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Eritrea
Flucht vor Repressionen und Rückständigkeit

Unterdrückung, Armut, Menschenrechtsverletzungen: Tausende Eritreer fliehen aus diesen Gründen jedes Jahr aus ihrem Land. Viele von ihnen kommen dabei elendig in der Wüste ums Leben. Der Staat, der seit über 20 Jahren mit eiserner Hand von derselben Regierung geführt wird, ist international völlig isoliert - macht dafür jedoch andere verantwortlich.

Von Oliver Ramme | 08.04.2016
    Jugendliche auf dem Land in Eritrea sitzen auf einem Karren mit Stroh, vor den ein Esel gespannt ist.
    Jugendliche auf dem Land in Eritrea (Deutschlandradio / Oliver Ramme)
    Asmara, die Hauptstadt von Eritrea. Nur wenige Gehminuten vom Stadtzentrum entfernt liegt der sogenannte Metallmarkt mit seinen verwinkelten Gassen und Werkstätten. Auch in der Mittagshitze schuften hier hunderte, tausende Männer; sie sägen, schweißen und hämmern. Überall steht Metall herum. Rohre, alte Ölfässer, Schrott. Die Arbeiter tragen einfache Kleidung und Sandalen. Wenn beim Schweißen die Funken fliegen, schützen sie ihre Augen höchstens mit einer Sonnenbrille. Sie bauen kleine Brennöfen, Tische, Gartenzäune oder Kirchenkreuze.
    Der Metallmarkt, der in seiner Einfachheit fast mittelalterlich wirkt, gilt als größter privater Arbeitsmarkt in Eritrea. In dem kleinen Land in Ostafrika finden sich fast nur Staatsbetriebe: Betonfabriken, Kieswerke, Agrarunternehmen oder Baufirmen. High Tech gibt es nicht in Eritrea. Der Metallmarkt in seiner Rückständigkeit ist insofern exemplarisch für den Wirtschaftsstandort Eritrea.
    Er ist außerdem ein Ort, an dem Menschen untertauchen können, zum Beispiel Deserteure, die aus dem international umstrittenen Nationalen Dienst fliehen. So wie ein Schmied, der seinen Namen nicht nennen will:
    "Ich habe meinen Vorgesetzten beim Nationalen Dienst gefragt, ob ich meine Frau hier in Asmara besuchen darf. Sie war krank, sie rief mich an, weil sie Geld brauchte. Mein Chef erlaubte mir dann endlich die Reise hierher. Ich hätte aber innerhalb von zehn Tagen zurückkommen sollen. Das konnte ich aber nicht, weil meine Frau über drei Monate im Krankenhaus bleiben musste."
    Der junge Mann ist seit Oktober vergangenen Jahres flüchtig aus seinem Dienst.
    "Wenn ich wieder in meinen Dienst zurückkehre, werde ich eingesperrt. In einen Container. Für jeden Monat Fernbleiben aus dem Dienst, ein Monat Container."
    Auf dem Metallmarkt - größter Arbeitgeber des Landes.
    Auf dem Metallmarkt - dem größten Arbeitgeber des Landes. (Deutschlandradio / Oliver Ramme)
    Das wären sieben Monate für ihn. Der Nationale Dienst gilt als wichtigste Fluchtursache für junge Männer und Frauen in Eritrea. Die meisten verstecken sich nicht - wie der junge Schmied - innerhalb des Landes. Sondern sie suchen ihr Glück in den Nachbarländern Äthiopien oder Sudan oder sogar in Europa. Wie viele das Land verlassen, darüber führt niemand Statistik. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen leben 360.000 Flüchtlinge aus Eritrea allein in der Europäischen Union.
    Im politischen Schwebezustand
    Der Nationale Dienst für volljährige Männer und Frauen wurde kurz nach Staatsgründung 1993 eingeführt. Eine Mischung aus Wehrdienst und Arbeit in einem der zahlreichen Staatsbetriebe. Ursprünglich war dieser patriotische Dienst auf 18 Monate begrenzt, tatsächlich kann er aber vollkommen willkürlich verlängert werden. Manche Eritreer leisten diesen Dienst zehn Jahre oder länger ab. Dafür müssen sie ihre Heimat und ihre Familien verlassen und oft an einen weit entfernten Dienstort ziehen. So wie der Schmied, der hunderte Kilometer fahren musste, um seine kranke Frau zu besuchen.
    200 Kilometer westlich von Asmara liegt das Dorf Tokombia. Ein paar Lehmhütten in gleißender Sonne. Das Land hier ist trocken, fast wüstenhaft, das Leben wirkt rückständig.
    Unter einem Strohdach läuft ein Kamel im Kreis. Seine Augen sind mit einer Binde verdeckt, damit es nicht scheut. Das Tier bewegt eine Sesampresse. Ein Holzstamm rotiert in einem öligen Trog. Von Tokombia aus ist es nicht mehr weit zur Grenze nach Äthiopien.
    "Wir haben hier im Großen und Ganzen Frieden. An der Grenze ist es ruhig. Da passiert nicht viel. Und wir wollen auch keinen Ärger mit Äthiopien."
    Tesfalem Andom ist der Ortsvorsteher von Tokombia. Er gehört der Einheitspartei PFDJ an, der Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit. Es ist die einzige zugelassene Partei in Eritrea; sie ist nach eigener Darstellung marxistisch orientiert und stellt seit mehr als 20 Jahren eine Art Übergangsregierung. Der Übergang scheint jedoch genauso unbefristet zu sein wie der Nationale Dienst für junge Männer und Frauen.
    All diese Ausnahmen und Sonderregelungen begründet die Regierung mit einem politischen Schwebezustand. Kein Krieg, aber auch kein Frieden mit Äthiopien. Der junge Staat Eritrea mit seinen gut sechs Millionen Einwohnern fühlt sich ständig bedroht vom großen Nachbarn und ehemaligen Bruder im Süden. Äthiopien hatte die sogenannte Provinz Eritrea 1961 eingegliedert. Der Unabhängigkeitskrieg dauerte 30 Jahre und hat Eritrea ausbluten lassen.
    "Wir haben hier durchaus Potenzial. Ein bisschen Industrie, auch ist das Land fruchtbar. Wir hoffen einfach auf eine stabile Grenzsituation."
    Ein Kamel läuft an einer Leine.
    Einfaches Leben in Tokombia im Grenzgebiet zu Äthiopien (Deutschlandradio / Oliver Ramme)
    Äthiopien erkennt die Grenze allerdings nicht an und besetzt seit Jahren ein Dorf namens Badme. Ein wüstenhafter Flecken Erde, wo ebenfalls Kamele in Sesammühlen ihre Kreise drehen. Ob denn auch aus dieser Gegend junge Menschen vor dem Nationalen Dienst fliehen? Ortsvorsteher Andom reagiert ausweichend:
    "Es ist ganz normal, dass die Leute gehen und auch wieder kommen. Die gehen in Gruppen nach Äthiopien und stellen dann fest, dass es dort auch nicht so einfach ist in den Flüchtlingscamps. Das Fliehen scheint eher so eine Art jugendliche Herausforderung oder Mode zu sein."
    Was der Ortsvorsteher als jugendliche Mode abtut, ist für tausende junge Eritreer jeden Monat bitterer Ernst. Sie fliehen nicht nur vor dem Nationalen Dienst, sondern vor Diktatur und Repression, vor Armut und Hoffnungslosigkeit.
    "Das Land steuert ins Nirgendwo"
    Wieder in Asmara, der Hauptstadt, unterwegs im Auto mit Abraham und John. Die beiden Männer um die 30 gehören zu den wenigen, die sich kritisch über ihre Heimat und ihre Regierung äußern. Sie tun dies unter der Bedingung, ihre wahren Namen nicht zu nennen und ihre Stimmen unkenntlich zu machen:
    "Ich bin nicht stolz darauf, auf dem Schwarzmarkt zu arbeiten. Ich würde gerne Anerkennung in einem normalen Beruf erfahren. Aber ich muss auch leben können."
    John handelt auf dem Schwarzmarkt mit Devisen, was verboten ist. Er hat studiert, ein Diplom gemacht. Doch eine Urkunde darüber hat ihm der Staat nicht ausgehändigt. Würde er fliehen, könnte er seine Ausbildung nicht nachweisen. Nach seinem Studium habe er fast zehn Jahre lang im Nationalen Dienst arbeiten müssen. Jetzt findet er in dem Land mit einem nur winzigen privaten Sektor keine lukrative Beschäftigung mehr:
    "Ich war lange Optimist. Ich bin zum Pessimisten geworden. Jeder in unserem Alter denkt daran, abzuhauen. Das Land steuert ins Nirgendwo. Und als Mensch muss man sich doch Träume erfüllen. Das geht hier nicht, deshalb entscheidet man sich abzuhauen."
    Lebenshaltungskosten sind enorm hoch
    Wer durch die Straßen von Asmara fährt, wird an die italienische Kolonialzeit erinnert: Von 1890 bis 1941 gehörte Eritrea zu Italien. Und der italienische Diktator Mussolini wollte aus Asmara das Piccola Roma formen, ein kleines Rom. Das zumindest ist dem Duce gelungen. Die Stadt ist makellos. Kein Schmutz. Die Diktatur ist auf den ersten Blick nicht sichtbar: kaum Polizeipräsenz. Nirgendwo Staatspropaganda. Kein Führerkult. Die Unterdrückung ist trotzdem spürbar, sagt Abraham. Auch er wirkt hoffnungslos:
    "Das Land hat, seitdem wir unsere Freiheit erkämpft haben, den Rückwärtsgang eingelegt. Im Bereich Gesundheit, Schule und wirtschaftliche Produktion. Und das nach 25 Jahren der Unabhängigkeit."
    Eine Straße in Asmara.
    Italienisches Flair in Asmara. (Deutschlandradio / Oliver Ramme)
    Tatsächlich sind die Lebenshaltungskosten in Eritrea enorm hoch. Ein Liter Sonnenblumenöl kostet umgerechnet beispielsweise sechs Euro. Ein Pfund Nudeln hat den gleichen Preis. Der Liter Benzin liegt bei 3 Euro. Auch lokale Erzeugnisse wie Orangen oder Tomaten sind teuer, kosten ähnlich viel wie in Deutschland. Doch die hunderttausenden, die im Nationalen Dienst feststecken, verdienen nur zwischen 50 und 100 Euro monatlich. John verdient auf dem Schwarzmarkt immerhin das Dreifache.
    Präsident Afewerki regiert mit eiserner Hand
    Eritrea ist nahezu abgeschnitten von internationalen Devisen, es gibt kaum Handel mit anderen Ländern. Gezahlt wird mit streng limitierten Geldnoten. So soll die galoppierende Inflation gestoppt werden. Kenner des Landes, die nicht namentlich zitiert werden wollen, sehen Eritrea längst am wirtschaftlichen Abgrund. Diesen Eindruck hat auch Abraham.
    "Jeder in der Regierung hat Schuld. Ich würde das nicht nur dem Präsidenten ankreiden. Alle arbeiten unter ihm. Keiner kritisiert ihn. Denn dann gehen die direkt ins Gefängnis. Die haben Angst, den Mund aufzumachen."
    Es ist wenig bekannt über die Regierung in Eritrea.
    Hervorgegangen ist sie aus dem Widerstand gegen Äthiopien. Doch bis heute hat keine Wahl in Eritrea stattgefunden. Die Verfassung ist zwar 1997 verabschiedet worden, aber nie in Kraft getreten. Der Staat befindet sich in einer dauerhaften Übergangsphase, ähnlich einem Kriegsrecht.
    Die meisten Gesprächspartner sagen, die Regierung sei nicht korrupt und die Minister lebten in ähnlich armen Verhältnissen wie auch der Rest der Bevölkerung. Die Regierung treffe sich nur zwei Mal im Jahr. Niemand im Kabinett sei jünger als 65. Alte Kämpfer, die Bitterkeit und Stolz vereinen.
    An erster Stelle steht Diktator und Präsident Isayas Afewerki. Seit der Unabhängigkeit 1993 führt er Eritrea mit eiserner Hand. Von ihm sieht und hört man wenig. Seine wenigen Auslandsreisen führen ihn meist zu den Partnern Saudi-Arabien und Katar.
    Ab und an lässt sich der Präsident vom staatlichen Fernsehen und dessen handzahmen Journalisten befragen. Der Staatsrundfunk firmiert unter dem Slogan: Serving the Truth. Der Sender dient aber wohl weniger der Wahrheit, sondern eher der Regierung. Kritische Journalisten landen in Eritrea seit 2001 regelmäßig hinter Gittern. Ohne Anklage. Das Gleiche passiert Politikern, die Demokratie einfordern. Einem Report der Vereinten Nationen zufolge sitzen hunderte, wahrscheinlich sogar tausende, die den Mund aufgemacht haben, in den Gefängnissen. Der Bericht kommt zu dem Schluss: In Eritrea regiert nicht das Recht, sondern die Angst. Von Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist die Rede.
    Berater des Präsidenten: Eritrea wird missverstanden
    Immerhin ist Yemane Gebreab zu einem Gespräch bereit, der persönliche Berater des Präsidenten. Er gilt als zweitwichtigster Mann im Staat. Das Interview findet an einem Sonntag im Parteigebäude in Asmara statt. Gebreab kommt zu Fuß, ohne Dienstkarosse, ohne Bodyguard. Ein hagerer Mann mit einfachem Flanellanzug und weißem Hemd. Auf die Fragen zum Nationalen Dienst antwortet der 62-Jährige nüchtern:
    "Die Leute kennen Eritrea nicht, wissen nicht, wo es liegt, aber sie fragen dich zuerst nach dem Nationalen Dienst. Und ich frage mich: Wie kann dieses Thema eines solch kleinen Landes die globale Agenda bestimmen? Und das zeigt ihnen die Macht der Medien."
    Eine bemalte Wand.
    Keine Propaganda, mit wenigen Ausnahmen. (Deutschlandradio / Oliver Ramme)
    Das ist der Tenor des Gesprächs: Eritrea werde pausenlos missverstanden. Der Nationale Dienst sei vielmehr ein Instrument, um den Vielvölkerstaat zu einen. Für Toleranz und eine gemeinsame Erfahrung zu sorgen. Tatsächlich führt er zur massenhaften Flucht. Er bedaure jeden toten Flüchtling, sagt Präsidentenberater Gebreab:
    "Ich fühle Schmerz und Traurigkeit. Da ist etwas, was man außerhalb unseres Lands nicht versteht. Wenn ein Eritreer stirbt, egal wo, ist es jemand, der nicht weit weg ist von dir. Dies ist ein kleines Land, eine kleine Gesellschaft. Deswegen haben wir Europa aufgefordert, seine Asylpolitik zu ändern, die nämlich auch zum Tod der Flüchtlinge beiträgt."
    Dass Eritreer in Europa politisches Asyl bekommen, versteht Gebreab als Einladung an seine Landsleute. Eritrea sei das Opfer einer internationalen Intrige:
    "Wir wollen nicht abhängig werden - wir sind aber gleichzeitig nicht gegen Hilfe. Wenn jemand mit uns kooperieren will, sehr gerne. Es wurde aber in den letzten 18 Jahren alles unternommen, damit Eritrea keine Partnerschaft aufbauen konnte. Dahinter stecken die USA. Die schieben sogar einen Riegel vor Investitionen. Oder Geldtransfers aus dem Ausland."
    Tatsächlich stehen die USA an der Seite Äthiopiens, dem Nachbarn und Erzfeind Eritreas. Und in Äthiopien schauen die USA offenbar weniger streng auf Menschenrechtsvergehen.
    Schwierige Arbeit für eine deutsche Klinik
    Die Isolation Eritreas ist eine sichtbare Tatsache - sei sie nun gewollt oder erzwungen. Internationale Unterstützung gibt es kaum. Weder sieht man die sonst in Afrika omnipräsenten Nichtregierungsorganisationen mit ihren weißen Jeeps. Noch Plakate, auf denen die EU, die USA oder andere Akteure auf ihr finanzielles Engagement hinweisen.
    "Hier betreten wir das internationale Operationszentrum für Kinder in Asmara…"
    Peter Schwidtal zeigt mit Stolz, was seine kleine Hilfsorganisation Archemed in den letzten 20 Jahren in Eritrea aufgebaut hat. Ein Krankenhaus, das deutschen Standards entspricht. Die Böden spiegelblank. Die Wände frisch gestrichen. Die soliden Türen stammen aus Deutschland, ebenso die modernen medizinischen Apparate. Deutsche Spezialisten kümmern sich um Kinder und Jugendliche, sie operieren komplizierte Brüche, behandeln Organschäden. Die Teams kommen jeweils für zwei Wochen nach Eritrea, und auch Ortskräfte werden hier ausgebildet. Nicht immer zum Nutzen der Krankenstation, berichtet der Internist und Gründer von Archemed Peter Schwidtal.
    "Es ist bitter, wenn man hier einen Chirurgen oder Kinderarzt ausgebildet hat - und plötzlich ist er nicht mehr da. Das ist ein Riesen-Verlust, gerade weil es so wenig medizinisches Personal gibt. Jeder, der geht, ist ein bitterer Verlust. Das ist eine große Gefahr, wenn wir überlegen, junge, ambitionierte Kollegen mit nach Deutschland nehmen zu wollen zur Ausbildung oder Spezialisierung. Da sind uns leider schon einige abhandengekommen."
    Ein Kind liegt in einem Krankenbett.
    In der "deutschen“ Klinik. (Deutschlandradio / Oliver Ramme)
    Archemed kommt aber nicht nur eine humanitäre Aufgabe in Eritrea zu. Die Organisation gilt - aus Mangel an Netzwerken - auch als Brückenkopf.
    "Wir kommen in erster Linie als Ärzte hierher. Wir wollen humanitäre Hilfe leisten. Wir kommen nicht hierher, um zu politisieren. Gleichwohl sind wir durch unser langjähriges Schaffen und die Erfolge bekannt dafür, dass hohe Qualität geliefert wird, auch gute Botschafter unseres Landes. Und da kommt dann der Wunsch: Kann man nicht Kontakte herstellen in die Wirtschaft? Wir wollen Deutschland gerne als Partner haben, sagte mir der Präsident. Euer duales System ist ein Vorbild für uns. Wir möchten gerne deutsche Experten für Ausbildung haben. Insofern wird der Wunsch an uns herangetragen, Verbindungen nach Deutschland zu Unternehmen und zur Politik zu ermöglichen."
    Politiker und Journalisten verhaftet - ohne Prozess
    Tatsächlich gibt es zarte Kontakte zwischen Berlin und Asmara. Im Dezember vergangenen Jahres kam Entwicklungshilfeminister Gerd Müller von der CSU; es war der erste hochrangige Politikerbesuch aus Deutschland in Eritrea seit der Unabhängigkeit. Auch will die Europäische Union in den nächsten Jahren 200 Millionen Euro zur Verbesserung der Stromversorgung durch erneuerbare Energien bereitstellen.
    Dauerthema bleiben für ausländische Politiker wie Hilfsorganisationen allerdings die Menschenrechte in Eritrea: Die Zwangsarbeit beim Nationalen Dienst, die Reisebeschränkungen im eigenen Land, fehlende Presse- und Meinungsfreiheit. Zudem eine hohe Dunkelziffer an politischen Gefangenen. Besondere Bedeutung hat der Vorfall um die sogenannten G 15. Präsident Afewerki hatte 2001 in einem Handstreich das halbe Kabinett, die G 15, und zahlreiche Journalisten ins Gefängnis gesteckt. Bis heute kam es nicht zum Prozess. Angeblich forderten die Politiker und Journalisten mehr Demokratie, sagt die Organisation "Reporter ohne Grenzen". Präsidentenberater Gebreab, der während des anderthalbstündigen Interviews kaum eine Regung zeigt, schlägt nun einen deutlich strengeren Ton an. Bei den Verhaftungen sei es nie um Demokratieforderungen gegangen, sondern um Landesverrat:
    "Das sind Leute, Militärs, die zum Höhepunkt des Krieges mit unsrem Feind Äthiopien konspiriert haben. Und deren Verrat führte zum Tod mehrerer 1.000 Eritreer."
    Reporter: "Und die Journalisten?"
    "Die waren Teil der Gruppe und haben mit denen unter einer Decke gesteckt."
    Reporter: "Wurde ihnen jemals der Prozess gemacht?"
    "Wir haben das auf unsere Art geregelt!"
    Reporter: "Wie sieht diese Art aus?"
    "Es gab einen internen Prozess, in dem wir das abgewogen haben!"
    Reporter: "Hatten die Beschuldigten einen Anwalt zum Beispiel?"
    "Nein!"
    "Wir sehen die gute Politik von Angela Merkel. Wir lieben sie!"
    Fehlende Rechtsstaatlichkeit und der willkürliche Umgang mit politischen Gefangenen legen einen Mantel der Angst über Eritrea.
    Doch es sind nicht nur die Demokratiedefizite, die die Menschen in Scharen aus Eritrea fliehen lassen. Es ist auch die wirtschaftliche Trostlosigkeit.
    Zurück auf dem Metallmarkt von Asmara. Auch der junge Schmied will abhauen - selbst wenn Europa derzeit die Zäune hochzieht:
    "Wir sehen Al Jazeera, BBC und so weiter. Wir sehen die gute Politik von Angela Merkel gegenüber den Flüchtlingen. Wir lieben sie!"
    Auch hier im fernen Eritrea hat man Notiz genommen von den Debatten um Flüchtlinge in Europa. Den Schmied und viele andere in Eritrea hält das aber nicht zurück.