Um das Ziel von mindestens 65 Prozent Ökostrom im Jahr 2030 zu erreichen, soll mehr Energie durch Wind- und Solarstrom gewonnen werden. Das will Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit einer Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ab Januar 2020 erreichen. Der Entwurf enthalte gute Elemente, "um die Energiewende voranzubringen", sagt der Energie-Ökonom Andreas Löschel von der Westfälischen Wilhelms-Universität.
Altmaiers Reformplan für das Erneuerbare-Energien-Gesetz
- Klare Mengenziele bei Wind- und Solarkraft
- Bei Windkraft soll die installierte Leistung bis 2030 bei 71 Gigawatt liegen. Ende 2019 lag die installierte Leistung bei rund 54 Gigawatt. Nach Branchenangaben kamen im ersten Halbjahr 2020 nur 591 Megawatt Leistung neu hinzu
- Vor allem im windärmeren Süden Deutschlands sollen neue Windräder entstehen
- Betreiber neuer Windanlagen sollen zudem künftig der Standortgemeinde pro Jahr 0,2 Cent pro Kilowattstunde für die tatsächliche eingespeiste Strommenge zahlen
- Bei der Solarenergie soll jährlich ein schrittweise ansteigender Zuwachs von 4,6 bis 5,6 Gigawatt erreicht werden
- Große Solaranlagen etwa auf Supermärkten oder anderen Gewerbedächern mit mehr als 500 Kilowatt Leistung werden dem Entwurf zufolge nun über Ausschreibungen gefördert
- Klare Mengenziele bei Wind- und Solarkraft
- Bei Windkraft soll die installierte Leistung bis 2030 bei 71 Gigawatt liegen. Ende 2019 lag die installierte Leistung bei rund 54 Gigawatt. Nach Branchenangaben kamen im ersten Halbjahr 2020 nur 591 Megawatt Leistung neu hinzu
- Vor allem im windärmeren Süden Deutschlands sollen neue Windräder entstehen
- Betreiber neuer Windanlagen sollen zudem künftig der Standortgemeinde pro Jahr 0,2 Cent pro Kilowattstunde für die tatsächliche eingespeiste Strommenge zahlen
- Bei der Solarenergie soll jährlich ein schrittweise ansteigender Zuwachs von 4,6 bis 5,6 Gigawatt erreicht werden
- Große Solaranlagen etwa auf Supermärkten oder anderen Gewerbedächern mit mehr als 500 Kilowatt Leistung werden dem Entwurf zufolge nun über Ausschreibungen gefördert
Im Reformvorschlag würden die richtigen Aspekte thematisiert, sagte Löschel. So sollen die Haupthindernisse für den Ausbau von Windenergie aus dem Weg geräumt werden. "Es lag in der Vergangenheit nicht an der fehlenden Förderung." Vielmehr habe es Probleme mit mangelnden Flächen, Protesten und den Genehmigungsverfahren gegeben. Deshalb sei es wichtig – wie nun vorgesehen - die Kommunen einzubeziehen und die Abstandsregelungen für Windräder flexibel zu halten.
Knackpunkt Stromverbrauch
Die Unsicherheiten im Reformplan hingen vor allem mit dem Stromverbrauch zusammen, so Energie-Ökonom Löschel. So sei beispielsweise unklar, wie sich die COVID-19-Pandemie entwickele. Der Stromverbrauch sei in den letzten Monaten stark eingebrochen. "Die Frage ist, wie schnell kommt hier Wirtschaftskraft zurück", so Löschel. Der Stromverbrauch hänge aber auch davon ab, wie schnell man die Sektorenentwicklung vorantreiben. Wie schnell man Strom für Wärme und Elektromobilität einsetze. "All das wird für mehr Stromverbrauch sorgen". Und auch für die neue Wasserstoffstrategie benötige man viel Strom. Unter den Voraussetzungen, dass der Stromverbrauch gleich bleibe, könnte das Ausbauziel von 65 Prozent Ökostrom aber erreicht werden, "aber es gibt da sicher ein Risiko, dass der Stromverbrauch auch steigen wird."
Das Interview in gesamter Länge
Georg Ehring: Herr Löschel, unsere Stromversorgung soll Ende dieses Jahrzehnts zu 65 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommen. Kann das funktionieren, wenn der Entwurf von Peter Altmaier Gesetz wird?
Andreas Löschel: Der vorliegende Referentenentwurf enthält aus meiner Sicht einige gute Elemente, hier tatsächlich die Energiewende voranzubringen und auch das vorgeschlagene Ausbauziel von 65 Prozent zu erreichen. Es gibt einige Unsicherheiten, die zu berücksichtigen sind. Die ranken sich insbesondere um den Stromverbrauch in den nächsten Jahren. Diese Unsicherheiten hängen zum Beispiel damit zusammen, wie sich etwa die Covid-19-Pandemie entwickelt. Der Stromverbrauch ist ja in den letzten Monaten stark eingebrochen und die Frage ist, wie schnell kommt hier Wirtschaftskraft zurück. Aber der Stromverbrauch hängt auch davon ab, wie schnell wir zum Beispiel die Sektorenentwicklung vorantreiben. Wir wollen ja Strom auch im Bereich der Wärme einsetzen, wir wollen die Elektromobilität fördern. All das wird für mehr Stromverbrauch sorgen. Auf der anderen Seite haben wir eine neue Wasserstoffstrategie. Auch dafür werden wir viel erneuerbaren Strom brauchen. Die Bundesregierung geht in dem Entwurf davon aus, dass der Stromverbrauch ungefähr gleich bleibt. Es gibt ja auch Entwicklungen im Bereich der Stromeffizienz, der Energieeffizienz, die den Stromverbrauch sinken lassen, aber das ist eine kritische Annahme. Unter den Voraussetzungen, dass wir ungefähr einen gleichbleibenden Stromverbrauch haben, denke ich, die Ausbauziele können so auch erreicht werden, aber es gibt da sicher ein Risiko, dass der Stromverbrauch auch steigen wird.
Ehring: Das heißt: Wenn die Energie- und Klimawende insgesamt vorankommt, dann ist das schlecht für das Erreichen des Ziels bei erneuerbaren Energien?
Löschel: Das ist die Frage, wie in den anderen Sektoren auch Klimaschutz betrieben wird. Wir haben gesehen, dass die Elektrifizierung tatsächlich eine sehr wichtige Maßnahme ist, und wenn das tatsächlich schneller stattfindet, tatsächlich mehr Elektromobile auf die Straßen kommen, mehr tatsächlich Wärmepumpen genutzt werden, wir schneller aus der Kohle aussteigen, dann liegt natürlich hier mehr Druck auf dem Ausbau der Erneuerbaren als jetzt schon, und das muss berücksichtigt werden. In der Beziehung passt aus meiner Sicht der Vorschlag so zu gegebenen heutigen Dynamiken, die wir sehen, aber man wird da sicher genau hinschauen müssen, ob man das nicht nachschärft.
"Wichtige Vorschläge bei der Akzeptanzförderung"
Ehring: Sie sprachen gerade von guten Elementen zum Anfang des Interviews. Welche sind das?
Löschel: Ich habe schon gesagt, wir wissen jetzt zuerst mal, wie überhaupt diese Ausbaupläne sind und wie die auch über die Zeit sich gestalten werden. Im Bereich der Windenergie scheint mir das sehr nahe auch an vielen der Forderungen zu sein, die hier in den verschiedenen Studien gemacht werden. Auch bei der Solarenergie ist das eigentlich so. Das heißt, hier haben wir jetzt eine gewisse Klarheit auch, wie man hier weiter vorangehen mag. Es gibt auch im Bereich zum Beispiel der Akzeptanzförderung aus meiner Sicht einige wichtige Vorschläge, die jetzt Berücksichtigung finden, auch bei den Altanlagen. Alles zeigt in die richtige Richtung tatsächlich in diesem Entwurf.
Ehring: Nun gab es in der Vergangenheit ja eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Es wurde weit weniger gebaut als angestrebt - zum Beispiel, weil Pläne für neue Windräder wegen Widerstands vor Ort gar nicht umgesetzt werden können. Jetzt soll die Planung erleichtert werden. Glauben Sie, dass das helfen wird?
Löschel: Ich glaube, das ist ein ganz zentrales Problem, was Sie ansprechen. Es lag ja in der Vergangenheit gar nicht unbedingt so an der fehlenden Förderung. Wir haben ja gesehen, dass Windausschreibungen in der Vergangenheit gar nicht mal voll ausgenutzt wurden. Die Probleme lagen oft woanders, bei ausreichenden Flächen, bei den Protesten und Klagen der Anwohner, bei den langen Genehmigungsverfahren, die oft fehleranfällig waren. Deswegen ist es so wichtig, genau diese Verfahren rechtssicherer zu machen, zu straffen, die Kommunen einzubeziehen, die Abstandsregelungen nicht mehr so fix zu halten, sondern durch flexiblere Abstandsregelungen mehr Flächen auszuweisen, und das wird auch in dem Entwurf hier entsprechend angesprochen, über die Beteiligung der Kommunen, über mögliche Entschädigungen für Landschaftsbilder, über Bürgerstromtarife und auch über individuellere Prüfungen für die Abstandsregelungen.
"Das Thema insgesamt breiter denken"
Ehring: Das heißt, in dem Bereich sind Sie optimistisch, dass die finanzielle Beteiligung von Kommunen zum Beispiel der richtige Weg ist und dass das auch klappen kann?
Löschel: Da bin ich optimistisch. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Ob wir die Ausbauziele in dem Umfang tatsächlich erreichen werden, das wird sich erst noch zeigen müssen. Deswegen denke ich, wir müssen auch jenseits jetzt der EEG-Novelle tatsächlich dieses Thema etwas breiter denken und auch zum Beispiel im europäischen Rahmen besser über die Ausbaustrategie für Erneuerbare nachdenken, denn wir haben ja auch eine europäische Klimastrategie und wir sehen perspektivisch, dass der Ausbau zum Beispiel der Windenergie - in den letzten Jahren haben wir ja gerade mal ein Gigawatt geschafft; jetzt sollen wir das auf einmal vervierfachen – mit großen Problemen verbunden ist. Und dann braucht man breitere Strategien, die nicht nur nach Deutschland schauen, sondern tatsächlich auch darüber hinaus.
Ehring: Die Kritik ist ja auch, dass der Ausbauplan, der jetzt vorgelegt wird, nicht ehrgeizig genug sei, um die Klimaziele zu erreichen. Dafür seien mehr als 65 Prozent Anteil an erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung erforderlich. Teilen Sie das?
Löschel: Wir haben als Zielsetzung tatsächlich formuliert die 65 Prozent Erneuerbare im Stromverbrauch. Das schafft es. Allerdings möchte ja Deutschland oder hat sich Deutschland auch zur Klimaneutralität bekannt, und da gibt es tatsächlich eine gewisse Inkonsistenz, denn Klimaneutralität bedeutet nach allem, was wir wissen, dass der Stromsektor deutlich vor 2050 tatsächlich CO2-frei wird, und wahrscheinlich wird man dafür eine Schippe drauflegen müssen. Wir werden das wahrscheinlich auch bald diskutieren, wenn nämlich klar wird, wie die neuen EU-Klimaziele ausschauen. Die sind ja heute 40 Prozent für 2030. Die sollen angehoben werden auf 50 bis 55 Prozent. Das heißt: Sobald klar ist, was hier eigentlich zu erwarten ist, hat das natürlich Rückwirkungen auch auf den Erneuerbaren-Ausbau in Deutschland, und auch dann wird man noch mal anschauen müssen, wie groß diese Dynamiken dann tatsächlich sind.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.