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Erler (SPD) zur Verfasssungsänderung in Russland
"Putin inszeniert und das macht er durchaus eindrucksvoll"

Wladimir Putin werde in Russland zugute gehalten, dass er für Ordnung und Stabilität stehe und für die Bedeutung Russlands in der Weltpolitik sorge, sagte der langjährige Russland-Koordinator der Bundesregierung, der SPD-Politiker Gernot Erler, im Dlf. Das sichere ihm weiter die Zustimmung in der Bevölkerung.

Gernot Erler im Gespräch mit Philipp May |
Der Bundestagsabgeordnete Gernot Erler (SPD) spricht am 24.04.2015 im Deutschen Bundestag in Berlin anlässlich der Debatte zu den Massakern an Armeniern 1915/16. Foto: Britta Pedersen/dpa (zu dpa "Erler: Deutschland will Türkei und Armenien bei Versöhnung helfen" vom 24.04.2015) | Verwendung weltweit
Gernot Erler (SPD) sagte im Dlf, dass es in Russland noch nie eine richtige Demokratie gegeben habe, da oppositionellen Parteien bei Wahlen immer unterdrückt worden seien. (dpa / Britta Pedersen)
Eigentlich hätte der russische Präsident Wladimir Putin sein Amt 2024 abgeben sollen. Er hätte nach zwei aufeinander folgenden Amtszeiten nicht mehr kandidieren dürfen. Dann wäre er doch immerhin 24 Jahre lang an den Schalthebeln der Macht gewesen. Doch jetzt hat die Staatsduma entschieden, dass Putins Amtszeitkonto mit Beginn der neuen Verfassungsreform auf null gesetzt werden soll. Heißt: Er könnte bis 2036 weitermachen. Dazu die Meinung des langjährigen Russlandkoordinators der Bundesregierung, des SPD-Politikers Gernot Erler.
Philipp May: 36 Jahre Putin – läuft es für Sie auch darauf hinaus?
Erler: Auf jeden Fall gibt es die Option, dass Putin das machen kann. Er hat jetzt die Möglichkeit, zu Ende zu regieren bis 2024, und nach dieser Entscheidung von gestern ist es möglich, dass er eine oder zwei Amtszeiten a sechs Jahre noch mal macht. Dann wäre er 83 Jahre, wenn er dann 2036 zum Ende kommt.
"Eine interessante Variante von einer Verfassungsänderung"
May: Das sind ja Amtszeiten, die wir vor allem aus Afrika bisher gekannt haben. Robert Mugabe fällt mir spontan ein. Ist das noch Demokratie?
Erler: Das war nie richtig Demokratie, denn es hat zwar Wahlen gegeben, aber bei diesen Wahlen hat es immer eine Unterdrückung von oppositionellen Parteien gegeben und eine Erschwernis für die aufzutreten. Insofern war das eine spezielle Form, was die Verfassung angeht.
Wladimir Putin am Rednerpult im Parlament
Putin will sich unsterblich machen
Eine Verfassungsänderung soll es Russlands Präsident Wladimir Putin ermöglichen, auch nach dem Ende seiner vierten Amtszeit wieder zu kandidieren. Gegenüber den vielen klugen Köpfen, die Russland bereichern, eine Zumutung, meint Thielko Grieß.
May: Sich von einem willfährigen Parlament bitten zu lassen, noch einmal zu kandidieren. Sie haben gesagt, er hat jetzt die Option, aber man muss ja davon ausgehen, dass er die Option dann am Ende auch wahrnimmt. Agiert Putin aus dem Lehrbuch für Autokraten?
Erler: Putin inszeniert und das macht er durchaus eindrucksvoll. Er hat ja am 15. Januar dieses Jahres das sogenannte "poslanie" vorgetragen, die Rede an die Nation, wo er Veränderungen der Verfassung vorgeschlagen hat. Einen Tag später wurde schon ein neuer Ministerpräsident nach Medwedew gewählt und einen Tag danach ist schon am 16. Januar ein Gremium von 75 Leuten zusammengetreten, eine Arbeitsgruppe, die 200 Vorschläge gemacht hat zur Verfassungsänderung, und jetzt haben wir so wenige Wochen später bereits eine Entscheidung in der Duma erlebt, auch wieder eine interessante Inszenierung.
Die durchaus in ganz Russland angesehene Walentina Tereschkowa, die erste Frau, die sich im Weltall befand, hat diesen überraschenden Vorschlag gemacht, dass die bisherigen Amtszeiten von Putin annulliert werden – eine interessante Variante von einer Verfassungsänderung -, um ihm die Möglichkeit zu geben, auch nach der neuen Verfassung noch mal 2024 anzutreten. Am 22. April soll dann das Volk entscheiden in einem Referendum und das Ganze wird nur gebunden an eine Zustimmung des Verfassungsgerichts, das aber noch nie irgendeinem Interesse von Putin entgegengetreten ist.
So sieht die Inszenierung aus und man muss sagen, es hat ja auch Erfolg gehabt in der Duma mit der Abstimmung von 382 Stimmen, die dafür waren, 44 Enthaltungen aus der sogenannten Systemopposition, den Kommunisten und anderen sogenannten systemgetreuen Parteien, null Stimmen dagegen. Das ist das Ergebnis.
"Er geht kein Risiko ein mit diesem Referendum am 22. April"
May: Herr Erler, wir haben jetzt auch gerade im Beitrag gehört, es gibt ja durchaus eine Zivilgesellschaft in Russland, die das kritisch sieht, was da passiert, was Putin da macht. Dennoch: Ist es realistisch, dass das Volk am Ende – Sie haben es angesprochen – gegen diese Verfassungsänderung stimmt?
Erler: Nein, das ist völlig unwahrscheinlich, dass das passiert, und das weiß natürlich auch Putin. Er behauptete jetzt in den letzten Tagen, das Volk wolle, dass er an der Macht bleibe, und mehrheitlich ist das auch der Fall. Das ist keine Erfindung und insofern geht er kein Risiko ein mit diesem Referendum am 22. April.
May: Wieso unterwirft sich das Land diesem einen Mann so sehr?
Erler: Das hängt immer noch damit zusammen, was mit Putin verbunden wird. Er hat im Jahr 2000 seine erste Präsidentschaft angetreten und die war davon geprägt, Stabilität nach Russland zurückzubringen, nach den sehr schwierigen 90er-Jahren unter Boris Jelzin, wo zum Teil die Löhne nicht ausgezahlt wurden, zum Teil die Renten nicht ausgezahlt wurden, wo es drunter und drüber ging in der Föderation mit dem Tschetschenien-Krieg und anderen separatistischen Bestrebungen.
Damit hat Putin Schluss gemacht in seiner Amtszeit und hat wieder Sicherheit und Stabilität in das Land gebracht. Das spiegelt sich bis heute in den Wahlergebnissen von ihm. Es ist einfach so, dass diese Stabilität und diese Ordnung mit ihm verbunden wird, und dadurch kann er sich darauf verlassen, dass das die Leute nicht vergessen.
May: Aber jenseits von Stabilität und Ordnung – ist Putin denn gut für Russland?
Erler: Putin hat auf jeden Fall Russland auf die Weltbühne zurückgebracht als starke Macht, zum Teil mit Hilfe von westlichen Staaten, denn heute ist völlig klar, dass im Nahen Osten ohne Russland keine Möglichkeit ist, diesen Konflikt dort auch in Syrien zu beenden, und das hat dazu geführt, dass Russland aus eigener Sicht auch wieder eine wichtige Rolle als Ordnungsmacht in der Weltordnung ausführen kann.
Das interessiert zwar nicht jeden Russen. Vielen ist auch wichtig, wie ihr Lebensstandard ist und wie die eigenen Rechte sind. Aber insgesamt hinterlässt das doch den Eindruck, dass er für Ordnung und für Bedeutung Russlands in der Weltpolitik sorgt, und das sichert ihm seine Ergebnisse.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.