Hans-Peter Friedrich (CSU), heute Bundeslandwirtschaftsminister, hatte im vergangenen Oktober als Bundesinnenminister an SPD-Chef Sigmar Gabriel Erkenntnisse des Bundeskriminalamtes weitergereicht, wonach der Name des SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy bei internationalen Ermittlungen aufgetaucht sei. Dabei soll es um den Verdacht auf Besitz von Kinderpornografie gegangen sein. Edathy bestreitet diesen Vorwurf.
Friedrich: "Richtig gehandelt"
Wegen dieser Informationsweitergabe steht Friedrich nun unter Druck. Aus der Opposition kommen Rücktrittsforderungen. Am Freitagmorgen sprach CSU-Chef Horst Seehofer mit Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt über den Fall. Friedrich erklärte später, er wolle erst zurücktreten, wenn die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittele. Er habe im Oktober 2013 "mit der Information an den SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt", sage der Minister heute. "Ich war davon überzeugt, dass ich politisch wie rechtlich richtig gehandelt habe." Die Staatsanwaltschaften in Berlin und Hannover haben noch nicht entschieden, ob sie gegen Friedrich wegen Geheimnisverrats ermitteln wollen. Die Frage der Zuständigkeit müsse noch geklärt werden.
Opposition: "Dienstgeheimnisse ausgeplaudert"
Friedrich habe offensichtlich Dienstgeheimnisse ausgeplaudert, sagte die Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann. "Das ist ein schwerwiegender Vorgang, der mit dem Amt eines Bundesministers nicht vereinbar ist. Friedrich muss zurücktreten." Nach Ansicht von Linksparteichef Bernd Riexinger ist der CSU-Minister "politisch als Mitglied der Bundesregierung nicht mehr tragbar". Riexinger sagte in der "Mitteldeutschen Zeitung": "Friedrich hat den Schutz des künftigen Koalitionspartners über den Schutz der Rechtsordnung gestellt." Linke und Grüne fordern einen Untersuchungsausschuss. Es sei zum Beispiel nicht plausibel, dass Kanzlerin Angela Merkel nichts von einem Vorgang dieser Reichweite gewusst haben soll, sagte Riexinger. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sagte: "Ein Bundesminister, der Dienstgeheimnisse verrät, ist nicht tragbar." Wenn er nicht zurücktrete, "muss die Bundeskanzlerin ihn entlassen".
Wegen der Informationsweitergabe durch Friedrich an Gabriel ist nun eine Debatte über die genaue Wortwahl entbrannt. Ein Sprecher Friedrichs wies zurück, dass der damalige Minister "strafrechtliche Folgen" für Edathy angedeutet habe. Das wiederum hatte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann gestern erklärt. Und auch Gabriel ließ heute mitteilen, dass "in dem Gespräch nicht ausgeschlossen wurde, dass es möglicherweise noch zu strafrechtlichen Ermittlungen kommen könnte". Persönliche Konsequenzen hält der SPD-Chef für sich selbst deswegen nicht für nötig.
Grenzbereich zur Kinderpornografie
Die Staatsanwaltschaft Hannover bestätigte unterdessen die Ermittlungen gegen Edathy. Es geht demnach um Vorwürfe im Grenzbereich zur Kinderpornografie: Edathy bestellte zwischen Oktober 2005 und Juni 2010 neun Mal im Onlineshop eines kanadischen Unternehmens insgesamt 31 Filme und Fotosets von unbekleideten Jungen zwischen neun und 13 bis 14 Jahren. Dabei nutzte Edathy auch Server des Bundestages. Die Zahlungsvorgänge ließen sich Kreditkartenbuchungen Edathys zuordnen. Nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes handele es sich auch um eindeutig kinderpornografisches Material.
Juristisches Nachspiel
Nach Einschätzungen von Rüdiger Deckers, Fachanwalt für Strafrecht, hätte SPD-Chef Gabriel von Friedrich "eigentlich nicht informiert werden" dürfen. "Das ist ja ein staatliches, ein hoheitliches Geheimnis, und das ist auch zu wahren", sagte Deckers im Deutschlandfunk.
Auch BKA-Chef Jörg Ziercke könnte sich nach Ansicht Deckers wegen Geheimnisverrats strafbar gemacht haben, wenn es stimmt, was der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, erklärt hat. Auch er war von Gabriel über den Fall Edathy informiert worden und hatte nach eigenen Angaben BKA-Präsident Ziercke angerufen und sich bestätigen lassen, dass es einen begründeten Anfangsverdacht gegen Edathy wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften gebe. Ziercke bestreitet dies.
Das ganze Land informiert
Alle 16 Landeskriminalämter wissen einem Bericht zufolge seit vergangenem Oktober von den Hinweisen. Die Informationen seien "im gleichen Umfang" vom Bundeskriminalamt an das Bundesinnenministerium und die Landeskriminalämter übermittelt worden, berichtet die "Leipziger Volkszeitung" unter Berufung auf Regierungs- und Ermittlungskreise. Insofern sei die potenzielle Bandbreite undichter Quellen und möglicher frühzeitiger Informationsweitergaben an Edathy relativ breit.
Die Ermittler kritisierten die Weitergabe von Informationen scharf. Bei Durchsuchungen von Edathys Wohnungen und Büros hatten sie kaum Material gefunden. Edathy hatte wiederum das Ausmaß der Ermittlungen als verfassungswidrig kritisiert.