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Erinnerungen sind gegenwärtig

Die jüngsten Zusammenstöße zwischen Oppositionellen und Sicherheitskräften in Iran haben es erneut bewiesen: Die Machthaber greifen resolut durch.

Von Peter Philipp | 30.12.2009
    Letztes Wochenende in Teheran: "Allahu Akbar" - schallt es durch die Straßen der iranischen Hauptstadt. Die jungen Leute sehen nicht gerade aus wie religiöse Fanatiker, aber sie benutzen diesen Ruf, um sich gegen Anfeindungen zu schützen, sie seien "Feinde der Islamischen Republik" und "Feinde des Islam".

    Seit Monaten wenden die Demonstranten diese Taktik an, obwohl längst feststeht, dass auch dies keinen Schutz darstellt: Die jüngsten Zusammenstöße zwischen Oppositionellen und Sicherheitskräften haben es erneut bewiesen: Die Machthaber greifen resolut durch; es gibt Tote und Verletzte; Hunderte werden verhaftet; oppositionellen Führern wird – wie gestern offiziell zementiert – die Todesstrafe angedroht; heute ist es zu Massenkundgebungen gekommen, diesmal von Regimeanhängern, sie wenden sich vehement gegen die Oppositionellen; die Lage spitzt sich mehr und mehr zu. Auch weil die Regimegegner inzwischen auch nicht mehr davor zurückschrecken, den obersten Vertreter des Staates, Ayatollah Ali Khamenei, im Volksmund die "Seele Khomeinis", anzugreifen…

    Die neue Eskalation in der Islamischen Republik wird von manchen Beobachtern, vor allem aber von iranischen Regimekritikern als Anfang vom Ende der Islamischen Republik betrachtet. Ähnlich habe es auch damals begonnen – in den letzten Monaten der Schah-Herrschaft, ähnlich werde es auch jetzt kommen. Andere warnen, dass solche Prognosen völlig irreführend seien, weil die Umstände heute anders seien als damals.

    Sicher aber ist, dass es historische Parallelen gibt. Nicht nur mit Blick auf das Ende der Schah-Herrschaft, sondern auch mit Blick auf andere Kapitel der iranischen Geschichte. Benannt werden müssen da der Tod des Enkels des Propheten, die "Konstitutionelle Revolution" zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die Befreiung Irans vom ausländischen Einfluss auf die Ölindustrie und – vor 30 Jahren dann – der Sturz des Schahs. Ein Blick in die iranische Geschichte vermag zwar nicht die Zukunft vorauszusagen, die Vorkommnisse der Gegenwart aber vielleicht doch verständlicher machen.

    Kaum ein Termin wäre besser geeignet gewesen als dieser: Wie jedes Jahr gedenken die Schiiten im Iran und in anderen Ländern des gewaltsamen Todes von Imam Hussein, dem Enkel des Propheten Mohammed. Die "Ashura"-Feierlichkeiten stellen den höchsten Trauertag im schiitischen Islam dar, denn Hussein wird als erster Märtyrer im Kampf gegen despotische Obrigkeit betrachtet und verehrt: Er hatte einst zum Aufstand gegen die Herrschaft der Omayyaden im Zweistromland aufgerufen, wurde aber im Jahr 680 in der Schlacht bei Kerbala – im heutigen Irak – von der Übermacht seines Gegners, des Kalifen Yazid, geschlagen und getötet.

    Mehr als ein Jahrtausend später schwören Demonstranten in den Straßen von Teheran Yazid Rache. Sie meinen damit aber nicht einen fremden Herrscher, sondern den "Obersten Führer" der Islamischen Republik, Ayatollah Ali Khamenei. "Der Diktator muss gehen!" - ist in Sprechchören zu hören und zum ersten Mal werden offen Bilder des Führers zerrissen und verbrannt. Vor kurzem war das noch undenkbar, denn die Staatsdoktrin der "Velayate Faqih" – der "Herrschaft des höchsten Rechtsgelehrten" – verleiht diesem die Stellung eines Unantastbaren. Sein Wort gilt, Zweifel an ihm zu äußern, kommt Gotteslästerung nahe und wird als Hochverrat verfolgt.

    Diese privilegierte Stellung wurde dem Revolutionsführer, Ayatollah Khomeini, nach dem Sturz des Schahs widerspruchslos zugestanden, denn er war der unbestrittene Held des Aufstandes gegen den Schah und dessen Sturzes. Und niemand nahm im Iran Anstoß daran, dass Khomeini unmittelbar nach seiner Rückkehr aus dem Exil in Teheran verkündete:

    "Ich muss euch sagen, dass Mohammad Reza Pahlavi, jener üble Verräter, weg ist. Er zerstörte unser Land und füllte unsere Friedhöfe. Er zerstörte die Wirtschaft des Landes. Wir erklären: Dieser Mann, seine Regierung und sein Parlament sind Unrecht. Wenn sie an der Macht geblieben wären, hätten wir sie als Kriminelle behandelt und sie als solche vor Gericht gestellt. Ich werde meine eigene Regierung ernennen, ich werde dieser Regierung eine Ohrfeige erteilen. Wenn ich die Regierung bestimme, dann tue ich das mit der Rückendeckung der Nation, denn diese Nation akzeptiert mich."

    Auch der Schah hatte lange - allzu lange - geglaubt, dass das Volk ihn akzeptiere und dass er doch nur das Beste für das Volk gewollt habe. Dabei hatte er sich schon früh von diesem Volk entfernt, hatte eigenmächtig und selbstherrlich ohne Rücksicht auf religiöse Gefühle und bürgerliche Rechte der Bevölkerung geherrscht. Gegner wurden als Kommunisten beschimpft und mit äußerster Härte verfolgt. In dem Maße, wie der Schah sich von seinem Volk entfernte, war er angewiesen auf Hilfe von außen. Konkret: Auf die Hilfe der USA, die ihm im Jahr 1953 halfen, die Macht zurückzuerlangen. Der gewählte Ministerpräsident Mohammad Mossadegh war durch einen CIA-Putsch gestürzt worden und der ins Ausland geflüchtete Schah konnte daraufhin in sein Land zurückkehren.

    Auch Mossadegh gilt bis heute als eine zentrale Figur der iranischen Geschichte: Er hatte die iranische Erdölindustrie verstaatlicht und sich damit dem Einfluss der Auslandes widersetzt, auch als dieses den Iran mit Sanktionen belegte:

    "Im Widerspruch zur Charta der Vereinten Nationen hat England eigenmächtig Wirtschaftssanktionen gegen eine friedliche Nation verhängt, die für Gerechtigkeit und Demokratie eintritt."

    Bis heute ist ein Teil des Misstrauens Irans gegenüber dem Ausland in jenen Ereignissen begründet. Und es sind Iraner der verschiedensten Couleur – bis hin zu den klerikalen Herrschern der Islamischen Republik - die Mossadegh als Symbolfigur für sich beanspruchen. Mossadegh wird bis heute auch wegen seines Widerstandes gegen den Schah verehrt und es muss in den Ohren vieler Iraner makaber geklungen haben, als der Monarch sich von ihnen mit folgenden Worten für immer verabschiedete: "Liebe iranische Nation …"

    Schah: "Liebe iranische Nation …"

    Am 7. September 1977 hatten Demonstranten in Teheran zum ersten Mal offen den Rücktritt des Schahs gefordert, dieser verhängte sofort das Kriegsrecht und einen Tag später kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen Militär und Demonstranten. Hunderte kamen dabei ums Leben und das Schicksal des Schahs war besiegelt. Er war nicht mehr zu retten und auch die USA ließen ihn fallen, obwohl der damalige Präsident Jimmy Carter den Schah noch als wichtigsten Verbündeten in der Region feierte:

    "Der Iran ist – wegen der großartigen Führung durch den Schah – eine Insel der Stabilität."

    Die Iraner hatten verstanden: Zum ersten Mal bot sich ihnen die Chance, einen Herrscher zu beseitigen. Und fast alle Schichten und politischen Richtungen der Bevölkerung waren daran beteiligt, wie sich Ali Akbar Haschemi Rafsanjani erinnert. Er war ein Mitstreiter Khomeinis, später Präsident der Islamischen Republik.

    Rafsanjani: "Vor der Rückkehr von Imam Khomeini in den Iran hatten die religiösen und säkularen Bewegungen sich zusammengetan. Alle diese Bewegungen waren fortschrittlich, denn sie beriefen sich auf denselben Weg. Und in den Gefängnissen, in denen auch ich gesessen habe, gab es alle politischen Richtungen."

    Rafsanjani gilt heute als einer der Hintermänner der aktuellen Proteste:
    Er war es gewesen, der nach den Präsidentschaftswahlen vom Juni dieses Jahres maßgeblich für eine Korrektur plädierte und für eine Berücksichtigung der Klagen aus der Bevölkerung. Doch er hatte sich nicht durchsetzen können und sich daraufhin aus der Öffentlichkeit zurückgezogen – nicht ohne zuvor wichtige Geistliche zu mobilisieren: In der Heiligen Stadt Qom war es besonders Großayatollah Hossein Ali Montazeri, der einst als Nachfolger Khomeinis vorgesehen, dann aber bei dem in Ungnade gefallen und von Khamenei – dem heutigen Obersten Rechtsgelehrten - überholt worden war. Montazeri kritisierte besonders die zu enge Verbindung von Staat und Religion und die daraus resultierende Unterdrückung der Bevölkerung, die sich nach mehr bürgerlichen Freiheiten sehnt.

    Der greise Ayatollah wurde so zur "Grauen Eminenz" der Protestbewegung und es schlossen sich ihm rasch zahlreiche andere wichtige Geistliche an. Unter anderem, weil sie Khamenei wegen seines niedrigen theologischen Ranges nie für das Amt des "Obersten Führers" für befähigt gehalten hatten. Eine Woche vor dem Ashura-Fest starb Montazeri, ohne eine auch nur annähernd vergleichbare Persönlichkeit zu hinterlassen, an der sich die heutige Protestbewegung orientieren könnte.

    Der Verlust Montazeris muss auf die Demonstranten ähnlich gewirkt haben wie die Atmosphäre während des Ashura-Festes: Die Trauer steht im Mittelpunkt, die Trauer um Männer, die sich für Freiheit und Unabhängigkeit eingesetzt haben.

    So inspirierend die Identifikation mit solchen Männern auch für die Protestierer sein mag, so frustrierend muss doch auch sein, dass schon diese beiden Persönlichkeiten – Imam Hussein wie Großayatollah Montazeri - keine "Führer" waren und sein konnten, sondern bestenfalls Symbolfiguren: Der eine längst tot, der andere bis ins hohe Alter entschieden gegen eine politische Rolle eingestellt. Andere Führer aber hat die Protestbewegung derzeit nicht: Da gibt es zwar die bei den Präsidentschaftswahlen unterlegenen Kandidaten Mir-Hossein Mousavi und Mehdi Karoubi, diese halten sich aber seitdem weitgehend bedeckt und entgehen wohl nur so einer Verhaftung durch die Sicherheitsbehörden.

    Und weitere Führer sind heute noch nicht auszumachen: Weder im Iran noch im Ausland: Die unterschiedlichsten Exilgruppen versuchen dort nun zwar, sich als Teil des Widerstandes hinzustellen, die vergangenen Jahre haben aber mehr als deutlich gezeigt, dass diese Gruppen im Iran und in der iranischen Bevölkerung kaum Zuspruch erfahren.

    Hierin besteht sicher einer der Haupt-Unterschiede zwischen damals, der Zeit der islamischen Revolution, und heute: Zwar waren damals wie heute die verschiedensten politischen Gruppierungen vereint im Protest, es gibt aber heute keinen, der sie zumindest vorübergehend anführen könnte, wie Ayatollah Khomeini es getan hatte. Moderne Technologien wie das Internet und Mobiltelefone helfen den Demonstranten zwar, ihren Protest weltweit publik zu machen, im wirklichen Ernstfall dürfte ihnen das aber nur wenig nützen: Letztlich sind die Demonstranten zwar mutig und entschlossen, die Gegenseite aber ist hoch bewaffnet, gut trainiert und gegebenenfalls vermutlich ebenso bereit zu massiver Gewalt wie einst die Sicherheitskräfte unter dem Schah.

    Einfache Soldaten und Polizisten könnten sich im Ernstfall zwar auf die Seite der Demonstranten stellen – wie einst auch unter dem Schah - doch das iranische System hat gut vorgesorgt: Die Pasdaran, die Elite-Einheiten der "Revolutionsgarden", sind die eigentliche militärische Macht im Land: Bestens ausgebildet und ausgerüstet und wegen ihrer bevorzugten Stellung auf Gedeih und Verderb dem System verbunden.

    Wie es auch die "Bassiji" sind – Abertausende junger Leute aus der ärmeren Schicht, die vom Staat mit kleinen wirtschaftlichen Vorteilen und der nötigen Ideologie des "rechten Weges" geködert werden, das System zu schützen. Es sind diese Bassiji, die heute mit ihren Motorrädern rücksichtslos gegen Demonstranten vorgehen. Die Revolutionsgarden werden bisher nicht eingesetzt. Geschähe dies, dann würde der Protest endgültig im Blut erstickt.

    Das Ausland betrachtet die Entwicklungen im Iran mit einer Mischung von Sorge und Hoffnung: Hoffnung bei den einen, die weiterhin an den Regimewechsel denken, Sorge bei denen, die befürchten, dass die wirkliche Explosion mit all ihren unabsehbaren Folgen erst noch kommen könnte. Und wie so oft im Umgang mit dem Iran – etwa in der Frage des Atomstreits - demonstriert das Ausland seine Unfähigkeit, positiv auf die Dinge einzuwirken. Das ist auch schwer, weil eine allzu klare Parteinahme für die Demonstranten diese dem Vorwurf aussetzt, Handlanger des Auslandes zu sein, ein Schweigen aber Verrat an den eigenen Idealen von Freiheit und Menschenrechten wäre.

    Beispielhaft mag die Reaktion von US-Präsident Barack Obama sein. Dieser hatte sich eigentlich vorgenommen, mit dem Iran in einen Dialog einzutreten. Die Wahlen und ihre Folgen, dann auch wieder die Entwicklungen im Atomstreit haben ihn daran aber ebenso gehindert wie die immer wieder aufflackernden Unruhen im Iran. Gleich nach den Wahlen zögerte Obama und handelte sich dafür Kritik amerikanischer Hardliner ein, selbst aus den eigenen Reihen. Inzwischen kommen die Reaktionen rascher, viel mehr als schöne Worte sind sie aber nicht.

    Obama: "Die Vereinigten Staaten schließen sich der internationalen Gemeinschaft an bei ihrer entschiedenen Verurteilung der gewaltsamen und ungerechten Unterdrückung unschuldiger Iraner, die zu Verhaftungen, Verletzungen und selbst Tod führt. Was im Iran geschieht, hat nichts mit den Vereinigten Staaten zu tun oder mit irgend einem anderen Land. Es geht hier um das iranische Volk und seine Hoffnung auf Gerechtigkeit und bessere Lebensbedingungen. Die Entscheidung der iranischen Führung, mit Furcht und Tyrannei zu herrschen, wird diese Hoffnung nicht auslöschen."

    Auch die Verantwortlichen in Teheran scheinen heute von der Entwicklung überrascht und überfordert zu sein. So werden zwar weiterhin strikte Zensurbestimmungen durchgesetzt und der Empfang ausländischer Medien im Iran zum Teil gestört, man gab diesmal aber relativ rasch zu, dass es bei den Zusammenstößen während des Ashura-Festes eine Anzahl von Toten gegeben hat. Erst verspätet setzte dann der Versuch ein, die Dinge im Sinne des Regimes zu erklären: Die Toten seien nicht die Opfer von Sicherheits-organen, sondern möglicherweise von "agents provocateurs" aus den Reihen der Demonstranten.

    Und hinter den Demonstrationen stünden – diese Erklärung ist nicht neu – ausländische Kräfte. Wobei das Spektrum der möglichen Verdächtigen groß ist: Es reicht von Großbritannien – dem traditionellen und historischen Widersacher – über die USA und Israel bis hin zu Saudi-Arabien, zu dem die Beziehungen sich in letzter Zeit wegen des saudisch-jementischen Konflikts deutlich verschlechtert haben.

    Noch wollen die Machthaber in Teheran aber den Eindruck erwecken, als handle es sich bei den Demonstranten nur um eine kleine und noch dazu fast kriminelle Minderheit. So betonen offizielle Sprecher, dass am Ashura-Tag Millionen Iraner friedlich auf die Straße gezogen seien, wohingegen die "paar Tausend" Demonstranten doch sicher eine Minderheit wären. Der Sprecher des Teheraner Außenministeriums, Ramin Mehman-Parast.

    "Das Vorgehen bestimmter Individuen, an solch einem besonderen Tag Gesetz und religiöse Gefühle zu verletzen und sich gegen die iranische Nation zu stellen, ist nicht richtig und nicht angebracht. Das ist Rebellion"… "Wenn andere Länder diese Verstöße gegen das Gesetz unterstützen und die Protestierer noch ermutigen, dann muss man das als Einmischung in die inneren Angelegenheiten betrachten."

    Solche Erklärungen gehören zum Standard-Vokabular bei den zahlreichen Streitigkeiten zwischen Teheran und dem Ausland. Sie können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Iran im 31. Jahr nach der Revolution auf weitere Veränderungen vorbereitet und sich auf sie zubewegt – Veränderungen, die nicht von heute auf morgen kommen werden und die durch noch mehr Gewalt weiter hinausgezögert, langfristig aber nicht verhindert werden können.

    Unter den konservativen Machthabern – und dies ist schließlich ein zentraler Aspekt – ist deswegen ein heftiger Machtkampf im Gang, der die Entwicklungen seit den Wahlen gefördert, wenn nicht gar erst ermöglicht hat. Es ist nicht der Konflikt zwischen Konservativen und Reformern wie einst unter dem damaligen Präsidenten Khatami, sondern es ist heute der unter den Konservativen. Der Reformer Khatami kann heute nicht einmal mehr ungestört in einer Moschee sprechen: Anhänger der Bassiji drangen am Wochenende in die Moschee ein und die Versammlung ging im Tumult unter:

    Von den Reformern ist praktisch keiner geblieben, der Aussicht auf die Macht hätte. Es sind die Konservativen, die untereinander streiten: Um das richtige Verhältnis zwischen Staat und Religion, über Macht und Machtmissbrauch, über Korruption und Integrität oder über Isolationismus und globale Einbindung. Die Meinungen gehen weit auseinander, aber in einem sind sich alle einig: Das Prinzip der "Islamischen Republik" wird nicht in Frage gestellt.

    Dasselbe trifft offenbar auf viele Demonstranten zu: Sie protestieren gegen die Führung des Staates, nicht aber gegen das System. Es sind zum großen Teil moderne junge Leute, sie ziehen aber mit "Allahu Akbar" auf die Straße. Und mit jedem neuen Zusammenstoß, den es mit den Sicherheitsorganen gibt, gesellen sich auch ältere Iranerinnen und Iraner zu ihnen. Viele von ihnen sind zumindest traditionell-religiös.

    Es ist so gut wie unmöglich, überzeugende Lösungsszenarien für diesen Konflikt aufzuzeigen. Aufgrund des ungleichen Kräfteverhältnisses zwischen Macht und Opposition und wegen des Fehlens einer mitreißenden Führungsfigur bleibt aber nur eine denkbare Variante: Die islamische Republik erneuert sich von innen, indem heute noch konservative aber dennoch kritische Geister an Macht und Einfluss gewinnen.

    Für die Unzufriedenen ist das sicher keine Ideallösung, weil sie nicht weit genug geht und lange Zeit in Anspruch nehmen wird. Da mag es ein schwacher Trost sein, dass alles das, was heute passiert, letztlich Teil eines Prozesses ist, der bereits vor 1300 Jahren mit Imam Hussein seinen Anfang nahm …