Die Gemeinschaftspraxis Dr. Grassl in München ist überfüllt. An einem runden Stehtisch gegenüber der Eingangstür steht eine Arzthelferin: Das ist die Not-Anmeldung; denn am eigentlichen Empfang haben die Mitarbeiterinnen einfach zu viel zu tun. Mindestens doppelt so viele Patienten wie üblich behandeln sie zur Zeit. Einer der rund 20 Ärzte hier ist Dr. Robert Janson-Müller.
"Wir haben ja überall gelesen und gehört, dass die Grippewelle auf uns zurollt. Dass es dieses Jahr stärker ist als letztes Jahr. Soweit ich weiß, haben die Virusstämme, die in der Impfung sind, mutiert, sodass die Impfungen nicht so gut greifen wie in den Jahren vorher."
Mittlerweile spricht das Robert-Koch-Institut, kurz RKI, von einer "hohen Grippe-Aktivität" in Deutschland. Eine aktuelle Landkarte im Internet verdeutlicht den sprunghaften Anstieg: Sie wird von Woche zu Woche immer bunter. Die aktuellste Karte von vor zwei Wochen ist an vielen Stellen rot eingefärbt: In ganz Deutschland sind akute Atemwegserkrankungen momentan stark verbreitet. Bayern liegt sogar über dem Bundesdurchschnitt. Dr. Janson-Müller erzählt aus seiner Münchner Praxis:
"Es gibt den grippalen Infekt – da haben wir relativ viele, etwa 80-90 Prozent. Und es gibt eben auch einige wenige Fälle, die eine wirkliche Influenza haben. Und dann auch sehr, sehr schwer krank sind. Es ist besorgniserregend. Die Zahl der Todesfälle in Deutschland jährlich, die an der Grippe versterben, ist deutlich höher als die Zahl der Verkehrstoten, die wir haben."
Erkältung oder wirklich die Grippe?
Bei den akuten Atemwegserkrankungen unterscheidet das RKI zwischen "grippalen Infekten", also der herkömmlichen Erkältung, und "echter Grippe", also der Influenza. In seinem letzten Wochenbericht sprach das RKI von rund 4.500 Influenzafällen deutschlandweit seit Jahresbeginn; aktuellere Zahlen aus dem bayerischen Gesundheitsministerium lauten auf 2709 gemeldete Erkrankungen. Das sind 495 mehr als im Vergleichszeitraum 2014.
Im Gang vor Dr. Janson-Müllers Behandlungszimmer in der Münchner Praxis stehen ein rotes Ledersofa und ein paar Stühle mit dem gleichen Bezug. Acht Patienten warten auf das Gespräch mit dem Arzt. Die Blicke gehen immer wieder in Richtung Zimmertür; manche lesen Zeitung, andere verschicken Nachrichten per Smartphone. Beinahe jeder hier hat einen dicken Schal um den Hals gewickelt; hustet regelmäßig, muss niesen oder putzt sich die Nase.
"Der Nächste, bitte!"
Im kleinen Sprechzimmer sitzt Dr. Janson-Müller hinter seinem Schreibtisch am Computer – dort sieht er die Informationen über seinen nächsten Patienten. Ein junger Mann kommt zur Tür herein.
"Grüß Gott – Was kann ich für Sie tun?"
"Bin seit gestern krank, hab starke Gliederschmerzen, starken Reizhusten."
"Auch Auswurf?"
"Nee."
"Temperatur erhöht?"
"Gestern abend schon, heut nicht."
Das spricht zum Glück kaum für die gefährliche Influenza, die oft von noch schwereren Symptomen wie hohem Fieber oder Schüttelfrost geprägt ist. Der junge Patient wirkt schlapp, durch seine Brille schaut er den Arzt mit glasigen Augen an. Wahrscheinlich leidet er aber "nur" an einem grippalen Infekt. Für ihn und seine Leidensgenossen hat Dr. Janson-Müller ein paar einfache Tipps:
"Viel Flüssigkeitszufuhr, sich Ruhe gönnen. Auch mal krankschreiben lassen. Und wirklich das Ganze auskurieren."
Um sich vor der deutlich schwereren, "echten" Grippe zu schützen, gibt es die Influenza-Impfung. Die sollte aber vor der jährlichen Krankheitswelle stattfinden und macht auch nicht für jeden Sinn. Dr. Janson-Müller, das bayerische Gesundheitsministerium und das RKI empfehlen sie für bestimmte Personengruppen. Ältere Menschen ab 60, chronisch Kranke und Schwangere. Aber der Influenza und grippalen Infekten könne man auch leicht selbst vorbeugen, weiß der Münchner Arzt Janson-Müller.
"Ich geb prinzipiell niemandem die Hand. Versuche, mir auch meine Hände immer zu desinfizieren, wenn ich Patienten angefasst habe. Versuche, nen gewissen Abstand von ein bis anderthalb Meter zu anderen Menschen zu haben. Bin viel an der frischen Luft, ess viel Obst und Gemüse."