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Ernest Backes: Das Schweigen des Geldes - Die Clearstream-Affäre

Luxemburg ist ein reicher Finanzplatz und macht immer mal wieder durch Finanzskandale von sich reden. Einer davon war der so genannte Clearstream-Skandal. Über verdeckte Konten wurden da Milliarden-Transfers abgewickelt, vorbei an Recht und Gesetz und zum Schaden der Bürger vieler Staaten, deren Finanzministern dieses Geld für wichtige staatliche Aufgaben fehlt. Auch Geldwäsche und Korruption waren in dieser Affäre im Spiel. Allein 150 Millionen Transaktionen wickelte Clearstream im Jahr 2000 ab. Wie diese verschwiegenen Geldströme im Einzelnen funktionierten, haben der ehemalige Luxemburger Banker Ernest Backes und der französische Journalist Denis Robert in einem Buch aufgedeckt, das den Skandal um die Clearstream International, vormals Cedel, erst ins Rollen gebracht hat. Zu den Kunden dieser Bank zählen übrigens keineswegs nur Mafia und Geheimdienste, sondern auch Multis wie Unilever oder Siemens. Albrecht Kieser hat den Wirtschaftskrimi von Backes und Robert, der jetzt auf Deutsch erschienen ist, für uns gelesen.

Albrecht Kieser |
    Warum packt ein Banker aus? Noch dazu über die Bank, die er mit aufgebaut hat, die er 13 Jahre lang mit geführt hat? Ernest Backes wurde 1983 vom Vorstand der Bank hinausgeworfen. Wollte er sich mit diesen späten Enthüllungen rächen? Und hat einen eitlen Autoren und einen willigen Verlag gefunden, die ihm dabei helfen? Oder ist es so, wie Ernest Backes in einer Anhörung vor dem Europaparlament sagte?

    In all unseren Demokratien ist die Politik eine Geisel der Finanzwelt, die der Parallelfinanz ein dunkle Nische schuf. Es gilt heute, die Demokratie von dieser Fessel zu befreien.

    Unter der Blackfriars Bridge in London hing am 18. Juni 1982 Roberto Calvi, Chef der vatikannahen Banco Ambrosiano. Auch Gérard Soisson starb eines ungeklärten Todes, am 28. Juli 1983. Sein Ableben allerdings machte weniger Schlagzeilen. Was wohl daran lag, dass er Chef einer wenig bekannten Bank war. Gérard Soisson war Chef von Cedel und damit Vorgesetzter und Kollege von Ernest Backes. Die beiden wirkten 1970 führend bei der Gründung des Instituts im Auftrag von 66 Geldinstituten aus elf verschiedenen Ländern mit. Zwei Jahre später zählte dieses Unternehmen 372 Mitgliedsbanken weltweit. Die Banco Ambrosiano war auch dabei.

    Im Fall Roberto Calvi ging es bekanntlich um Geldwäsche: Mafiagelder und Bestechungsgelder für politische Parteien wurden auf Konten von italienischen Privatbanken eingezahlt, tauchten wenig später als Einzahlungen der Vatikanbank auf und wurden, nach Abzug eines 15-prozentigen Zinsanteils, an ausländische Banken verschoben. Wer dahinter steckte, kam nie heraus. Calvi und die anderen haben das Geld nicht ständig in schwarzen Koffern von hier nach da geschleppt. Denn mit Cedel gab es eine Institution, die den Geld- und Wertpapierverkehr unter Banken abwickelte. Das war die Absicht ihrer Gründung, und diese Absicht war durchaus lauter, erläutert das Buch. Bis 1970 nämlich musste der Verkauf z.B. von IBM-Aktien, den eine New Yorker Bank in Kundenauftrag an eine römische Bank tätigen wollte, als handfestes Transportgeschäft abgewickelt werden. Die Aktien aus dem Depot der New Yorker Bank wurden in ein Päckchen verpackt, eine Transportfirma wurde beauftragt, die wertvollen Papiere sicher über den Atlantik zu bringen, um sie dann in Rom auszuhändigen. Das ging mit Zeitverlust, also mit Zinsverlust einher. Über Cedel wurde diese Transaktion unkomplizierter abgewickelt. Die Wertpapiere blieben im Depot, nur der Besitztitel wurde geändert.

    Eine lautere Absicht, so sieht es noch heute Ernest Backes. Es blieb allerdings nicht dabei. Schon bald nach Gründung der Cedel etablierte das Bankinstitut so genannte "unsichtbare" Konten. Die Deutsche Bank z.B. veröffentlichte in den internen Kontenlisten, die allen Mitgliedsbanken von Cedel zur Verfügung standen, nur noch wenige Hauptkonten. Über sie wurden alle internationalen Transaktionen, an denen die Deutsche Bank beteiligt war, abgewickelt. Das dort eingegangene Geld bzw. die Wertpapiere verteilte die Deutsche Bank dann intern an die Konten der Zweigstellen, bei denen Aktien oder Geld tatsächlich ankommen sollten. Eine Vereinfachung, hieß es. Aber eben auch sehr sinnvoll für alle dubiosen und dunklen Geschäfte, die direkt über die Geheimkonten problemloser abzuwickeln sind als über die öffentlich bekannten. Ernest Backes behauptet, erst nach und nach seien ihm und seinem Chef die Möglichkeiten dieses verdeckten Geldtransfers klar geworden. Sie hätten gegensteuern wollen. Der Vorstand der Bank habe jedoch einen neuen Generaldirektor bestellt, der die Praxis der Geheimkonten forcierte. Gérard Soisson wurde entmachtet, er starb schließlich unter bis heute ungeklärten Umständen, Ernest Backes verlor seinen Job.

    Cedel, das schildert der Journalist Denis Robert sehr präzise, war bei den italienischen Geldwäscheskandalen der 80er Jahre beteiligt als so genannte internationale Clearingstelle, also als Vermittlerin zwischen Banken unterschiedlicher Länder. Doch die italienische Geldbombe, die in den 80er Jahren platzte, hat Cedel nicht mit in den Abgrund gerissen. Für die Beteiligung dieser Institution schien sich damals niemand zu interessieren. Die Bank macht weiter, intensiver noch als zuvor. 2000 Banken operieren heute mit Hilfe von Cedel-Clearstream. Eine Transfersumme von jährlich 10 Trillionen Euro wird über 15.000 dort registrierte Konten abgewickelt, die Hälfte der Konten sind geheim. Die illegalen Transaktionen über diese Konten bewegen Milliarden, wenn man den Darstellungen von Robert und Backes glauben darf.

    Und es besteht kein Grund, ihnen nicht zu glauben. Zu gut sind ihre Beispiele belegt, anhand derer sie das Geschäftsgebaren von Cedel-Clearstream enthüllen. Und sie sind auch für Laien nachvollziehbar geschildert. Da wird nach der Calvi-Affaire auch die Mitwisser- und Mittäterschaft von Cedel im Falle der Drogen-, Terror- und Waffenschieberbank BCCI beschrieben, die 1991 hatte schließen müssen und trotz richterlichen Verbots mit Hilfe von Cedel noch jahrelang weiter wirken konnte. Da sind die dubiosen Geschäfte des französischen Elf-Konzerns in Sachen Leuna-Werke, die über Cedel gelaufen sind und dort – wie alle Transaktionen – ganz sorgsam auf Mikrofiches dokumentiert wurden. Dort finden sich auch Transaktionen mit den milliardenschweren Weltbankkrediten für Russland, deren Verschwinden als "Kremlgate"-Affäre in die Geschichte der Wirtschaftsverbrechen einging.

    Die Autoren verfügen über zahlreiche dieser Mikrofiches, dank der noch immer guten Verbindungen von Ernest Backes zu Beschäftigten bei Cedel-Clearstream, denen das dortige Geschäftsgebaren dubios erscheint, die aber als Kritiker oder gar Ankläger nicht in Erscheinung treten wollen.

    Dieses Buch hat in Frankreich für Furore gesorgt. Die "Bank der Banken" zeigte sich von der Veröffentlichung betroffen, Schadensbegrenzung war angesagt, Verantwortung wurde nach unten weiter gereicht. Die Aktionäre des Instituts, die weltweit führenden Banken, hatten einen Ruf zu verlieren und entließen den gesamten Vorstand der Bank. Das Geschäft allerdings geht weiter, an den dubiosen Regelungen für den internationalen Geld- und Wertpapiertransfer wurde nichts geändert, das Prinzip der Geheimkonten existiert noch heute.

    Albrecht Kieser war das über "Das Schweigen des Geldes" von Ernest Backes und Denis Robert, erschienen im Zürcher Pendo Verlag. Das Buch hat 380 Seiten und kostet 24,90 Euro.