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Erneuerbare-Energien-Gesetz
"Ausschreibungen bringen erhebliche Probleme"

Künftig wird der Bereich der erneuerbaren Energien von festen Fördersätzen auf Ausschreibungen umgestellt. Man hätte die bisherigen Vergütungssätze auch anpassen können, weil man mit dem bestehenden System gute Erfahrung gemacht habe, sagte die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut der Wirtschaft in Berlin. Der Umstieg löse nicht die Probleme, die der Energiemarkt im Moment habe.

Claudia Kemfert im Gespräch mit Georg Ehring  |
    Claudia Kemfert vom DIW
    Die Energieökonomin Claudia Kemfert sieht mehr Unsicherheit im Erneuerbare-Energien-Markt mit der Umstellung auf Ausscheibungen (dpa / picture alliance / Bernd Wüstneck)
    Georg Ehring: Strom aus Sonne, Wind und Wasserkraft und aus Biomasse soll in wenigen Jahrzehnten die Versorgung mit Elektrizität dominieren und das Wachstum war in der Vergangenheit durchaus beeindruckend. Jetzt soll die Förderung auf neue Füße gestellt werden. Ein Referentenentwurf für das Erneuerbare-Energien-Gesetz aus dem Bundeswirtschaftsministerium behandelt nach den Worten von Minister Sigmar Gabriel die Erneuerbaren erstmals als etablierte erwachsene Technologien. Folglich müssten sie sich stärker dem Wettbewerb stellen und ob dies mit dem künftigen EEG gelingen würde, darüber möchte ich jetzt sprechen mit Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Guten Tag, Frau Kemfert.
    Claudia Kemfert: Guten Tag, Herr Ehring.
    Ehring: Frau Kemfert, nach dem Gesetzentwurf soll das Wachstum von Strom aus Erneuerbaren besser planbar sein. Es gibt künftig auch Ausschreibungen statt Anschlusszwang. Ist das der richtige Weg?
    Kemfert: Besser planbar klingt ja erst mal sehr gut. Es wäre ja schön, wenn dem auch so wäre. Allerdings ist die Gefahr jetzt sehr, sehr groß, indem man diese Korridore vorschreibt, sehr viel Planwirtschaft einführt und dann noch Ausschreibungen nutzt, dass man gerade diese Ziele, die man erreichen möchte, Kosteneffizienz, mehr Markt, bessere Planbarkeit, gar nicht wird erreichen können, was daran liegt, dass die Ausschreibungen häufig teurer sein können, weil erhöhte Risikoaufschläge gerade von Investoren auch eingepreist werden und auch die Frage im Raum steht, wo wird wann wie viel erneuerbare Energie zugebaut. Das ist in dem Sinne nicht planbar und birgt sehr viel mehr Unsicherheiten als vorher und die Gefahr ist größer, dass die Energiewende eher ausgebremst wird.
    Ehring: Aber bei Ausschreibungen gewinnt doch immer der billigste und dann müsste es doch klappen.
    Kemfert: Ja, grundsätzlich ist das so. Die Frage ist aber, was ist billig und wer bietet. Häufig sind es strategische Interessenten, das wissen wir aus anderen Ländern, die dann ein Angebot unterbreiten. Das sind auch größere Anbieter, die bessere Investitionsmöglichkeiten haben und damit die Akteursvielfalt auch zurückgeht. Die Frage ist dann auch, wenn so eine Ausschreibung erfolgt ist, wenn dieser Bieter den Zuschlag bekommt, wird er tatsächlich zubauen, was passiert im Fall, wenn er die Anlage nicht baut, gibt es dann Sanktionen, wenn das der Fall ist, wird das schon im Vorhinein eingepreist. Es klingt immer alles auf dem Papier sehr einfach, sehr logisch; Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, die Ausschreibungen bringen erhebliche Probleme.
    Kemfert: Man schafft mehr Unsicherheit mit dem neuen System
    Ehring: Ist denn der Wachstumspfad, den das Bundeswirtschaftsministerium plant, angemessen, ambitioniert genug?
    Kemfert: Er könnte durchaus ambitionierter sein vor dem Hintergrund, dass man weiß, dass in anderen Ländern diese Pfade grundsätzlich nie erreicht wurden. Denn die Frage ist mit diesen großen Unsicherheiten, ob man tatsächlich die Zuschläge so bekommt. Grundsätzlich ist es richtig, dass man sich vornimmt, dass bestimmte Ziele erreicht werden sollen, dass man einen Wachstumspfad erreichen will… Man könnte es auch kombinieren mit der Systemdienlichkeit. Die erneuerbaren Energien müssen ja künftig sehr viel versorgungssicherer werden. Sie müssen auch gespeichert werden können. All diese Dinge könnte man kombinieren, ist aber jetzt gar nicht vorgesehen. Insofern schafft man hier mehr Unsicherheiten als wirklich mehr Sicherheiten.
    Ehring: Bürger-Energiegenossenschaften standen ja ziemlich am Anfang der Energiewende und sie sind unverdächtig, ein Projekt dann nicht stattfinden zu lassen, wenn sie den Zuschlag bekommen haben, und die fühlen sich jetzt ausgebremst. Können Sie das nachvollziehen?
    Kemfert: Ja, sie fühlen sich absolut zurecht ausgebremst, denn die Bürger-Energiegenossenschaften sind die großen Verlierer dieser Reform. Man hat jetzt auch in dem Gesetzentwurf sich vorgenommen, dass man die Akteursvielfalt beibehalten will. Nur wie will man diese dann überhaupt überwachen oder überhaupt generieren? Das ist im höchsten Maße unsicher. Und die Bürger-Energiegenossenschaften sind ja schon viel weniger schlagkräftig. Sie sind nicht so investitionsstark. Sie haben ganz andere Möglichkeiten und Bedingungen als jetzt Großanbieter. Insofern werden die extrem benachteiligt und das wird man auch kaum retten können. Insofern ist der Erfolg der Energiewende, den man ja in der Vergangenheit hatte, eine Energiewende von unten zu haben mit vielen Akteuren, mit viel Wettbewerb, das schafft man so nicht mehr und schafft mehr Probleme als Antworten.
    Ehring: Wie ginge es denn besser aus Ihrer Sicht?
    Kemfert: Es ist ohnehin fraglich, warum man jetzt so stark auf Ausschreibungen umschwenkt, denn die Vergütungssätze hätten ja entsprechend angepasst werden können. Mit dem jetzigen System hat man ja gute Erfahrungen gemacht. Man hat eine Kostenkontrolle und man hätte es kombinieren können mit den zukünftigen Marktsystemanforderungen. Die Systeme müssen ja flexibler werden, sie müssen dynamischer werden, man muss mehr Energie speichern in der Zukunft. All das hätte man gut miteinander kombinieren können. Jetzt steigt man um ohne Not, wirft das ganze System über Bord und schafft damit erhebliche Unsicherheiten und löst die Probleme, die der Energiemarkt im Moment hat, damit in keinster Weise. Insofern: Man hätte es besser machen können, aber offensichtlich will man hier einen bestimmten Pfad vorgeben und erhofft sich damit mehr Erfolge.
    Ehring: Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung war das zum künftigen Erneuerbare-Energien-Gesetz. Herzlichen Dank dafür.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.