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Ernährungsforschung
Fleisch- und Fertiggerichte in gesunder Form

Vom Bundesforschungsministerium geförderten Ernährungsprojekten gelingt, was die Industrie bisher verweigert: Sie entwickeln Rezepturen für gesündere und dennoch schmackhafte Wurstwaren, Joghurts, Fertigprodukte und andere Lebensmittel. Die ersten werden bereits regional vermarktet.

Von Volker Mrasek |
Eine Verkäuferin nimmt Leberkäse aus einer Fleischtheke in einem Supermarkt.
Wurstwaren gelten als ungesund. Aber was, wenn man das tierische Fett ersetzt und Ballaststoffe beimischt? (Picture Alliance / dpa-Zentralbild / Jan Woitas)
Eine daumendicke Scheibe Wurst, eingeklemmt zwischen zwei Brötchenhälften – das ist die typische bayerische Leberkässemmel. Schmeckt, macht satt, aber nicht unbedingt ein Snack, den Stefan Lorkowski empfehlen würde. Er ist Professor für Biochemie der Ernährung an der Universität Jena: "Wir haben relativ hohe Salzgehalte. Wir haben einen relativ hohen Fettanteil. Und da wir halt tierische Produkte haben, haben wir einen relativ hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren."
Wie gesund und nachhaltig ist ein Leben ohne tierische Produkte?
Lupinenmehl als Alternative zu Eiern, Soja-, Reis- und Haferdrinks statt Kuhmilch und Thunfisch aus Erbsenproteinen – eine wachsende Zahl an Produkten macht es heute möglich, auf tierische Lebensmittel zu verzichten. Vegane Ernährung liegt im Trend, wird vermutlich aber nicht so bald zum Mainstream-Lebensstil.
Als gesundheitsförderlich gelten die Fleischkäse-Semmeln und ähnliche Wurstwaren deshalb nicht. Aber es geht auch anders! Man kann den Anteil von magerem Muskelfleisch in der Wurstgrundmasse erhöhen; gewisse Mengen der tierischen Fette lassen sich durch gesündere Pflanzenöle ersetzen, "weil man bei der Wurstzubereitung ja auch Fett einarbeitet."

Pflanzenöl statt tierisches Fett

Und man kann dem Fleischkäse Ballaststoffe zusetzen. Bei den Semmeln erreicht man dasselbe, wenn der Teig Vollkornmehl enthält:
"Wir wissen aus sehr vielen Beobachtungsstudien, dass Menschen, die einen hohen Ballaststoff-Verzehr haben, weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben, seltener einen Typ-2-Diabetes entwickeln, viel seltener Dickdarmkrebs bekommen. Und tatsächlich sich in vielen Studien auch zeigt, dass die Leute, die viel Ballaststoffe verzehren, länger leben."
Die Leberkässemmel mit dem günstigeren Nähstoffprofil – sie ist nur ein Beispiel für viele neue Lebensmittel-Rezepturen, die in vier großen deutschen Ernährungsprojekten über die letzten Jahre entstanden sind, mit Fördermitteln vom Bundesforschungsministerium.

Smoothies mit Meeresalgen

Smoothies mit nährstoffreichen Meeresalgen; zucker- und fettreduziertes Speiseeis, das genauso schmeckt wie normales; Joghurt mit einem Schuss Rapsöl und weniger Milchfett - das sind weitere Neuentwicklungen aus den sogenannten Kompetenzclustern der Ernährungsforschung. Stefan Lorkowski leitet einen von ihnen:
"Wir wissen inzwischen aus vielen Jahrzehnten der Ernährungsempfehlungen, dass es natürlich sehr schwierig ist, das Essverhalten von Menschen zu verändern. Das, was wir in den Kompetenzclustern versuchen, ist, die ungesunde Mahlzeit etwas besser zu machen."
Das Fleischkäsebrötchen aus der Forschungsküche enthält zum Beispiel 30 Prozent weniger Kalorien und sogar zwei Drittel weniger Fett. Bei einer Blindverkostung konnten es Testpersonen nicht von traditionellen Leberkässemmeln unterscheiden.

Mehr Vollkorn, weniger Kalorien

Auch Fertiggerichte wie Tiefkühlpizza oder -lasagne aus dem Supermarkt ließen sich ernährungstechnisch ohne weiteres aufpeppen, sagt der Biochemiker – durch höhere Vollkornanteile:
"Am Ende ist es so, dass man natürlich bei Teigwaren guckt: Was für ein Mehl hat man? Und beim Pizzateig / kann man natürlich über Mischmehle arbeiten. Aber man kann eben auch Ballaststoffe zusetzen. Und genauso kann das natürlich eben auch beim Paddy, beim Hamburger machen: dass man kleine Beimischungen von anderen Mehlsorten macht und darüber den Ballaststoffanteil erhöht."
Natürlich wären gesündere Lebensmittel von Nutzen, sagt Hans Hauner, Professor für Ernährungsmedizin an der TU München und Sprecher eines der anderen Kompetenzcluster. Verschiedenen Studien zeigten, "dass ungefähr die Hälfte aller Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems und des Stoffwechsels eben sehr, sehr stark ernährungsabhängig sind."

In Sachsen bereits zu kaufen

Doch eigentlich sollte es nicht an Universitäten sein, neue Rezepturen zu entwickeln. Darin ist sich Hauner mit Pablo Steinberg einig, dem Präsidenten des Bundesforschungsinstituts für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe: "In Wirklichkeit ist die Lebensmittelwirtschaft dafür zuständig, neue Lebensmittel zu entwickeln."
Doch die sträubt sich, genauso wie der Einzelhandel. Deshalb versuchen die Forscher, eher kleine Firmen für ihre Sache zu gewinnen. In Einzelfällen habe das auch schon geklappt, sagt Stefan Lorkowski in Jena. Etwa bei einer Leberwurst mit Anteilen von herzgesundem Fischöl: "Fettreduziert, aber eben auch fettoptimiert. Und die können Sie in Sachsen auch kaufen."