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Erhard Busek (ÖVP)
"Kurz wird im Wahlkampf ein Siegläufer"

Österreichs Ex-Vizekanzler Erhard Busek (ÖVP) glaubt, dass der gestürzte Bundeskanzler Sebastian Kurz als Sieger der Neuwahlen im Herbst hervorgehen wird. Es gebe zu zuwenig Kandidaten in der Partei, die Verantwortungen übernehmen. "Insofern muss die ÖVP froh sein, Kurz zu haben", sagte Busek im Dlf.

Erhard Busek im Gespräch mit Sarah Zerback | 28.05.2019
Bundeskanlzer Sebastian Kurz winkt beim Verlassen des Parlaments, in dem gerade ein Misstrauensvotum gegen ihn erfolgreich war
Sebastian kurz will auch nach Neuwahl Bundeskanzler sein (www.imago-images.de)
Sarah Zerback: Nach nur anderthalb Jahren ist Sebastian Kurz gestürzt und mit ihm sein gesamtes Kabinett – ein Novum in der österreichischen Regierung, aber ein Szenario, politische Nachwehen quasi im Zuge der Ibiza-Affäre, ein Novum, aber ein Novum, auf das das Land vorbereitet ist. Alle Augen sind jetzt auf den Bundespräsidenten gerichtet. Der ist dabei, eine Art Provisorium fürs Provisorium auf die Beine zu stellen, dafür zu sorgen, dass Österreich bis zu Neuwahlen, die ja schon angekündigt sind im Herbst, gut und stabil über die Runden kommt, wie er sagt.
Wie es politisch jetzt weitergehen könnte, das können wir besprechen mit Erhard Busek. Der ÖVP-Politiker war bis 1995 Vizekanzler und damals auch Chef seiner Partei, der österreichischen Konservativen. Ich freue mich, dass Sie da sind in der Leitung. Schönen guten Morgen, Herr Busek.
Erhard Busek: Guten Morgen.
"Eine Art Abreaktion, die hier passiert"
Zerback: Was wir da gestern erlebt haben, dieser doppelte Misstrauensantrag, der durchgekommen ist durchs Parlament, ist das die Quittung für die Machtspiele des Kanzlers Sebastian Kurz?
Erhard Busek, ehemaliger Vizekanzler von Österreich, ÖVP
Erhard Busek, ehemaliger Vizekanzler von Österreich, ÖVP (AFP / Samuel Kubani)
Busek: Ich glaube, das ist etwas zu kurz definiert. Natürlich auch, aber auf der anderen Seite ist es natürlich eine Art Abreaktion, die hier passiert, und zwar von den beiden Trägern, den Sozialdemokraten und der Freiheitlichen Partei, aus unterschiedlichen Gründen. Bei der Sozialdemokratie spielt natürlich eine Rolle, dass sie sich nicht entsprechend wertgeschätzt fühlt und in Wahrheit an die Macht will, und bei der Freiheitlichen Partei ist es die Gekränktheit, dass Kurz den Innenminister Kickl weg haben wollte und die Koalition hier auch aus guten Gründen beendet hat. Ich glaube, da ist sehr viel Psychologie.
Zerback: Versuchen wir, das doch mal zu entschlüsseln. Hat Sebastian Kurz die Ibiza-Affäre genutzt, wie ihm das ja die FPÖ vorwirft, um sich auch noch das Innenministerium zu schnappen?
Busek: Ich glaube, auch das ist etwas zu kurz gedacht. Die Koalition war nicht weiter haltbar und natürlich hat es auch jedenfalls intern in der Partei von Kurz sehr viel Kritik gegeben, was er, wie er es sagt, ausgehalten hat, an gegenwärtigen Positionen, die insbesondere vom Kickl kamen. Die auszuhalten und dann immer noch für die Koalition zu sein, war für ihn schon sehr schwierig, so dass in diesem Moment schlagend wurde, dass man sich Kickl entledigen muss.
Zerback: Sie sagen, lange ausgehalten. Man könnte jetzt auch sagen, Sebastian Kurz hat einfach zu lange gezögert. Letzte Woche Samstag, da war das Ausmaß der sogenannten Ibiza-Affäre, des Strache-Videos ja schon bekannt. Aber die Koalition mit der FPÖ, die wollte er trotzdem weiterführen. Warum sonst hat er so lange gezögert, wenn es ihm da nicht um den eigenen Machterhalt gegangen ist?
Busek: Er hat lange gezögert, weil er an sich von der Grundüberlegung ausgegangen ist, diese Koalition muss halten und soll zehn Jahre tätig sein. Das war die angesagte Länge quasi. Es ist ihm dann offensichtlich klar geworden und sehr viele haben auch die Stimme in die Richtung erhoben, dass der Preis schlicht und einfach zu hoch ist.
"Es ist ihm vor allem um einen neuen Stil gegangen"
Zerback: Warum ist ihm das in den anderthalb Jahren vorher nicht klar geworden? Da gab es ja Warnungen. Er hat nicht interveniert, als die FPÖ etwa Migranten mit Ratten verglichen hat, als die FPÖ die freie Presse in Frage gestellt hat. Warum hat er das alles mitgemacht?
Busek: Weil er davon ausgegangen ist, dass man das politische System in Österreich ändern muss. Es war sozusagen ein Abschied an die große Tradition von Koalitionen mit der Sozialdemokratie. Hier ist es ihm vor allem um einen neuen Stil gegangen. Da hat er auch sehr gekämpft mit sich selber und auch mit anderen, das aufrecht zu erhalten, hat aber nicht begriffen, dass das nicht mehr aushaltbar war.
Zerback: Ist das auch noch ein Wort, das gilt, wenn neu gewählt wird? Würden Sie da eine neue Koalition mit den ganz rechten, mit der FPÖ ausschließen?
Busek: Ausschließen soll man an sich in der Politik gar nichts. Das wird man sicher sehen, wird aber auch davon abhängen, in welchem Stil sich die Freiheitliche Partei geriert. Im Moment ist Kickl, wie man auch beim Abwahlvorgang im Parlament gestern sehen konnte, offensichtlich die führende Stimme der Freiheitlichen Partei. Das führt sicher nicht in eine weitere Koalition mit der FPÖ.
Zerback: Das wäre für Sie die rote Linie, Herr Kickl noch weiter in der FPÖ in führender Position? Dann haben die sich als Koalitionspartner in Zukunft disqualifiziert?
Busek: Die Artikulation des Herrn Kickl ist natürlich so, dass es auch sehr schwer ist, über diese Worte hinwegzukommen. Er hat ja gestern die Rede gehalten, in der er weitere Drohungen ausstieß, was da alles noch herauskommen wird und dergleichen mehr. Also bitte sehr: Drohungen und dann nicht sagen, was eigentlich ist, ist nicht eine vertrauensbildende Maßnahme.
Koalitonsfrage nach der Wahl, wird die entscheidende sein
Zerback: Die Frage bleibt aber auch, warum sollte es ein anderer an der FPÖ-Spitze anders machen. Da wäre zum Beispiel Norbert Hofer. Der ist doch Strache-Mann. Warum sollte er die FPÖ, seine Partei in eine andere Richtung führen?
Busek: Das ist eine gute Frage. Ich persönlich bin bei dem oft zornigen Bild, das von Hofer gezeichnet wird, nicht ganz der Meinung, weil der natürlich auch seine entsprechenden Tiefen hier hat. Man wird sehen, wie es überhaupt weitergeht. Die Koalitionsfrage nach der Wahl wird wahrscheinlich die entscheidende überhaupt sein.
Zerback: Sebastian Kurz – ich höre es ein bisschen heraus, ich frage es trotzdem -, ist der denn noch der richtige Mann an der Spitze Ihrer Partei, der ÖVP?
Busek: Im Moment gibt es wirklich nur ihn.
Zerback: Die Partei hat es versäumt, sich da breiter aufzustellen?
Busek: Na ja. Es ist überhaupt die Bereitschaft in der Politik, Funktionen zu übernehmen, nicht allzu groß. Ich kann nicht feststellen, dass es ein Wettrennen in der ÖVP gibt, hier Verantwortungen zu übernehmen. Insofern muss die ÖVP froh sein, Kurz zu haben, und ich bin überzeugt, dass er auch im Wahlkampf hier durchaus ein Siegläufer sein wird. Das kalkuliert die Sozialistische Partei zu wenig ein. Sie haben ihm in Wirklichkeit geholfen, zu dieser Position zu kommen.
Zerback: Im Wahlkampfmodus ist er ja schon, haben wir auch gehört in der Berichterstattung. Aber man könnte auch sagen, es wird schwer, jetzt ohne Kanzlerbonus, auch ohne internationale Bühne, ohne Ressourcen.
Busek: Ich würde sagen, da ist er eigentlich schon vertreten. Ich halte das, was da in den Kommentaren geschrieben wird, auch das, was Sie sagen, für nicht relevant. Dazu ist er zu stark da.
Kurz hat der Sturz ganz entschieden geholfen
Zerback: Dann kann man sagen, dieser Wahlkampf kann ihm sogar nützen, dass er gestürzt ist, und Sie würden sagen, da hat er sich sogar jetzt einen Vorteil freigestrampelt? Das ist Ihre Interpretation?
Busek: In der ersten Reaktion, die ich erlebe in diesen Stunden hier - und ich war auf den Veranstaltungen -, hat es ihm ganz entschieden geholfen.
Zerback: Jetzt haben wir einen Präsidenten van der Bellen - Sie werden ihn auch gehört haben -, der bei der ganzen Regierungskrise, die sich seit der Veröffentlichung des Videos in der letzten Woche durchzieht, von einem Schaden fürs Ansehen des Landes spricht. Teilen Sie diese Sorge?
Busek: Ja, die ist seit dem Video zweifellos gegeben, war vorher auch schon in einigen Punkten der Fall. Das war mit vielleicht auch ein Grund, dass Kurz sich eines anderen besonnen hat.
Zerback: Und dass das auch Konsequenzen für die Wirtschaft Ihres Landes haben könnte, wie schätzen Sie das ein?
Busek: Das glaube ich nicht. Dazu ist die Geschichte zu kurzfristig. Und wie Sie richtig schon bei der Einleitung bemerkt haben: Auch in anderen Ländern sind die Dinge sehr bewegt.
Zerback: Bleibt auch die Frage: Es stehen ja wichtige personelle Schlüsselfragen an für die nächsten Jahre in Brüssel. Wer berät denn da heute mit Merkel und Macron genau darüber?
Busek: Der gegenwärtige Vizekanzler Löger, der Finanzminister, der auch aus dem EU-Vorsitz Österreichs einige Erfahrungen gewonnen hat. In Wahrheit steht für Österreich die Frage an, wer wird Kommissar. Das ist österreichintern zu klären. Das wird vielleicht schwierig werden aufgrund der Konstellation, dass wir keine klar aufgestellte Regierung haben. Alles andere sozusagen ist Mitberatung und ist in größeren Gruppen zu sehen. Es ist ja auch so, dass trotz der aufgestellten Kandidaten wie Weber und Timmermans ja nicht ganz klar ist, ob einer von denen überhaupt durchgeht.
Zerback: Es bleibt spannend und auch, welche Stimme die neue Stimme Österreichs dann in Brüssel sein wird. Erhard Busek war das, ÖVP-Politiker und Ex-Vizekanzler Österreichs. Herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Herr Busek.
Busek: Danke vielmals! Alles Gute.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.