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Ermittlungen im Darknet
"Uns als Polizei sind da Grenzen gesetzt"

Das Darknet sei ursprünglich geschaffen worden, damit Bürger von Unrechtsstaaten ihre Meinung frei äußern könnten, sagte der Cyberexperte Frank Scheulen vom nordrhein-westfälischen LKA im DLF. Zunehmend hielten sich in dem separaten Bereich des Internets aber auch Kriminelle auf. Für die Polizei sei es schwierig, gegen sie vorzugehen.

Frank Scheulen im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Symbolfoto zum Thema Internetkriminalität: eine Hand vor einem Computer-Monitor
    Der Polizei gelinge es nur in Ausnahmefällen, Kriminellen im Darknet auf die Spur zu kommen, sagte der Cyberexperte Frank Scheulen im DLF. (imago / epd / Annette Zoepf)
    Um Kriminellen im Darknet auf die Spur zu kommen, sei es möglich, Verschlüsselungen zu knacken, die den Nutzern Anonymität gewährten, sagte Scheulen. "Das gelingt uns als Polizei aber nicht immer". Insbesondere wenn sich die Rechner im Ausland befänden, seien die Möglichkeiten zur Strafverfolgung durch bundesdeutsche Sicherheitsbehörden zunächst einmal eingeschränkt, führte der Cyberexperte aus. Im Kampf gegen IS-Terroristen, die sich im Darknet Waffen beschaffen könnten, seien der Polizei daher Grenzen gesetzt. "Ich kann hier aber nicht für Nachrichtendienste oder Geheimdienste sprechen", so Scheulen.
    Mit Blick auf Anfeindungen gegen Flüchtlinge im Internet nannte der Sprecher des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes die Arbeit seiner Behörde als Beispiel: Eine Task Force sei in den vergangenen Monaten im Internet auf Streife gegangen, um in sozialen Netzwerken und Foren rassistische Hasskommentare zu identifizieren. In diesem Zuge hätten die Behörden 192 Strafanzeigen gestellt und 90 Täter identifiziert. "Es gibt also Möglichkeiten, gegen Straftaten und Kriminalität im Internet vorzugehen", sagte Scheulen.

    Das Interview in voller Länge:
    Jürgen Zurheide: Angesichts der jüngsten Anschläge tauchen immer wieder Fragen auf, was passiert eigentlich im Internet? Auf der einen Seite ist es Informationsbasis für jene, die terroristische Attacken planen, sich vorher verstecken wollen, auf der anderen Seite haben wir davon gehört, dass dort Waffen zum Beispiel gekauft werden können, aber eben auch andere Dinge. Was passiert dort im Netz, wie genau können die Behörden da hinschauen, welche technischen Möglichkeiten gibt es? Über all das wollen wir reden mit dem Cyberexperten des Landeskriminalamtes in Nordrhein-Westfalen Frank Scheulen, den ich jetzt erst mal am Telefon begrüße, guten Morgen, Herr Scheulen!
    Frank Scheulen: Guten Morgen, Herr Zurheide!
    Zurheide: Herr Scheulen, erklären Sie uns zunächst einmal: Was ist das eigentlich, Dark Net, das, wo man Waffen, Heroin und möglicherweise andere verbotene Dinge kaufen könnte – ich formuliere bewusst im Konjunktiv!
    Scheulen: Ja, daran haben Sie recht getan! Also, das Dark Net ist ein Teil des weltumspannenden Internets, was sich da innerhalb des Internets noch mal abschottet. Grundsätzlich ist es für Nutzer möglich, ins Dark Net reinzukommen mit entsprechender Software, die zum Download, zum Runterladen angeboten wird, denn sonst würde ja die Kundschaft in diesem Dark Net fehlen. Man kommt dann im Grunde genommen bis zu solchen Seiten, die man aus dem Internet kennt, die Verkaufsseiten gängiger Internetanbieter ähneln, nur eben, dass die Produktkategorie eine völlig andere ist.
    "Es gibt die Möglichkeit, Verschlüsselungen zu umgehen"
    Zurheide: Können Sie das kontrollieren? Das ist ja die entscheidende Frage, denn darüber reden wir gerade in diesen Tagen besonders viel, wo können Sie als Landeskriminalamt oder die Kolleginnen und Kollegen rein und mithorchen, mitsehen? Müssen Sie das?
    Scheulen: Also, ich sagte eingangs, das Internet ist weltumspannend. Mittlerweile hat glaube ich fast jeder Haushalt in der Bundesrepublik Deutschland einen Internetanschluss, die Menschen nutzen es zum Surfen, zum Einkaufen, Lebensgewohnheiten verändern sich. Das Internet ist eigentlich angelegt worden, um nicht kontrollierbar zu sein. Und das alles gilt für diese ich sage jetzt mal dunkle Ecke des Internets, für dieses Dark Net natürlich noch viel mehr. Das ist geschaffen worden, um Menschen ohne Angst vor Repressalien die Möglichkeit zu geben, sich zu artikulieren, ihre Meinungen zu äußern …
    Zurheide: Also ein politisches Instrument?
    Scheulen: Zum Beispiel. Wer also irgendwo nicht in einem demokratischen Rechtsstaat lebt und das Glück hat so wie wir, der um sein Leben fürchten muss, wenn er Berichte einstellt oder Situationen schildert, für den hat das Dark Net eine völlig andere Bedeutung als für uns. Aber wir haben festgestellt, dass sich zusehends natürlich auch Menschen dort aufhalten, die kriminelle Geschäfte vorhaben. Und die nutzen diese Deckung, die das Dark Net bietet, natürlich aus für ihre kriminellen Geschäfte.
    Zurheide: Was können Sie denn tun? Das war meine Frage, können Sie da rein? Haben Sie die Möglichkeit, erst mal technisch oder praktisch, wie wollen wir anfangen?
    Scheulen: Also, es gibt die Möglichkeit, Verschlüsselungen, die gewählt werden, zu umgehen. Das ist schwierig, das ist kompliziert, das gelingt uns als Polizei und den Sicherheitsbehörden nicht immer. Es gibt Ausnahmefälle, da können wir gleich noch mal drauf eingehen, da haben wir vor einiger Zeit im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen solch einen Fall bearbeitet, da ist es uns gelungen, diese Verschlüsselung über das Tornetzwerk zu knacken und dann Schritt für Schritt uns den Tätern zu nähern. Es geht, aber es ist sehr aufwendig und sehr schwierig. Und wenn Rechner irgendwo im Ausland stehen, dann sind die Möglichkeiten für bundesdeutsche Sicherheitsbehörden zunächst mal eingeschränkt.
    Zurheide: Das heißt, um da direkt drauf einzugehen: Es brauchte an diesem Punkt mehr internationale Zusammenarbeit und auch quasi wie beim Geld und bei anderen Dingen darf es diese Oasen nicht mehr geben?
    "Ich kann hier nicht für Nachrichtendienste oder Geheimdienste sprechen"
    Scheulen: Das hört sich jetzt sehr gut an, wird aber praktisch nicht möglich sein. Das würde voraussetzen, dass wir bei den knapp 200 souveränen Staaten der Welt, die wir ja haben, von einer gleichen Rechtsgrundlage ausgehen. Das heißt, bei uns gibt es ein Strafgesetzbuch, das beinhaltet Regelungen, was ist strafbar, was nicht. Das haben natürlich andere Staaten auch, nur die Inhalte, die unterscheiden sich. Und das ist der entscheidende Punkt. Das heißt, was bei uns strafbar ist, muss in ausländischen Staaten nicht notwendigerweise strafbar sein. Und das sind Hemmnisse, die dann im Rahmen der internationalen Rechtshilfe uns ausbremsen können. Und ich glaube nicht, dass 200 Staaten der Welt hier zu einem einheitlichen Strafrecht oder Strafverfahrensrecht zusammenfinden.
    Zurheide: Das heißt, wenn – bleiben wir bei den Terroristen vom IS, vom Islamischen Staat –, wenn die über diese Wege kommunizieren, sagen Sie, eigentlich haben wir kaum eine Chance? Das ist eine etwas erschreckende Erkenntnis, das will ich gerne zugestehen.
    Scheulen: Also, zumindest für uns als Polizei sind uns da Grenzen gesetzt. Ich kann hier nicht für Nachrichtendienste oder Geheimdienste sprechen.
    Zurheide: Da wollen wir hoffen, dass die da etwas mehr können. Was ist denn mit den anderen Dingen, wo man sich ja auch gelegentlich wundert, die im Netz kursieren? Ich habe sie jetzt zugegeben in Frankreich gesehen, da haben irgendwelche Leute aufgerufen, bestimmte Journalisten umzubringen und andere, und das war offensichtlich frei im Netz verfügbar. Da, ehrlich gesagt, wundert man sich, so was gibt es bei uns ja offensichtlich auch. Was können Sie da tun, tun Sie da was?
    Scheulen: Ja. Wir haben im Spätsommer letzten Jahres festgestellt, dass im Zuge der Flüchtlingsbewegungen, der vielen Menschen, die sich für Flüchtlinge engagiert haben auf der einen Seite, auf der anderen Seite es Menschen gegeben hat, die dieses Engagement angefeindet haben, das mit schlimmen Kommentaren im Internet begleitet haben, teilweise in den sozialen Medien. Und wenn ich sage schlimme Kommentare, da geht es sehr schnell in den Bereich der strafrechtlichen Relevanz, wo es also um Beleidigungen, um Bedrohungen und ähnliche Delikte ging. Wir haben im Oktober 2015 speziell dafür eine Taskforce im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen eingerichtet gehabt, Thema rechte Hetze im Netz. Und wir sind dann ganz aktiv im Internet auf Streife gegangen, auf einschlägigen Internetseiten, in einschlägigen Foren, teilweise in den sozialen Medien, um genau diese rechten Hass-Postings zu identifizieren, die Verursacher aufzuspüren. Und wir haben in der Zeit, wo wir mit dieser Taskforce gearbeitet haben, es geschafft, 192 Strafanzeigen zu fertigen, 90 Täter zu identifizieren, das heißt, wir haben sie aus der dunklen Ecke des Internets herausgeholt und konnten Strafanzeigen einleiten und Strafverfolgung betreiben. Das heißt, das Internet ist ja kein rechtsfreier Raum. Und das haben wir diesen Personen sehr deutlich aufgezeigt. Also, es gibt Möglichkeiten, gegen Straftaten, Kriminalität im Internet vorzugehen.
    Zurheide: Herzlichen Dank, das war Frank Scheulen vom Landeskriminalamt NRW, das Gespräch haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur/Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.