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Ernährungsexpertin
Lebensmittelverschwendung ist manchmal "der pure Überdruss"

Lebensmittel werden tonnenweise jedes Jahr in Privathaushalten entsorgt. Ernährungsexpertin Laura Gross empfiehlt deshalb, Lebensmittel besser zu ordnen und Einkäufe zu planen. Das helfe auch, im Supermarkt zwischen Sonderangeboten den Überblick zu bewahren, sagte sie im Dlf.

Laura Gross im Gespräch mit Georg Ehring |
    Elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen pro Jahr in deutschen Mülleimern
    "Alles, was Sie im Supermarkt gekühlt kaufen, sollten Sie auch zuhause gekühlt lagern", empfiehlt Laura Gross (Imago)
    Georg Ehring: Knapp elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen jedes Jahr bei uns auf dem Müll. Das ergab eine Studie der Universität Stuttgart im Auftrag des Bundesministeriums für Landwirtschaft. Ministerin Julia Klöckner stellt heute Strategien zur Verkleinerung dieses Abfallberges vor. Mehr als die Hälfte der Abfälle entsteht in Privathaushalten, und darüber, wie Sie und ich das Wegwerfen von Lebensmitteln vermeiden können, spreche ich jetzt mit Laura Gross. Sie ist Ernährungsexpertin bei der Verbraucherinitiative in Berlin. Guten Tag, Frau Gross!
    Laura Gross: Ich grüße Sie. – Hallo!
    Ehring: Warum landen in privaten Haushalten so viele Lebensmittel auf dem Müll? Was ist da Ihre Vermutung?
    Gross: Oh, das sind verschiedene Gründe. Das eine ist manchmal eine Fehlplanung oder ein bisschen Unordnung im Kühlschrank und im Vorratsschrank, dass irgendwas weit hinten ist, was schon offen ist, und dann ungesehen vergammelt. Manchmal ist es der pure Überdruss. Man kauft was ganz begeistert und dann schmeckt es niemandem. Es ist sicherlich eine Mischung aus allem.
    Ordnung im Kühlschrank ist wichtig
    Ehring: Wenn ich jetzt dem Kampf gegen das Wegwerfen von Lebensmitteln bei mir Zuhause den Kampf ansagen will, was ist der wichtigste Hebel?
    Gross: Denken und Planen, um es mal ganz klar zu sagen. Das Wichtigste ist sicherlich, sich bewusst zu machen, wie esse ich, was brauche ich in meiner Familie, wie leben wir im Alltag, wie leben wir am Wochenende, was soll es die nächsten zwei Tage zu essen geben, was sollen alle mit ins Büro oder zur Arbeit und in die Schule mitnehmen, sich überlegen, was brauche ich wirklich. Dann gucken, was ist da. Auch da hilft sehr, wenn man Ordnung hat im Kühlschrank und im Vorratsschrank, wenn man alles, was offen ist, schon mal im Sichtfeld hat und über den Rest auch einen guten Überblick hat. Dann überlegt man sich das, macht einen Plan, macht eine Einkaufsliste, egal ob auf den Knien in der Straßenbahn oder noch hektisch im Zug.
    Wichtig ist diese Liste, weil sie uns hilft, den Überblick und die Ruhe zu bewahren in einem Supermarkt, der uns von allen Seiten sagt, was wir heute unbedingt noch brauchen. Essen Sie vorher einen Keks oder irgendwas anderes, dass Sie satt sind, wenn Sie einkaufen gehen, und dann arbeiten Sie diese Liste ab, sodass Sie wissen, ich kaufe heute das. Wenn Sie einen kleinen Einkauf machen, nehmen Sie auch nur einen kleinen Korb, damit Sie nicht noch Platz sehen, den Sie füllen wollen, und achten Sie ganz toll auf Sonderangebote, und zwar anders herum: Denken Sie über diese Sonderangebote nach. Rechnen Sie durch: Macht das Sinn, bloß weil der Kilopreis niedriger ist beim einen Produkt, brauche ich denn dieses ganze Kilogramm, oder esse ich denn wirklich die große Packung auf? Macht das Sinn? Schmeiße ich nicht den Rest weg? – Dann zeigt sich manchmal, dass absolut gesehen zwei Mohrrüben dann doch günstiger sind, selbst wenn der Kilopreis hoch ist, als das ganze Kilo, was ich dann wegschmeiße. Dann gewöhnen Sie sich und Ihren Lieben an, dass manchmal Dinge einfach alle sind. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt.
    "Sie haben ja Sinne, die Sie nutzen können"
    Ehring: Das Haltbarkeitsdatum – darüber müssen wir auch reden -, das ist nicht das Verfallsdatum. Aber wie kriege ich denn raus, ob ein Lebensmittel noch okay ist?
    Gross: Durch Schmecken, Riechen, Gucken. Sie haben ja Sinne, die Sie nutzen können. Das Haltbarkeitsdatum sagt Ihnen, wie lange der Hersteller sich verpflichtet hat, sein Qualitätsversprechen zu halten. Wenn das Produkt ungeöffnet ist am Tag des Ablaufs des Datums, oder auch danach, dann kosten Sie es, gucken Sie es sich an. Wenn Ihre Sinne Ihnen sagen, hier stimmt was nicht, dann ist es tatsächlich ein Fall für die Tonne. Wenn es aber normal aussieht, normal schmeckt, normal riecht, sich nichts getrennt hat, keine Phasen getrennt haben, dann können Sie es einfach benutzen.
    Anders ist es beim Verbrauchsdatum, und auch da ist wieder wichtig: Überlegen Sie sich beim Einkauf, schaffe ich das, verarbeite ich wirklich dieses Hackfleisch noch heute, verarbeite ich diese Sojasprossen, die rohen, noch heute, kann ich dieses Geflügelfleisch wirklich noch heute oder bis zum Verbrauchsdatum richtig lagern und verarbeiten. Wenn Sie das nicht schaffen, oder das unrealistisch ist, dann lassen Sie es gleich im Laden für jemand anders stehen.
    Ehring: Frische Lebensmittel – wir sind beim Stichwort Lagern. Nicht alles kommt in den Kühlschrank. Was nicht?
    Gross: Oh, einiges nicht! Eine gute Faustregel ist: Alles, was Sie im Supermarkt gekühlt kaufen, sollten Sie auch zuhause gekühlt lagern. Alles was da nicht gekühlt wird, müssen Sie nicht in den Kühlschrank stellen. Bei Obst und Gemüse ist es so: Die meisten Sachen halten es ganz gut aus im Kühlschrank, im Gemüsefach. Empfindliche Beeren – das kommt jetzt im Frühling wieder -, die am besten schön ganz oben hin und niemals waschen, bevor man sie in den Kühlschrank stellt. Das Schlimmste was im Kühlschrank passiert ist eigentlich nur, dass die ein bisschen das Aroma verlieren, aber sie halten auch vor allen Dingen die Fruchtfliegen fern, wenn es wieder warm wird. Das kann man für sich selber abwägen, ob man das macht. Bananen würde ich nicht in den Kühlschrank legen. Fleisch, Fisch, Käse, Milch, alles in den Kühlschrank und auch angebrochene Konserven oder angebrochene Kompottgläser und solche Geschichten. Immer wenn es angebrochen ist und dann verderben könnte, dann in den Kühlschrank, schön ins Sichtfeld, damit man es dann auch bei Zeiten alles aufisst.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.