"Erinnern reicht nicht!" So hieß das Motto einer großen Konferenz, die Mitte Januar in Frankfurt stattfand. Mehr als 200 Wissenschaftler, Aktivisten und Fans diskutieren über die Erinnerungskultur im und durch Fußball.
Bündnis "Nie wieder" hält Erinnerung an die Schrecken der NS-Zeit wach
Seit 15 Jahren veranstaltet das Bündnis "Nie Wieder" Aktionen rund um den 27. Januar, den internationalen Holocaust-Gedenktag. Dazu gehören Lesungen, Forschungen oder die Verlegung von Stolpersteinen.
Das Sportgespräch brachte drei Persönlichkeiten zusammen, die in diesem Bereich Maßstäbe gesetzt haben. Daniel Lörcher, Abteilungsleiter für Fanangelegenheiten bei Borussia Dortmund, der regelmäßig Bildungsreisen in Gedenkstätten organisiert. Susanne Franke von der Schalker Fan-Initiative, einer Projektgruppe, die sich seit mehr als 25 Jahren gegen Diskriminierung stark macht. Und Matthias Thoma, der als Leiter des Eintracht-Frankfurt-Museums auch das Gedenken an jüdische Opfer im Dritten Reich hochhält.
Biografien stehen im Fokus
Es reiche nicht, mit Fans für einen halben Tag nach Auschwitz zu fahren, findet Daniel Lörcher: "Wichtig ist eine ausführliche Vorbereitung, in der sich die Gruppe kennenlernen kann. Wir möchten möglichst viele Fans aus unterschiedlichen Bereichen und Altersgruppen ansprechen." Lörcher hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit Erinnerungsarbeit beschäftigt, auch didaktisch. "Manche Opferzahlen mögen abstrakt erscheinen, daher möchten wir das Thema auch über Biografien erschließen", sagt Lörcher. "Wir individualisieren und stellen einen breiten Kontext her."
Sesnibilisierung gegen den Rechtsextremismus der Gegenwart
Die Teilnehmenden der Bildungsreisen erforschen Lebenswege von einstigen BVB-Mitgliedern, die von den Nazis ermordet wurden. "Wir wollen uns auf die Orte einlassen." Aber es gehe nicht darum, ausschließlich Betroffenheit zu erzeugen. "Es ist auch erlaubt, mal Spaß zu haben." Der BVB hat für seine Angebote ein Netzwerk innerhalb der Dortmunder Stadtgesellschaft geknüpft, dazu zählen Gedenkstätten und ein Hauptsponsor, der immer wieder Projekte und Forschungen fördert. Das Ziel: Die Sensibilisierung der Anhänger gegen den Rechtsextremismus der Gegenwart.
Zunehmende Feindseligkeit
Die gleichen Ziele verfolgt Susanne Franke von der Schalker Fan-Initiative, die 2017 mit dem Julius-Hirsch-Preis des Deutschen Fußball-Bundes ausgezeichnet wurde. Die Projektgruppe kooperiert für Veranstaltungen und Ausstellungen unter anderem mit der Jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen. "Es gibt eine kontinuierliche Zusammenarbeit", sagt Franke. "Uns es ist wichtig, dass wir uns nicht nur zu gemeinsamen Aktionen treffen, sondern auch darüber hinaus." Die Neue Synagoge in Gelsenkirchen war immer wieder Ziel von Anfeindungen gewesen. Franke hat mit dem Erstarken des Rechtspopulismus auch zunehmende Diskriminierungen in den Stadien festgestellt. "Wir dürfen uns nicht nur auf Ereignisse konzentrieren, sondern auch auf die Mechanismen dahinter", sagt sie.
Dürftige Quellenlage erfordert Improvisation
Wichtige Orte für diese Arbeit sind mittlerweile die Fußballmuseen in Deutschland. Als einer der Vorreiter gilt Eintracht Frankfurt. "Vor 15 Jahren war es etwas Besonderes, wenn Vereine sich der Erinnungskultur gewidmet haben, heute wird eher der Verein beäugt, der sich dazu nicht äußert", sagt Matthias Thoma. Unter seiner Leitung finden in Frankfurt Workshops mit Schulen oder Preisverleihungen für engagierte Fans statt. "Die Vereine erkennen mittlerweile den Wert der Geschichte", sagt Thoma.
Forscher wie er können nur noch wenige Zeitzeugen befragen. Daher werden die biografischen Interviews digital festgehalten. Eintracht Frankfurt hatte in den 1990er-Jahren eine intensivere Archivarbeit angestoßen. "Die Quellenlage bei den meisten Vereinen ist dürftig", sagt Thoma. Alte Mitgliederlisten oder Korrespondenzen seien kaum erhalten, und doch gebe es Möglichkeiten für Recherchen: in Stadtarchiven, Amtsgerichtsakten oder historischen Instituten. In Frankfurt wurde eine jährliche Auszeichnung für Erinnerungsarbeit ausgerufen, ihr Name: "Im Gedächtnis bleiben".
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Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.