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Ermittlungen wegen Korruption
Israels Premier Netanjahu unter Druck

Dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu werden Bestechlichkeit, Betrug und Untreue in gleich zwei möglichen Korruptionsfällen vorgeworfen. Die Polizei empfiehlt, ihn anzuklagen. Ob die Staatsanwaltschaft dem folgen wird, ist noch unklar.

Von Benjamin Hammer |
    Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einer Kabinettssitzung vor Flaggen seines Landes in Jerusalem.
    Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (AFP / Ronen Zvulun / Pool)
    Israels wichtigste Nachrichtensendung kannte die Entscheidung der Polizei schon kurz vor der offiziellen Veröffentlichung. Man verfolge das Drama weiterhin live, sagte der Moderator. Die Polizei empfehle Anklage gegen Premierminister Netanjahu mit dem Vorwurf der Korruption in gleich zwei Fällen.
    Dass es so kommen würde, war von vielen erwartet worden. Und dennoch erschütterte die Nachricht der israelischen Polizei weite Teile Israels. Benjamin Netanjahu werden Bestechlichkeit, Betrug und Untreue vorgeworfen. In gleich zwei möglichen Korruptionsfällen. Im ersten Fall soll Netanjahu von zwei Geschäftsmännern Geschenke erhalten haben. Dabei geht es Schmuck, Zigarren und Champagner. Laut Polizei haben die Geschenke einen Gesamtwert von umgerechnet 250.000 Euro. Im Gegenzug soll der israelische Premier seinen Gönnern Vorteile verschafft haben und sich etwa um ein US-Visum bemüht haben.
    Im zweiten möglichen Korruptionsfall soll Netanjahu versucht haben, die Berichterstattung einer Zeitung zu beeinflussen, die ihm gegenüber eher kritisch eingestellt ist. Er soll dem Verleger der Zeitung versprochen haben, dem Blatt wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen, falls die Zeitung positiver über ihn berichtet. Nur wenige Minuten nach der Veröffentlichung der Polizei trat der Mann, der beschuldigt wird, vor die Fernsehkameras. Und wies die Vorwürfe zurück.
    "Denn ich kenne die Wahrheit. Ich versichere Ihnen, auch dieses Mal werden die Dinge im Nichts verlaufen. Die Empfehlungen, die wir heute gehört haben, wurden bereits vor über einem Jahr veröffentlicht. Und seither wurden sie immer wieder, etliche Male wiederholt."
    Ex-Außenministerin Livni forderte Netanjahus Rücktritt
    Netanjahu hielt seine Ansprache in seiner Residenz in Jerusalem, hinter ihm: mehrere israelische Flaggen. Auf manche Beobachter wirkte der Premierminister erschöpft und niedergeschlagen, auf andere entschlossen und kämpferisch. Die Polizei, so der Premier, sei bei ihren Ermittlungen nicht neutral gewesen. Netanjahu hat in der Vergangenheit immer wieder von einer Hexenjagd auf ihn und seine Familie gesprochen, mit dem Ziel, ihn aus dem Amt zu jagen. Dass Netanjahu sein Amt aufgibt, das fordert die Opposition. Die frühere israelische Außenministerin Tsipi Livni hatte bereits Anfang der Woche den Rücktritt des Premierministers gefordert. Und das mit dessen harten Worten gegenüber den Ermittlern begründet.
    "Meine Damen und Herren, ein Premierminister, der die Polizei verunglimpft, der ihr falsche Interessen vorwirft, kann nicht in seinem Amt bleiben."
    Doch Netanjahu denkt nicht an Rücktritt.
    "Bürger Israels, Ich bin nicht hier, um mich zu bereichern. Wäre das meine Motivation, wäre ich schon längst weg. Es gibt eine Sache, die mich motiviert: die Zukunft unseres Staates zu sichern. Ich bin sicher, dass die Wahrheit ans Licht kommen wird. Und ich bin sicher, dass ich auch bei den kommenden Wahlen, wieder euer Vertrauen gewinnen werde."
    Die Ermittlungsergebnisse der israelischen Polizei haben für den Premierminister zunächst keine juristischen Konsequenzen. Die Entscheidung, ob Anklage gegen Netanjahu erhoben wird, liegt beim israelischen Generalstaatsanwalt. Sollte er der Empfehlung der Polizei folgen, würde der Druck auf den Premier noch weiter steigen.