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Ermittlungen gegen Moderator der Deutschen Welle
Struktureller Machtmissbrauch

Ein Starmoderator der Deutschen Welle soll Frauen sexuell bedrängt haben. Die Betroffenen seien ausgeliefert gewesen, sagte "Zeit"-Journalist Mohamed Amjahid im Dlf. Die "Me-too"-Debatte zeige aber langsam Wirkung.

Mohamed Amjahid im Gespräch mit Mirjam Kid |
Der sogenannte Schürmannbau, Sitz der "Deutschen Welle" in Bonn. Im Hintergrund ziehen dunkle Wolken auf.
Das Gebäude der Deutschen Welle in Bonn (dpa)
Im September letzten Jahres landete der Fall schon einmal in den Medien, die ganz große Aufmerksamkeit bekam er damals aber nicht: Ein Starmoderator der Deutschen Welle (DW) soll eine Frau sexuell belästigt und eine andere vergewaltigt haben. Der Beschuldigte bestreitet das. Die "Zeit" widmet dem Fall nun eine komplette Seite – und wirft damit die Frage auf, ob es in dem Sender ein strukturelles Problem beim Umgang mit Missbrauchsvorwürfen gibt.
"Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind meines Wissens nach nicht zufrieden", sagte Mohamed Amjahid, Autor des "Zeit"-Artikels, im Dlf. Es gehe bei dem Fall aber nicht vorrangig um die Deutsche Welle oder den konkreten Täter, sondern um eine Struktur, "die gut erkennbar in verschiedenen Institutionen zu beobachten ist".
Frauen in "sehr verletzbaren Situationen"
Der Machtmissbrauch durch mächtige Individuen spiele bei diesem Thema eine Hauptrolle. "In dem Fall waren auch mehrere betroffene Frauen tatsächlich in sehr verletzbaren Situationen und so auch mehr oder weniger ausgeliefert", sagte der Journalist, der für den Artikel monatelang recherchiert hat.
Viele Kolleginnen und Kollegen, auch in anderen Institutionen und Medienunternehmen, seien prekär beschäftigt. "Es macht einen Unterschied, ob man als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter immer mit der Angst leben muss, den Job zu verlieren." Manchmal sei an die Beschäftigung auch die Aufenthaltserlaubnis für Deutschland geknüpft.
Umdenken bei Führungskräften
Es sei aber ein Wandel im Gange, auch in den Führungsetagen, sagte Amjahid. Das Thema werde ernst genommen, weil es nicht nur das Produkt belaste, sondern auch die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das seien wichtige Zeichen dafür, dass die "Me-too"-Debatte wirke – "langsam, aber immerhin".
Die Deutsche Welle habe mit mehreren Maßnahmen reagiert, unter anderem einer Informationskampagne. Außerdem sei die Intendanz von Abteilung zu Abteilung gegangen und habe eine "Null-Toleranz-Politik" bei sexueller Belästigung und Machtmissbrauch erklärt.
Die Sendung des Beschuldigten ist inzwischen abgesetzt. Der "Zeit" zufolge läuft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren bei der Berliner Staatsanwaltschaft. Im Artikel geht es um eine ägyptische Netzaktivistin, die den Mann beschuldigt, sie sexuell bedrängt zu haben, und eine DW-Mitarbeiterin, die ihm Vergewaltigung vorwirft – beides bestreitet er.
Stellungnahme der Deutschen Welle
Die Deutsche Welle stand für ein Interview nicht zur Verfügung, hat sich zu dem "Zeit"-Artikel aber inzwischen geäußert. "Die DW nimmt im Hinblick auf Einzelpersonen aus rechtlichen Gründen grundsätzlich keine Stellung", heißt es darin. Ziel der Unternehmenspolitik sei es aber, "alle Beschäftigten vor Übergriffen jedweder Art zu schützen".
Die Geschäftsleitung habe Beschäftigte ausführlich aufgefordert, Vorfälle zu melden. "Sofern die Geschäftsleitung in der Folge Kenntnis von arbeitsrechtlich relevanten Verhaltensweisen erhielt, ist sie umgehend tätig geworden", heißt es weiter.