Däubler-Gmelin nannte die Kritik von Range an der Maas als "höchst unüblich". Range wisse genau, dass man den Bundesjustizminister nicht derart kritisiert, sagte Däubler-Gmelin. Es sei offensichtlich, dass er seinen Rücktritt oder eine Entlassung provoziere. Maas habe nicht in die Ermittlungen eingegriffen. Bei den Ermittlungen wegen Landesverrats habe sich Range zu sehr auf den Chef des Bundesverfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen verlassen, der Anzeige gegen die Journalisten des Blogs gestellt hatte.
Das komplette Interview zum Nachlesen:
Martin Zagatta: Mitgehört hat die frühere Bundesjustizministerin und SPD-Politikerin Herta Däubler-Gmelin. Guten Tag, Frau Däubler-Gmelin!
Herta Däubler-Gmelin: Grüß Gott, Herr Zagatta!
Zagatta: Frau Däubler-Gmelin, ein "unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz" – das ist ja ein hammerharter Vorwurf. Haben Sie so etwas oder auch nur Vergleichbares schon einmal erlebt, dass ein Justizminister aus der Justiz heraus derart scharf angegriffen wurde?
Däubler-Gmelin: Nein, natürlich nicht. Und ich muss wirklich sagen, der persönlich ja auch durchaus liebenswürdige Herr Range hat das natürlich schon meiner Ansicht nach gesagt, um seinen Rücktritt oder seine Entlassung zu provozieren. Weil es ist ja natürlich höchst unüblich, so etwas zu machen, vor allen Dingen dann, wenn man selber ganz offensichtlich auch Fehler gemacht hat.
Zagatta: Aber es ist doch auch völlig unüblich, dass ein Justizminister einen Generalbundesanwalt so bloßstellt, wie das Herr Maas ja auch getan hat.
Däubler-Gmelin: Ja nun, aber er hat ja lange gewartet. Und schauen Sie, ich kenne im Augenblick die ganzen Vorgänge im Justizministerium, zwischen dem Justizministerium und dem Generalbundesanwalt unter Einbeziehung des Herrn Maaßen und unter Einbeziehung des Innenministeriums und unter Einbeziehung des Kanzleramts noch nicht. Ich weiß nur, dass, sagen wir mal, diese weisungsabhängige Behörde, der der Herr Generalbundesanwalt vorsteht, der hätte natürlich ein derartiges Gutachten vor Einleitung seiner Ermittlungen machen müssen, wenn überhaupt. Weil der ganze zugrundeliegende Sachverhalt ist ja überhaupt ein Skandal. Und da steckt natürlich, wie wir wissen, der Herr Maaßen dahinter, der offensichtlich die Kritik nicht verträgt, die doch in weiten Bereichen gegenüber dem Verfassungsschutz zu Recht geäußert wird.
Zagatta: Aber kann man denn einen Generalbundesanwalt anweisen, ein Gutachten zu stoppen? Der will sich ja informieren, der Mann. Und hat auch erst mal angekündigt, er wolle das weiterlaufen lassen, er wollte sich da schlaumachen. Muss man da derart eingreifen? Das Verfahren hat er ja ruhen lassen.
Däubler-Gmelin: Ja nun, das kann ja sein. Wissen Sie, das trifft jetzt wieder zu: Ich kenne die Interna nicht. Ich weiß nicht, was da bisher zwischen Justizministerium und GBA gelaufen ist.
Zagatta: Aber Sie sagen, der Minister hat grundsätzlich das Recht, da mit Weisungen so einzugreifen?
Däubler-Gmelin: Denn er hat auch nicht in Ermittlungen eingegriffen, sondern er hat gesagt, es soll ein Gutachten – wenn das zutrifft, was Herr Range sagt, das wissen wir ja auch noch nicht – er soll diesen Gutachtenauftrag zurückziehen. Welches seine Gründe sind, das weiß ich nicht.
Zagatta: Aber das läuft auf das Gleiche raus.
Däubler-Gmelin: Ich weiß auch gar nicht, Herr Zagatta, ob der Sachverständige ein unabhängiger war. Das wird jetzt hier einfach in den Raum gestellt. Aber da ist noch eine ganze Menge von Dingen klärungsbedürftig, ehe wir jetzt dem Justizminister die Schuld geben.
Zagatta: Grundsätzlich, Sie haben das ja aus nächster Nähe auch erlebt als Justizministerin, gilt da Gewaltenteilung? Welche Rolle hat dieser Generalbundesanwalt? Ist der Teil der Exekutive, wird der einfach so angewiesen?
Däubler-Gmelin: Nein, der Generalbundesanwalt hat eine besondere Stellung in der Exekutive. Er ist eine nachgeordnete Behörde des Justizministeriums. Und jeder Justizministern tut gut daran, sagen wir mal, auch dann, wenn sich ein Generalbundesanwalt in einer Weise verhält, die mit seinen Aufgaben nicht ganz in Einklang zu bringen ist, sich da zurückzuhalten. Sie haben völlig recht, ich hatte mit dem damaligen Generalbundesanwalt Nehms so meine Erfahrungen, der sich ja durch die allseits bekannten Eskapaden ausgezeichnet hat. Und sich dann sogar noch bei einer US-Behörde, beim Generalkonsul über das Justizministerium in erstaunlicher Weise beschwert hat.
Zagatta: Also ganz so neu ist das jetzt gar nicht.
Däubler-Gmelin: Das sind alles Dinge, die sind nicht gut. Und ich würde jetzt auch Herrn Nehm und Herrn Range nicht gleichsetzen wollen, aber fest steht, dass Herr Maaßen ganz offensichtlich hier mit Kritik nicht umgehen kann und dass er diesen scharfen Ton einbrachte. Und da muss sich natürlich auch der Innenminister fragen lassen, was das soll. Und fest steht meiner Ansicht nach nach all dem, was wir heute wissen, dass der Generalbundesanwalt, wenn er denn überhaupt der Meinung sei, so etwas könne in die Region eines Staatsgeheimnisses kommen, dass er dann erst mal ein Gutachten holen muss. Ud dann sagen, von wem, wen er da als unabhängig bezeichnet, bevor er Ermittlungen einleitet.
Zagatta: Da hat ja Herr Range, wenn ich das richtig gelesen habe, gesagt, um dieses Gutachten auf den Weg bringen zu können, musste er dieses Verfahren eröffnen. Das sei einfach der vorgeschriebene Weg. Und er habe sich da vollkommen nach Vorschriften und korrekt verhalten. Ist das so falsch?
Däubler-Gmelin: Das weiß ich nicht. Wie gesagt, ich kenne die Beweggründe von Herrn Range wirklich nicht. Ich kann das nur noch mal wiederholen.
Zagatta: Nein, aber da ging es jetzt nur ums Verfahren.
Däubler-Gmelin: Nein, nein, nein, nein. Entschuldigung. Bevor eine Behörde wie der Generalbundesanwalt etwas für ein Staatsgeheimnis erklärt oder dieser doch manchmal sowieso, auch in anderen Fällen, wenn Sie an das Conners-Gutachten denken, erstaunlichen Einschätzung eines Herrn Maaßen folgen will, da tut er gut daran, sich vorher danach zu erkundigen, ob das gerechtfertigt ist oder nicht. Ganz egal, welche formalen Abläufe er dann hat. Und er hätte ja ganz offensichtlich, und das ist ja nun sehr lange gelaufen, auch ziemlich viel Zeit dazu gehabt. Abgesehen davon, dass Herr Range, das hat mich auch stutzig gemacht, von einer vorläufigen Einschätzung eines Sachverständigen hier redet, den er namentlich gar nicht bekannt gibt.
Zagatta: Also im Klartext, Sie sagen, der Mann ist ein ziemlicher Versager?
Däubler-Gmelin: Nein. Das sind Ihre Worte. Das würde ich nicht tun.
Zagatta: Klang aber so.
Däubler-Gmelin: Nein, nein, nein, gar nicht. Ich muss sagen, ich habe das, was ich vorher sagte, dass ich also Herrn Range persönlich als liebenswürdigen Menschen kenne, das habe ich sehr ernst gemeint. Aber ich habe den Eindruck, er hat sich da sehr vergaloppiert und hat sich da zu sehr auf Herrn Maaßen verlassen. Allerdings kenne ich die weiteren Abläufe nicht. Die Tatsache, dass es hier Rücktrittsforderungen gegenüber Herrn Range und gegenüber Herrn Maaßen gibt, das verstehe ich sehr gut. Und das wird auch alles im Einzelnen noch sehr zu erörtern sein.
Zagatta: Ich nehme an, viel zu erörtern wird es gar nicht mehr geben. Wenn man einen Minister derart angreift – kann sich der Minister das bieten lassen? Den Mann jetzt da zu entlassen, ist doch jetzt eine Selbstverständlichkeit.
Däubler-Gmelin: Das haben Sie mich jetzt schon ein paar Mal gefragt. Aber ich habe wirklich den Eindruck ...
Zagatta: Was würden Sie denn machen? Sie waren doch mal in dieser Rolle.
Däubler-Gmelin: Ach was. Der Herr Range wusste ganz genau, dass das nicht geht. Und ich bin nicht in der Position, mich jetzt äußern zu müssen, ob er jetzt zurücktreten sollte oder entlassen wird. Aber dass er hier beides provoziert hat, ist doch völlig eindeutig.
Zagatta: Was hätten Sie gemacht damals, wenn Ihnen so was passiert wäre?
Däubler-Gmelin: Ach Gott, wissen Sie, ich habe die Auseinandersetzungen mit dem damaligen Generalbundesanwalt, wenn er wieder mit dem Roller durch das Dienstgebäude gefahren ist und sich da den Oberschenkelhals gebrochen hat, oder auch, wenn er Kreuzungen sperren ließ ohne jeden Anlass, um da durch zu fahren, eigentlich lieber anderen überlassen. Weil ich die persönliche Stellungnahme damals nicht für nötig gehalten habe.
Zagatta: Aber da geht es ja jetzt um Landesverrat.
Däubler-Gmelin: Entschuldigung, das haben wir ja jetzt alles schon erörtert. Ob es darum geht, ist genau die Frage. Und das ist ganz offensichtlich von Herrn Maaßen in einer erstaunlichen Einseitigkeit so beantwortet worden. Und dem ist Herr Range offensichtlich gefolgt, und er verteidigt sich jetzt. Und Herr Maas als Justizminister und auch die Bundeskanzlerin haben hier eine andere Auffassung. Ich teile die Auffassung von beiden.
Zagatta: Und das heißt, ich will Sie da jetzt gar nicht quälen, aber ich meine, dass Herr Range zurücktreten muss, sage ich mal so, da führt ja jetzt wahrscheinlich kein Weg mehr dran vorbei, oder dass er zurückgetreten wird. Aber Sie, wenn ich Sie recht verstanden habe, deuten dann schon an, eigentlich müssen dann auch beide gehen, der Herr Maaßen gleich mit?
Däubler-Gmelin: Also, was mir sehr missfällt, das sage ich ganz offen, ist, dass ich den Eindruck habe, und den haben ja viele andere auch, dass diese ja berechtigte Kritik an Verfassungsschutzämtern, dass die Herrn Maaßen zu viel ist. Und dass er der Meinung ist, auch die parlamentarische Kontrolle oder die politische Kontrolle sei nicht so das Wahre. Weil wenn er in seinen Pressemiterklärungen auch in den Bereich eingreift und sagt, es sei ein, wörtlich, "Skandal", dass immer dann etwas an Nachrichten an die Öffentlichkeit käme, wenn der politisch-parlamentarische Bereich betroffen wäre. Das zeigt doch, dass das eine wirklich merkwürdige Einstellung zu einer parlamentarischen Kontrolle oder einer Kontrolle durch die Öffentlichkeit sich sich darstellt. Und das ist doch für einen demokratischen Verfassungsschutz absolut essenziell.
Zagatta: Frau Däubler-Gmelin, zur Sache noch: Das Verfahren jetzt wegen Landesverrats, das kann man abschreiben, das ist tot damit.
Däubler-Gmelin: Das ist denkbar, ja. Ich hoffe das jedenfalls, und zwar, dass es ganz schnell tot ist.
Zagatta: Ganz klare Worte zum Schluss. Ich bedanke mich für das Gespräch, Frau Däubler-Gmelin. Herta Däubler-Gmelin war das, die frühere Bundesjustizministerin. Danke, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben, so schnell und heute Mittag!
Däubler-Gmelin: Ja, Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.