Archiv

Ermordeter Kremlkritiker
Abschied von Boris Nemzow

Nach dem Mord an Boris Nemzow sind in mehreren russischen Städten Menschen auf die Straßen gegangen. Sie trauern um dem Kremlgegner und früheren Vizeregierungschef – und rufen nach Aufklärung. Auch die USA fordern eine " transparente" Untersuchung des Verbrechens.

    Szene der Trauerkundgebung für den ermordeten Oppositionellen Boris Nemzow am 1. März 2015 in Moskau. Nemzow war am 28. Februar bei einem Attentat auf offener Straße erschossen worden.
    Szene der Trauerkundgebung für den ermordeten Oppositionellen Boris Nemzow am 1. März 2015 in Moskau. Nemzow war am 28. Februar bei einem Attentat auf offener Straße erschossen worden. (AFP - Yuri Kadobnov )
    Bei der Untersuchung gehe es nicht nur darum, "wer die Schüsse abgefeuert hat", sagte US-Außenminister John Kerry in einem Interview des TV-Senders ABC. Es müsse auch herausgefunden werden, ob jemand den Mord "angeordnet hat und wer hinter dieser Tat steckt".
    UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die russischen Behörden auf, den Mord rasch aufzuklären. Auch der Kreml verurteilte die Tat und sprach von einer "politischen Provokation".
    In St. Petersburg, in Nischni Nowgorod, wo Nemzow in den 1990er Jahren Gouverneur gewesen war, und Jaroslawl, wo er als Regionalabgeordneter arbeitete - in ganz Russland brachten Menschen ihre Trauer und ihre Furcht zum Ausdruck. Die größte Kundgebung fand in der Hauptstadt Moskau statt.
    21.000 oder 55.000 Teilnehmer?
    Hier ging der Demonstrationszug auch über die Moskwa-Brücke in der Nähe des Kreml, auf der Nemzow am Freitagabend erschossen worden war. Russland-Korrespondentin Gesine Dornblüht berichtete, dass man über die genau Teilnehmerzahl noch keine Auskunft geben könnte. "Es rücken immer noch mehr Menschen von der Metro nach. Zur Stimmung sagte sie im Deutschlandfunk: "Viele sind getroffen, aber keinesfalls depressiv". Unabhängige Beobachter sprachen von etwa 55.000 Teilnehmern an dem Trauermarsch, die Polizei gab die Zahl dagegen nur mit 21.000 an.
    Ursprünglich hatte die Opposition einen Protestmarsch gegen Wladimir Putin und die Verstrickung Russlands in den Ukraine-Konflikt geplant. Auch Nemzow wollte daran teilnehmen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sagte, Nemzow habe Beweise für die russische Verstrickung in den Konflikt veröffentlichen wollen.
    Als Verräter verunglimpft
    Nur wenige Stunden vor seiner Ermordung hatte der russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow seine scharfe Kritik an Kremlchef Wladimir Putin in einem Interview bekräftigt.
    Im Mittelpunkt der Kommentare in den Sonntagsausgaben steht die Ermordung des Oppositionellen. Mit Blick auf Russland heißt es in "Nowoje Wremjja" aus Kiew: "Putin nannte den Mord an Nemzow eine Provokation. Doch wer war dieser Provokateur? In den letzten Monaten hat Putins Propaganda-Maschinerie gegen die sogenannte 'fünfte Kolonne' gehetzt, gegen all jene Menschen in Russland, die gegen den Krieg im Osten der Ukraine und gegen den Anschluss der Krim protestierten. Nemzows Name stand auf jenen Listen, die im Internet kursierten. Er wurde als Verräter verunglimpft. Seine jüdische Herkunft und der Antisemitismus in Russland spielten bei dieser Hasskampagne eine wesentliche Rolle".
    (dk/jama)