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Erinnern, verklären, aufarbeiten
Was uns die DDR-Geschichte heute sagt

Laut einer Studie erfährt jeder fünfte Schüler im Osten nichts über die DDR, jeder dritte vorwiegend Positives. In West-Schulen werde die SED-Diktatur häufiger behandelt, mit deutlich negativerer Sicht auf die DDR. Doch welche Art von Auseinandersetzung mit diesem Teil deutscher Geschichte ist gesellschaftlich gewollt?

Diskussionsleitung: Claudia van Laak |
    Zeitgeschichtliches Forum Leipzig, 13. Dezember 2016, "Erinnern, verklären, aufarbeiten - Was uns die DDR-Geschichte heute sagt", Podiumsdiskussion, Claudia van Laak, Thomas Krüger, Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk, Sabine Rennefanz, Everhart Holtmann.
    Diskussion zur DDR-Geschichte: Claudia van Laak, Thomas Krüger, Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk, Sabine Rennefanz, Everhart Holtmann (v.l.n.r) (PUNCTUM / Alexander Schmidt)
    "Wir sind das Volk” – unter diesem Slogan zogen 1989/90 Hundertausende Menschen durch die Straßen der damals noch bestehenden DDR. Sie kämpften für Meinungs-, Reise- und Pressefreiheit, für freie Wahlen und demokratische Verhältnisse. Friedlich brachten sie die SED-Diktatur zu Fall. Heute, gut ein Vierteljahrhundert später, schallt dieser Slogan wieder durch die Straßen. Es sind weit weniger Menschen als damals, die ihn rufen, und sie repräsentieren sicherlich nicht das Volk. Aber sie kritisieren lautstark das politische System der Bundesrepublik und beschimpfen deren Repräsentanten als Volksverräter. Am Tag der Deutschen Einheit in Dresden gelingt es ihnen, den Festakt massiv zu stören.
    Laut ARD-Deutschlandtrend von Oktober sind 53 Prozent der Menschen in Ostdeutschland (38 Prozent in Westdeutschland) mit der Demokratie unzufrieden. Eine Stimmung, die Pegida und die rechtspopulistische AfD für sich nutzen, wenn sie das deutsche Asylrecht oder die Pressefreiheit in Frage stellen. Kann dieses fragwürdige Demokratieverständnis mit mangelhafter Wissensvermittlung begründet sein? Und warum kann sich in manchen Köpfen ein verklärtes Bild des Unrechtsstaats so lange halten? Ein Bild, das die totalitären Züge des SED-Staates ausblendet und an die vermeintlich guten Seiten der DDR glauben will; eine DDR, die – gewollt oder ungewollt – auch Heimat für 16 Millionen Menschen war.
    Welche Art der Auseinandersetzung ist gesellschaftlich gewollt?
    Wie steht es um die Aufarbeitung der SED-Diktatur tatsächlich? In den zurückliegenden Monaten wurde vor allem darüber diskutiert, ob wir noch eine eigene Behörde für die Stasi-Akten brauchen. Im Frühjahr hat eine Expertenkommission empfohlen, die Akten weiter offen zu halten, sie allerdings in das Bundesarchiv zu überführen. Als Termin wird 2019 genannt; in dem Jahr wird der 30. Jahrestag des Mauerfalls begangen. Der Bundestag jedoch hat die Entscheidung darüber auf die nächste Legislaturperiode vertagt.
    Doch welche Art von Auseinandersetzung mit diesem Teil deutscher Geschichte ist gesellschaftlich gewollt? Und welche Aufgabe übernimmt die politische Bildung zu einem Zeitpunkt, wo immer mehr Menschen in Deutschland die SED-Diktatur nicht mehr erlebt haben? Wer prägt das DDR-Bild der Jahrgänge 1989 plus? Sind es Gespräche in der Familie? Und dienen Schule, Ausstellungen und Medien als Korrektiv?
    "Erinnern, verklären, aufarbeiten - Was uns die DDR-Geschichte heute sagt", so lautete das Thema der Diskussion in der Reihe "Streitfragen Ost-West", einer Gemeinschaftsveranstaltung von Deutschlandfunk, Leipziger Volkszeitung und Zeitgeschichtlichem Forum Leipzig.
    Es diskutieren:
    • Prof. Dr. Everhard Holtmann, Forschungsdirektor am Zentrum für Sozialforschung Halle e.V.
    • Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk, Historiker und Autor
    • Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung
    • Sabine Rennefanz, Buchautorin und Redakteurin der Berliner Zeitung