Als Erich Pommer am 8. Mai 1966 im Motion Picture Hospital in Los Angeles im Alter von 76 Jahren starb, war das in Deutschland nur wenigen Zeitungen eine Meldung wert. Dabei gilt Pommer bis heute als einflussreichster Filmproduzent der deutschen Filmgeschichte. Allenfalls hatte man Notiz von ihm genommen als dem UFA-Produzenten, der 1929 die damals unbekannte Marlene Dietrich für den Tonfilm-Klassiker "Der Blaue Engel" engagierte.
"Ich hab' gewusst, dass Sie wiederkommen, bei mir kommen s'e alle wieder!"
Erich Pommer, 1889 in Hildesheim geboren, zog als 16-Jähriger mit seiner Familie nach Berlin, begann dort eine kaufmännische Lehre und wechselte bald als Filmverkäufer zum französischen Gaumont-Konzern. Während des Ersten Weltkriegs arbeitete Pommer für die staatliche Film-Zensur.
"Ein Mann der ersten Stunde"
Parallel dazu gründete er 1915 die Decla-Film-Gesellschaft. Weltweites Aufsehen erregte Pommer 1920 mit der Produktion "Das Cabinet des Dr. Caligari" - ein fantastischer Horrorfilm im Geiste der Schauerromantik. Er wurde als expressionistisches Meisterwerk gefeiert und begründete den Ruf des deutschen Films im Ausland. Pommer äußerte sich dazu Anfang der 1950er-Jahre:
"Ich habe wieder und immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass die Form des 'Dr. Caligari', also die expressionistische Form, gar nicht ursprünglich beabsichtigt war, sondern dass 'Dr. Caligari' ursprünglich ein Grand Guignol-Film war, und erst auf Vorschlag der beteiligten Architekten wurde überhaupt erst die Form gefunden."
Eine Form, die Produktionskosten sparen sollte: grotesk verzerrt gebaute und vor allem gemalte Kulissen vermischten sich mit der kontrastreichen Beleuchtung von Licht und Schatten, um das Nebeneinander von Wahnsinn und Normalität darzustellen. Als Regisseur fungierte zwar Robert Wiene, doch Erich Pommer besaß als Produzent letztendlich auch die künstlerische Verantwortung. Lil Dagover, die die weibliche Hauptrolle in "Dr. Caligari" spielte, erinnerte sich später:
"Erich Pommer war ein erfahrener Filmer, eine seltene Mischung aus Geschäftsmann und Künstler. Ein Mann der ersten Stunde, dem niemand etwas vormachen konnte."
Wachsender Einfluss
Pommers Ansehen und Einfluss wuchsen mit jedem neuen Kassenerfolg. Die Mitarbeiter, die er entdeckt und gefördert hatte, gehörten später zu den besten ihrer Zunft: Regisseure wie Fritz Lang oder Friedrich Wilhelm Murnau inszenierten für ihn weltberühmte Stummfilm-Klassiker wie "Dr. Mabuse, der Spieler", oder "Der letzte Mann". Gleichzeitig forcierte er die Fusionen in der deutschen Filmindustrie. Seine Decla ging mit der Bioscop zusammen. Beide verschmolzen schließlich mit der Ufa zum größten deutschen Filmkonzern, um gegen Hollywood konkurrenzfähig zu bleiben.
Doch ausgerechnet Fritz Langs "Metropolis" beendete vorerst seine Ufa-Karriere. Die bis dahin teuerste deutsche Produktion wurde zum größten Flop an der Kinokasse und brachte den Konzern ins Wanken. Pommer ging daraufhin für zwei Jahre in die USA, studierte die dortigen Produktionsmethoden und schloss Ende 1927 mit der Ufa einen neuen Vertrag. Der Film-Kurier kommentierte:
"Er hat die Mentalität der Angelsachsen an der Quelle studiert. Und diese Erfahrungen werden für die Ufa-Produktionen von entscheidender Bedeutung sein."
Das Zeitalter des Tonfilms war angebrochen und Pommer erkannte schnell die Möglichkeiten.
Musikfilme begeisterten das Publikum. Filmoperetten wie "Die Drei von der Tankstelle", "Der Kongress tanzt" oder "Ein blonder Traum" präsentierten Pommers neue Stars wie Willy Fritsch, Hans Albers oder Lilian Harvey.
Rückzug aus dem Filmgeschäft
Es wurden noch einmal fünf erfolgreiche Jahre in der Ufa-Pommer-Ehe, bevor die Nationalsozialisten den jüdischen Produzenten zur Emigration zwangen. Während Pommer sich im Exil halbwegs zurechtfand, machten viele seiner ehemaligen Stars im NS-Film weiter Karriere. Nach dem Krieg kam Pommer als Offizier der US-Militärregierung nach Deutschland zurück, um bei der Entnazifizierung zu helfen und den Filmmarkt neu zu organisieren. Das machte ihm wenig Freunde. Er produzierte noch vier Filme, bevor er sich 1956 enttäuscht nach Kalifornien zurückzog. Zwei Jahre vor seinem Tod schrieb er dem Filmpublizisten Paul Marcus:
"Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es beinahe amüsant zu beobachten, wie die neue deutsche Filmindustrie trotz des Wirtschaftswunders es fertigbringt, die vielen Möglichkeiten zu vertun."