vielen Friktionen in den letzten vier Jahren, sind nicht unbedingt neu. Die werden bestehen bleiben. Truppenabzug, Zwei-Prozent-Ziel NATO, Energiesicherheitsthemen, Nord Stream 2, Wirtschaftsthemen, die bleiben ja. Bloß ich rechne bei einem Präsidenten Joe Biden mit deutlich besseren Voraussetzungen, diese Themen, vom gegenseitigen Respekt und Willen, wirklich Lösungen zu finden, getragen, dass das besser mit einer Joe-Biden-Administration geht als mit Donald Trump. Da wissen wir, was wir in den letzten vier Jahren erfahren mussten miteinander. Aber wir ducken uns da nicht weg.
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