Der Künstler Eric Carle kam über Umwege zum Erfolg. Geboren wurde er im Juni 1929 in Syracuse, im Staat New York, als Sohn deutscher Auswanderer. Er erlebte eine geborgene Kindheit. Das Klassenzimmer in Syracuse mit großen Fenstern, großen Bögen Papier, leuchtenden Farben und Pinseln blieb ihm zeitlebens in Erinnerung. Seine Lehrerin erkannte sein künstlerisches Talent und ermutigte ihn.
Doch dann kehrte Carles Familie nach Deutschland zurück, voller Hoffnung auf Hitlers Versprechen nach wirtschaftlichem Aufschwung. Carle kam in eine Stuttgarter Grundschule: in ein kleines, dunkles Klassenzimmer mit harten Bleistiften, strengen Ermahnungen – und mit einem Rohrstock. Erschrocken machte sich Eric Carle auf den Weg, sein Glück zu suchen. Und fand es fortan in der Natur.
"Als ich ein Junger Bub war, hat mich mein Vater meistens am Samstagmorgen und Sonntagmorgen an die Hand genommen und mich durch die Wälder und Wiesen geführt und hat mir erzählt wie Ameisen und Bienen und Raupen leben und wie die Fische und Frösche sich entwickelten. Und das waren immer sehr schöne Tage für mich, an die ich mich heutzutage noch gerne erinnere und die mich zutiefst beeinflusst haben in meinem Leben."
Eric Carle schöpft wie viele Künstler aus seiner Kindheit. Sonntags besuchte er häufig seinen Onkel August, den Erfinder einer "Denkmaschine”. Er durfte eine imaginäre Kurbel drehen, bis der Onkel "Stopp” sagte und eine neue Geschichte erzählte. Später begegnete er immer wieder mutigen Menschen, die ihn förderten. Ein Kunstlehrer zeigte ihm heimlich die verbotene Kunst: Picasso, Kandinski und Matisse. Der Einfluss dieser Künstler in Carles Bilderbüchern ist nicht zu übersehen.
Carle absolvierte sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und ging 1952 nach Amerika zurück. Er arbeitete als Grafiker bei der New York Times, später als freier Illustrator in einer Werbeagentur.
Eines Tages bat ihn der Pädagoge Bill Martin, sein Manuskript "Brauner Bär, wen siehst denn du?” zu illustrieren. Der Gedanke an den Bären beflügelte Carles Fantasie. Die glücklichen Vorschultage in Syracuse waren wieder da. Mit Licht und Farbe löschte Carle die Dunkelheit und das Grauen der deutschen Schule aus. Dies war der Wendepunkt seines Lebens, und es würde die Quelle seines künstlerischen Schaffens bleiben.
Carle bemalte weisse Seidenpapiere mit Acrylfarben, er kratzte, malte und collagierte so wie vor ihm Picasso oder Leo Lionni, deren Einfluss immer sichtbar ist. Carle überträgt die künstlerischen neuen Ideen in seine typischen Bücher: er kombiniert die Technik Collage mit motivierten Spielelementen, mit verkürzten Seiten eines Buches oder mit Löchern in den Seiten. Er arbeitet wie ein Komponist, und auch die Denkmaschine des Onkel August ist immer dabei. Die Seitenzahl legt er vorher fest, er gibt so der Fantasie einen Rahmen. In dieser Begrenzung findet er, wie er sagt, "the heartbeat rhythm of the text". Wiederholungen und Abläufe wie "Am Montag, am Dienstag, am Mittwoch” sind typisch für seine Bücher. Häufig führt das Ende einer Geschichte zum Anfang zurück.
All diese Techniken finden sich wieder in Carles Klassiker, "Die kleine Raupe Nimmersatt", die in diesem Jahr ihren 40. Geburtstag feiert. Ein Welterfolg: Das Buch wurde in mehr als 47 Sprachen übersetzt, weltweit 29 Millionenmal verkauft. Das heisst: 29 Millionen Äpfel, 58 Millionen Birnen, 87 Millionen Pflaumen, 116 Millionen Erdbeeren und 145 Millionen Apfelsinen und vieles mehr vertilgt die nimmersatte kleine Raupe – unaufhörlich.
"Nachts im Mondschein lag auf einem Blatt ein kleines Ei. Und als an einem schönen Sonntagmorgen die Sonne aufging, hell und warm, da schlüpfte aus dem Ei – knack – eine kleine hungrige Raupe. Sie machte sich auf den Weg, um Futter zu suchen. Am Montag frass sie sich durch einen Apfel, aber satt war sie noch immer nicht. Am Dienstag frass sie sich durch zwei Birnen, aber satt war sie noch immer nicht. Am Mittwoch frass sie sich durch drei Pflaumen, aber satt war sie noch immer nicht. Am Donnerstag frass sie sich durch vier Erdbeeren, aber satt war sie noch immer nicht. Am Freitag ..."
Und was macht die Raupe so weltberühmt? Was ist ihre Botschaft?
Sollen Kinder kräftig essen, damit sie stark werden, bis sie bereit sind für die weite Welt? Oder verhält es sich umgekehrt? Ist die Raupe eine Ernährungsberaterin? Gibt es gar eine tiefere Moral, frei nach dem Motto: Übermut tut selten richtig gut. Ein Aufruf zur Mäßigung?
Fragen wir die Kinder:
"Also ich finde, die Raupe ist ein Vielfrass.
Eine Raupe kann niemals so viel essen.
Wenn man Vitamine gegessen hat, darf man auch Süssigkeiten essen. Nur nicht so viele."
Wie dem auch sei, die nimmersatte Raupe trat ihren Siegeszug an über den Globus, und mit ihr der Autor. Seine dem Nonsens verpflichteten Texte sind ein später Protest gegen die schwarze Pädagogik seiner deutschen Kindheit. Nimmersatt hat Eric Carle seine Schulzeit in Deutschland übermalt. Und Gutes behält er in Erinnerung. Allen Lehrern und Förderern widmet Carle einen Farbklecks auf seiner Leinwand: dem Vater, dem Kunstlehrer, seiner Vorschullehrerin in Syracuse, dem Onkel mit der Denkmaschine, Bill Martin, seinen Lektoren und allen Förderern.
"It's time to give back” lautet ein amerikanisches Sprichwort. Eric Carle hat es in die Tat umgesetzt. 2002 ließ er in Amherst im Staat Massachusetts ein Eric Carle Museum bauen. Ein Zentrum für internationale Bilderbuchkunst mit einem Theater und einer Kreativwerkstatt. Ein Platz für Lehrer und ihre Schüler. Auf den inneren Leinwänden all seiner Besucher hinterlässt Carle neue Farbkleckse.
Doch dann kehrte Carles Familie nach Deutschland zurück, voller Hoffnung auf Hitlers Versprechen nach wirtschaftlichem Aufschwung. Carle kam in eine Stuttgarter Grundschule: in ein kleines, dunkles Klassenzimmer mit harten Bleistiften, strengen Ermahnungen – und mit einem Rohrstock. Erschrocken machte sich Eric Carle auf den Weg, sein Glück zu suchen. Und fand es fortan in der Natur.
"Als ich ein Junger Bub war, hat mich mein Vater meistens am Samstagmorgen und Sonntagmorgen an die Hand genommen und mich durch die Wälder und Wiesen geführt und hat mir erzählt wie Ameisen und Bienen und Raupen leben und wie die Fische und Frösche sich entwickelten. Und das waren immer sehr schöne Tage für mich, an die ich mich heutzutage noch gerne erinnere und die mich zutiefst beeinflusst haben in meinem Leben."
Eric Carle schöpft wie viele Künstler aus seiner Kindheit. Sonntags besuchte er häufig seinen Onkel August, den Erfinder einer "Denkmaschine”. Er durfte eine imaginäre Kurbel drehen, bis der Onkel "Stopp” sagte und eine neue Geschichte erzählte. Später begegnete er immer wieder mutigen Menschen, die ihn förderten. Ein Kunstlehrer zeigte ihm heimlich die verbotene Kunst: Picasso, Kandinski und Matisse. Der Einfluss dieser Künstler in Carles Bilderbüchern ist nicht zu übersehen.
Carle absolvierte sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und ging 1952 nach Amerika zurück. Er arbeitete als Grafiker bei der New York Times, später als freier Illustrator in einer Werbeagentur.
Eines Tages bat ihn der Pädagoge Bill Martin, sein Manuskript "Brauner Bär, wen siehst denn du?” zu illustrieren. Der Gedanke an den Bären beflügelte Carles Fantasie. Die glücklichen Vorschultage in Syracuse waren wieder da. Mit Licht und Farbe löschte Carle die Dunkelheit und das Grauen der deutschen Schule aus. Dies war der Wendepunkt seines Lebens, und es würde die Quelle seines künstlerischen Schaffens bleiben.
Carle bemalte weisse Seidenpapiere mit Acrylfarben, er kratzte, malte und collagierte so wie vor ihm Picasso oder Leo Lionni, deren Einfluss immer sichtbar ist. Carle überträgt die künstlerischen neuen Ideen in seine typischen Bücher: er kombiniert die Technik Collage mit motivierten Spielelementen, mit verkürzten Seiten eines Buches oder mit Löchern in den Seiten. Er arbeitet wie ein Komponist, und auch die Denkmaschine des Onkel August ist immer dabei. Die Seitenzahl legt er vorher fest, er gibt so der Fantasie einen Rahmen. In dieser Begrenzung findet er, wie er sagt, "the heartbeat rhythm of the text". Wiederholungen und Abläufe wie "Am Montag, am Dienstag, am Mittwoch” sind typisch für seine Bücher. Häufig führt das Ende einer Geschichte zum Anfang zurück.
All diese Techniken finden sich wieder in Carles Klassiker, "Die kleine Raupe Nimmersatt", die in diesem Jahr ihren 40. Geburtstag feiert. Ein Welterfolg: Das Buch wurde in mehr als 47 Sprachen übersetzt, weltweit 29 Millionenmal verkauft. Das heisst: 29 Millionen Äpfel, 58 Millionen Birnen, 87 Millionen Pflaumen, 116 Millionen Erdbeeren und 145 Millionen Apfelsinen und vieles mehr vertilgt die nimmersatte kleine Raupe – unaufhörlich.
"Nachts im Mondschein lag auf einem Blatt ein kleines Ei. Und als an einem schönen Sonntagmorgen die Sonne aufging, hell und warm, da schlüpfte aus dem Ei – knack – eine kleine hungrige Raupe. Sie machte sich auf den Weg, um Futter zu suchen. Am Montag frass sie sich durch einen Apfel, aber satt war sie noch immer nicht. Am Dienstag frass sie sich durch zwei Birnen, aber satt war sie noch immer nicht. Am Mittwoch frass sie sich durch drei Pflaumen, aber satt war sie noch immer nicht. Am Donnerstag frass sie sich durch vier Erdbeeren, aber satt war sie noch immer nicht. Am Freitag ..."
Und was macht die Raupe so weltberühmt? Was ist ihre Botschaft?
Sollen Kinder kräftig essen, damit sie stark werden, bis sie bereit sind für die weite Welt? Oder verhält es sich umgekehrt? Ist die Raupe eine Ernährungsberaterin? Gibt es gar eine tiefere Moral, frei nach dem Motto: Übermut tut selten richtig gut. Ein Aufruf zur Mäßigung?
Fragen wir die Kinder:
"Also ich finde, die Raupe ist ein Vielfrass.
Eine Raupe kann niemals so viel essen.
Wenn man Vitamine gegessen hat, darf man auch Süssigkeiten essen. Nur nicht so viele."
Wie dem auch sei, die nimmersatte Raupe trat ihren Siegeszug an über den Globus, und mit ihr der Autor. Seine dem Nonsens verpflichteten Texte sind ein später Protest gegen die schwarze Pädagogik seiner deutschen Kindheit. Nimmersatt hat Eric Carle seine Schulzeit in Deutschland übermalt. Und Gutes behält er in Erinnerung. Allen Lehrern und Förderern widmet Carle einen Farbklecks auf seiner Leinwand: dem Vater, dem Kunstlehrer, seiner Vorschullehrerin in Syracuse, dem Onkel mit der Denkmaschine, Bill Martin, seinen Lektoren und allen Förderern.
"It's time to give back” lautet ein amerikanisches Sprichwort. Eric Carle hat es in die Tat umgesetzt. 2002 ließ er in Amherst im Staat Massachusetts ein Eric Carle Museum bauen. Ein Zentrum für internationale Bilderbuchkunst mit einem Theater und einer Kreativwerkstatt. Ein Platz für Lehrer und ihre Schüler. Auf den inneren Leinwänden all seiner Besucher hinterlässt Carle neue Farbkleckse.