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"Ergebnis einer total verfehlten Immigrationspolitik"

Am Tag der Grundsteinlegung für die Moschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld hat sich der Publizist Ralph Giordano erneut gegen das Projekt ausgesprochen. Nur weil auch Rechtsextremisten dagegen seien, würde er seine Meinung nicht ändern.

Ralph Giordano im Gespräch mit Jörg Armbrüster | 07.11.2009
    Jörg Armbrüster: Herr Giordano, die Zentralmoschee wird ab heute Wirklichkeit, ist das eine Gelegenheit für Sie, diesen Bau zu akzeptieren?

    Ralph Giordano: Darf ich gegenfragen, wann zum ersten Mal der Muezzinruf über Lautsprecher von dort erscheinen wird? Natürlich sagen die Leute heute, nein, das wird nicht der Fall sein, aber das haben sie in Rendsburg, Rheinfelden und anderen Orten auch getan. Und ich warte darauf. Das heißt, hier, mit diesem Ruf des Muezzins, ist ein Tabubruch geschehen in unseren Tagen, in meinen Augen eine Kriegserklärung an das friedliche Miteinander von Minderheit und Mehrheit, der integrationsfeindlichste Anschlag der deutschen Migrationsgeschichte überhaupt. Das heißt, ich habe durch meine Kritik am Bau dieser Großmoschee Köln-Ehrenfeld die ganze Diskussion ja losgetreten. Und Herr Kollege, ich will Ihnen sagen, was passierte. Ich habe gefragt, also was ist das für ein Signal, wer bezahlt das, woher kommt das Geld, was sind das für Dimensionen, was ist das für ein falsches Symbol, was den Stand der Integration anbetrifft. Ich habe daraufhin Hunderte und Aberhunderte von Briefen bekommen aus der ganzen Bundesrepublik, der Lokalrahmen war sofort gesprengt, die alle dasselbe sagen. Ein einheitlicher Tenor, nämlich: Giordano, wir sind wie Sie beunruhigt, da ist etwas im Gange, aber wir wagen es nicht, öffentlich zu bekunden, weil wir dann in die falsche, rechte, neonazistische, rassistische Ecke gestellt werden, wo wir nicht hingehören.

    Armbrüster: Herr Giordano, nun sind die Bauherren hinter dieser Moschee aber auf die Kritiker ja eingegangen. Sie haben den Muezzin erwähnt, der wird jetzt nicht außen zu hören sein in Ehrenfeld, sondern nur im Inneren der Moschee.

    Giordano: Das ist in Rheinfelden, Rendsburg, Esslingen, in anderen Orten, wo das heute geschieht, wo das über Lautsprecher passiert, auch der Fall gewesen. Ich habe da kein Zutrauen, dass diese Leute ihre Versprechen einhalten. Und es ist ganz offensichtlich, dass ein großer Teil der Bevölkerung – ob die Mehrheit, weiß ich nicht – beunruhigt ist durch das, was da passiert und was uns diese Multikulti-Illusionisten, Gutmensch vom Dienst, diese deutschen Umarmer, Sozialromantiker, Beschwichtigungsapostel eingebrockt haben. Das heißt, wir haben es hier mit einem Ergebnis einer total verfehlten Immigrationspolitik zu tun, mit einem Problem, von dem niemand weiß, wie es gelöst werden kann.

    Armbrüster: Es gab nun, Herr Giordano, eine demokratische Entscheidung in Köln, diese Moschee zu bauen. Es gibt viele Muslime, die diesen Gebetsraum wünschen, und die Politiker haben sich dafür entschieden, ihr kriegt ihn. Was kann man noch dagegen haben als Demokrat?

    Giordano: An meinen Gründen hat sich doch gar nichts geändert, dadurch, dass diese Moschee gebaut wird.

    Armbrüster: Vermutlich würden viele Leute sagen, Sie haben Vorurteile.

    Giordano: Ja, natürlich, also das muss man aushalten, muss mit seinen eigenen Argumenten kommen. Herr Kollege, hier stoßen durch eine total verfehlte Immigrationspolitik zwei Kulturkreise aufeinander, die sich in einem sehr unterschiedlichen Entwicklungsstadium befinden, nämlich der judäo-christlichen, in der wir groß geworden sind, und dieser Kreis hat einen gewaltigen Sprung nach vorne getan in den letzten 500 Jahren – mit Aufklärung, Renaissance, bürgerliche Revolution und ihre Fortschreibung. Und genau das hat der Islam leider nicht getan.

    Armbrüster: Sie sprechen nun immer wieder von Immigrationspolitik oder Integrationspolitik – gehört dazu nicht auch, dass wir den Leuten, die zu uns kommen, ihre Gebetsräume geben, um ihnen zu ermöglichen, dass sie ihre Religion ausüben können?

    Giordano: Herr Kollege, zwischen Hinterhofmoschee und Großmoschee in der Dimension von Köln-Ehrenfeld gäbe es, hätte es gegeben zahlreiche Abstufungen, die diesen Eindruck vermieden hätte, dass da ein Anspruch sichtbar wird, eine Landnahme sichtbar wird, etwas, das mit dem Stand der Integration nicht vereinbar ist.

    Armbrüster: Das heißt, Sie wollen die Muslime in Ehrenfeld lieber in einer Hinterhofmoschee halten?

    Giordano: Nein, genau nicht, was legen Sie mir da in den Mund, das stimmt doch nicht. Ich habe gesagt, es gäbe Abstufungen zwischen Hinterhofmoschee und Großmoschee, selbstverständlich. Genau das ist nicht befolgt worden. Nein, nein, hier ist ein von feigen deutschen Politikern, ich wiederhole, von feigen deutschen Politikern verdrängtes und geschöntes Problem plötzlich an den Tag gekommen, nachdem es Jahre oder jahrzehntelang verdrängt worden ist. Das kommt nach außen, und ich prophezeie, dass dieses Problem über das ganze 21. Jahrhundert hin über der deutschen Innenpolitik liegen wird. Es ist doch die Ehre der Nation, Herr Kollege, dass sie sich vor jeden Ausländer oder Fremden stellt, der von rechts angegriffen wird. Das ist doch selbstverständlich, und ich bin der Erste. Aber dass die Rechten hier mit ihren rassistischen Argumenten auch dagegen sind, das kann mich doch nicht bewegen, mich hier mundtot machen zu lassen.

    Armbrüster: Heute die Grundsteinlegung in Köln-Ehrenfeld zum Bau der neuen Zentralmoschee. Das war der Publizist Ralph Giordano, ich danke Ihnen vielmals für das Gespräch, Herr Giordano!