Das ist ein Kotau der Bundesregierung vor dem Despoten Erdogan, sagt Sevim Dagdelen. Die EU habe mit der Türkei einen Pakt geschlossen, der einer moralischen Bankrotterklärung gleichkomme, kritisiert die Sprecherin für internationale Beziehungen der Bundestagsfraktion Die Linke.
Dadurch würde nicht nur Beihilfe geleistet zur Verfolgung von Kurden, Oppositionellen und Journalisten, warnt Dagdelen. Künftig solle die Türkei auch syrische Flüchtlingen von der EU fernhalten, obwohl Ankara mit seiner Förderung des sogenannten Islamischen Staates mitbeteiligt sei daran, dass immer mehr Menschen aus Syrien fliehen müssten.
Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir meint: Ankara sei es vor allem um die Bilder und ums Geld gegangen. Trotzdem sei es richtig, mit der Türkei zu verhandeln, sagte Özdemir im Deutschlandfunk:
"Wir brauchen die Türkei tatsächlich, wenn es um die Flüchtlinge geht. Sie ist das Haupttransitland. Man muss aber wissen: Die Türkei ist eben nicht nur ein Land, das uns dabei helfen könnte, sondern sie ist auch leider mit Ursache dieser Flüchtlingsströme, indem sie die Flüchtlinge in der Türkei bis jetzt nicht gut behandelt hat."
Möglicherweise werde sich die Situation der syrischen Flüchtlinge in der Türkei aber nun verbessern, so Özdemir. Er hofft auf großzügige Kontingente zur Ausreise nach Europa oder Nordamerika. Und darauf, dass Kinder zur Schule und Eltern arbeiten gehen könnten. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, gibt sich derweil pragmatisch:
"Wenn man Kompromisse finden möchte angesichts einer Lage, die für beide Seiten schwierige Situationen auslöst, spricht man miteinander und findet im besten Falle Vereinbarungen so wie gestern. Das scheint mir total natürlich zu sein und selbstverständlich zu sein für den Umgang zwischen Staaten."
EU will drei Milliarden Euro für Flüchtlinge in der Türkei zahlen
Einen besseren Schutz der EU-Außengrenze und die Rücknahme von Flüchtlingen, die unerlaubt von der Türkei in die EU reisen. Das sind zwei Elemente, die Ankara gestern zugesichert hat. Im Gegenzug will die Europäische Union rund drei Milliarden Euro zur Versorgung der etwa 2,5 Millionen Flüchtlinge in der Türkei zur Verfügung stellen. Zudem winkt den türkischen Staatsbürgern im nächsten Jahr die Aussicht auf visafreies Reisen im Schengen-Raum.
Seit 2005 ist die Türkei Beitrittskandidat der Europäischen Union. Doch in den letzten Jahren sind die Verhandlungen ins Stocken geraten. Einen Tag nach dem Treffen in Brüssel stellt Regierungssprecherin Christiane Wirtz klar:
"Dass in diesem Prozess jetzt darüber gesprochen wird, weitere Kapitel zu eröffnen innerhalb des EU-Beitrittsprozesses. Und das ist momentan das, was Stand der Dinge ist."
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschuss im Bundestag, Norbert Röttgen, verweist auf die militärische Rolle Ankaras. Er halte den türkischen Vorschlag für richtig, in Syrien eine humanitäre Zone zu errichten, um bedrängten Menschen Schutz zu gewähren, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk:
"Wenn man das schaffen könnte, wäre es ein großer Schritt nach vorne. Eine solche humanitäre Zone müsste dann aber auch militärisch gesichert werden und da wäre sicherlich die türkische Armee gefragt, das zu tun. Aber wir sind davon noch weit entfernt, weil man müsste erst mal die militärische Sicherheit am Boden erringen und dann auch dauerhaft sichern."