Zum Politikstil von Angela Merkel (CDU) gehört das Abwarten. In Debatten, die schnell Fahrt aufnehmen, schaltet sie sich oft erst spät ein. Wenn überhaupt. Dass sie sich zu den Ermittlungen gegen das Blog Netzpolitik.org bereits nach vier Tagen - wenngleich über ihre Sprecherin - äußert, zeugt wohl auch davon, wie sehr das Thema drängt. Denn auch einer von Merkels Ressortleitern, Bundesjustizminister Heiko Maas, steht im Scheinwerferlicht der Affäre. Kritiker werfen ihm vor, zwar frühzeitig von den Ermittlungen gewusst, aber nicht gehandelt zu haben.
Doch Maas habe die "volle Unterstützung" der Kanzlerin für sein Vorgehen in der Affäre, erklärte nun Regierungssprecherin Christiane Wirtz. Auf die Frage, ob Generalbundesanwalt Harald Range noch das uneingeschränkte Vertrauen der Kanzlerin genieße, hieß es nur: "Es geht jetzt darum, in der Sache eine Klärung herbeizuführen." Gerade wenn die Pressefreiheit betroffen ist, müssten Behörden eine "besonders sensible Abwägung" vornehmen.
Auch auf Rückendeckung von Maas kann Range offenbar nicht mehr bauen: Der Sprecher des SPD-Ministers wollte die Frage nicht beantworten, ob der Minister dem Generalbundesanwalt noch vertraue.
"Einer schiebt Schuld dem anderen zu"
Range hatte gegen zwei Journalisten von Netzpolitik.org Ermittlungen wegen Landesverrats eingeleitet. Sie sollen die Sicherheit des Staats gefährdet haben, weil sie aus internen Dokumenten des Verfassungsschutzes zitierten. Dies hatte eine Welle der Empörung losgetreten, Kritiker sprachen von einem Angriff auf die Pressefreiheit.
Seitdem versuchen die Beteiligten zu klären, wer wann über die Ermittlungen Bescheid wusste und was angeordnet oder kommuniziert hat. Eindeutig beantwortet wurde die Frage bislang nicht. Gegen mehrere Beteiligte richtet sich nun der Vorwurf des Fehlverhaltens.
"Einer schiebt Schuld dem anderen zu. Das können bald BfV,GBA, BMI, BMJ, BKAmt dem PKG erklären. Blamiert sind sie alle", schreibt Grünen-Politiker Christian Ströbele im Kurznachrichtendienst Twitter:
"Alle Beteiligten waren politisch unsensibel", findet auch der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum. So hätte Justizminister Maas das Verfahren schon viel früher stoppen müssen, sagte der FDP-Politiker im Deutschlandfunk. Für Christian Flisek, SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, steht fest: Der Generalbundesanwalt sollte über einen Rücktritt nachdenken. Das Ermittlungsverfahren sei nun der "letzte dicke Tropfen, der das Fass zum Überlaufen" bringe, so Flisek im Deutschlandfunk.
Range will die Ermittlungen ruhen lassen, bis ein externes Gutachten vorliegt. "Dieses Verfahren unterstützt die Bundeskanzlerin ausdrücklich", Regierungssprecherin Wirtz.
(bor/tzi)